RM Rudolf Müller
Brauner Tonputz im Seminarhaus „FreeDOM“ im österreichischen Peuerbach.   Foto: Emoton

Brauner Tonputz im Seminarhaus „FreeDOM“ im österreichischen Peuerbach.   Foto: Emoton

Bauchemie
14. Mai 2019 | Artikel teilen Artikel teilen

Was ist Tonputz?

Als raumseitige Beschichtung von Mauerwerk soll Tonputz in der Lage sein, die Luftqualität in Gebäuden spürbar zu verbessern. Aber wie funktioniert diese raumluftregulierende Wirkung? Und was ist eigentlich der Unterschied zwischen Ton- und Lehmputz?

Tonmineralien sind in vielen Baustoffen ein wesentlicher Bestandteil. Man findet sie zum Beispiel in Mauerziegeln, Dachziegeln, Klinkerpflastern, Klinkerriemchen und natürlich in allen Arten von Keramikfliesen. Aber auch in Lehmputzen spielen sie eine entscheidende Rolle als Bindemittel. Lehmputz besteht neben Sand und Schluff (sehr feine Sande) vor allem aus Ton. Und was ist dann „Tonputz“?

Eine Frage der Konzentration

Nach Angaben des österreichischen Unternehmens Emoton handelt es sich dabei um den besseren Lehmputz. Natürlich steckt auch Marketing hinter dieser Aussage. Emoton produziert schließlich Tonputz und ist der bekannteste Hersteller dieser noch relativ neuen Putzvariante. Es gibt viele Lehmputzhersteller, wenn man dagegen im Internet nach Produzenten von Tonputz sucht, landet man eigentlich immer bei Emoton.

Eins scheint aber unbestritten: Der Tonputz des Herstellers enthält eine deutlich höhere Konzentration an Tonmineralien als herkömmlicher Lehmputz. Das hat Auswirkungen auf die bauphysikalischen Eigenschaften des Produkts. Denn es gilt: Je höher der Tonanteil im Putz, umso besser kann dieser Feuchtigkeit aufnehmen und Luftschadstoffe binden.

Feuchteregulierende Wirkung

Auf dieser Wand kam eine plastikfreie Spachtelmasse aus weißer Tonerde zum Einsatz. Foto: Emoton

Auf dieser Wand kam eine plastikfreie Spachtelmasse aus weißer Tonerde zum Einsatz. Foto: Emoton

Auch Lehmputz eignet sich sehr gut zur Regulierung der Raumluftfeuchtigkeit, da er viel Wasserdampf speichern und bei Bedarf zeitversetzt wieder an die Raumluft abgeben kann. Ist die Luftfeuchtigkeit hoch, nimmt der Putz überschüssigen Wasserdampf auf, bei zu trockener Raumluft gibt er ihn wieder an die Umgebung ab.

Verantwortlich für diesen positiven Effekt sind aber auch beim Lehmputz die Tonminerale. Insofern scheint es nachvollziehbar, dass die Feuchteregulierung bei hoch konzentriertem Tonputz noch effektiver funktioniert. Nach Angaben von Emoton kann ein Tonputz mindestens dreimal soviel Wasserdampf aufnehmen wie ein Lehmputz und etwa zehnmal so viel wie ein Gips- oder Kalk-Gipsputz. Für den Außenbereich eignet sich Tonputz allerdings  nicht, da er genauso wie Lehmputz wasserlöslich ist.

Bindung von Schadstoffen

Tonminerale verfügen zudem über eine große innere Oberfläche. Das erklärt die hohe Aufnahmefähigkeit für Luftfeuchtigkeit, aber auch für leichtflüchtige Schadstoffe (VOC) und unangenehme Gerüche in der Raumluft. Indem tonhaltige Oberflächen Schadstoffe binden, tragen sie zur Luftreinigung im Gebäude bei. Der Ton selbst dünstet zugleich keine giftigen Substanzen aus.

Tonputz ist außerdem antistatisch, er hat also nicht die Eigenschaft, sich elektrisch aufzuladen. Oberflächen, die Kunststoffe enthalten, laden sich dagegen viel stärker auf, wodurch auch vorbeistreifende Staubteilchen aus der Luft statisch aufgeladen werden. Das führt dazu, dass der Staub länger in der Luft bleibt und von Menschen eingeatmet wird. Antistatische Oberflächen wie Ton-, Lehm- und Kalkputze sorgen dagegen dafür, dass der Staub schneller zu Boden fällt – vorausgesetzt, der Putz ist weitgehend frei von Kunststoffen.

Unterputz und Oberflächen-Spachtel

Ton-Unterputz ist maschinengängig und lässt sich wirtschaftlich verarbeiten. Foto: Emoton

Ton-Unterputz ist maschinengängig und lässt sich wirtschaftlich verarbeiten. Foto: Emoton

Die positiven Raumlufteffekte lassen sich nach Angaben von Emoton bereits durch relativ dünne Tonschichten erreichen. Den Universal-Tonputz des Herstellers baucht man als Unterputz lediglich einlagig in Schichtstärken von 1–1,5 cm auf den Untergrund auftragen. Da der Unterputz maschinengängig ist, eignet er sich auch für die wirtschaftliche Verarbeitung großer Flächen. Er enthält neben Ton und Sand auch Hanfwolle und Zellulosefasern.

Übrigens hat der Unterputz keine rötlich-braune Farbe – wie man es von vielen gebrannten Tonprodukten kennt. Er ist eher grau wie Zementmörtel. Als Untergrund eignen sich alle gängigen Mauerwerksteine, aber auch Beton und nichtmineralische Untergründe wie Holzwolle, Holzfaser oder Schilf-Unterputzgewebe. Für das Oberflächen-Finish bietet Emoton Ton-Spachtelmassen in rund 50 Farbtönen. Sie werden ein- oder zweilagig aufgetragen. Danach sind keine weiteren Malerarbeiten erforderlich – weder Anstiche noch Tapeten.

Durch verschiedene Verarbeitungstechniken lassen sich mit dem Spachtel sowohl glatte also auch raue oder anderweitig strukturierte Oberflächen schaffen. Er kann zudem auf alle herkömmlichen Untergründe aufgetragen werden, nicht nur auf Tonputz. Bei Renovierungen ist der Spachtel zum Beispiel als Tapetenersatz verwendbar, auch wenn sich unter der Alttapete kein Ton-Unterputz befindet. Oder man beschichtet damit herkömmliche Trockenbauplatten.

Apropos Trockenbau: Zum Sortiment von Emoton gehört auch die Tonbauplatte „Panello“. Sie besteht nur aus Ton und Zellulosefasern und dient zur Errichtung von Trockenbauwänden oder zur Verkleidung von Wänden und Dachschrägen. Abgerundet wird das Sortiment durch Tonfarben. Sie sind eine Alternative zum Tonspachtel und lassen sich besonders einfach verarbeiten. Man kann sie auch auf Raufasertapeten verwenden.

Prüfsiegel „Ohne Plastik“

Kürzlich wurde ein erster Tonspachtel von Emoton mit dem neuen Prüfsiegel „Ohne Plastik“ der Deutschen Gesellschaft für Umwelt- und Humantechnologie (DGUHT) zertifiziert. Das rein mineralische Produkt „Area fein naturweiß“ besteht zum überwiegenden Teil aus weißer Tonerde und enthält keine Kunststoffe. Wie oben bereits erläutert, ist die Plastikfreiheit wichtig, um antistatische Oberflächen zu gewährleisten.

Vielen Putze enthalten Kunststoffe, vor allem Silikone, damit sie besser haften. Das ist bei Ton gar nicht nötig, weil das Material von Natur aus gut haftet. Silikon in Tonprodukten würde mehr schaden als nutzen. Emoton-Geschäftsführer Norbert Kaimberger: „Schon ein Anteil von nur 3 % hätte zur Folge, dass sich die Poren des Tons schließen. Die raumklimatischen Eigenschaften würden dadurch stark beeinträchtigt“.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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