RM Rudolf Müller
Holz im Brandversuch: Rechts wurden ungeschützte Oberflächen verbaut, links kamen Brandschutzbeschichtungen zum Einsatz. Foto: Sika

Holz im Brandversuch: Rechts wurden ungeschützte Oberflächen verbaut, links kamen Brandschutzbeschichtungen zum Einsatz. Foto: Sika

Bauchemie
18. November 2019 | Artikel teilen Artikel teilen

Was sind Brandschutzbeschichtungen?

Brandschutzbeschichtungen sind spezielle Anstrichmittel, mit denen sich der Brandschutz von Bauteilen in Gebäuden einfach und effizient erhöhen lässt. Zum Einsatz kommen sie nicht nur auf Holz-, sondern vor allem auch auf Stahl- und Betonoberflächen.

Bei Bauteilen aus Holz ist es für jedermann unmittelbar einsichtig, wenn Brandschutzmaßnahmen vorgenommen werden. Vor allem, wenn es um tragende Gebäudebauteile geht. Schließlich handelt es sich um einen normal entflammbaren Baustoff der Baustoffklasse B2. Aber Brandschutz für Stahl und Beton? Braucht man das überhaupt?

Brandschutz für Stahl und Beton?

Um es vorwegzunehmen: Ja, zumindest für tragende Stahlbauteile sind schützende Brandschutzmaßnahmen definitiv notwendig. Im Brandfall ist ein ungeschützter Stahlträger nämlich sogar mehr einsturzgefährdet als ein tragender Holzbalken mit vergleichbarem Querschnitt.

Ein dicker Holzbalken gerät bei längerer Beflammung zwar in Brand, an seiner Oberfläche bildet sich dann aber sogleich eine Verkohlungsschicht, die das weitere Abbrennen stark verzögert. Stahl dagegen ist zwar nicht brennbar (Baustoffklasse A1), bei hohen Temperaturen, wie sie bei Gebäudebränden schnell erreicht werden, verformt sich das Material allerdings. Auf diese Weise verlieren ungeschützte Stahlträger relativ schnell ihre Tragfestigkeit und können vom einen zum anderen Augenblick plötzlich einstürzen.

Und was ist mit Beton? Dieser Baustoff ist ebenfalls nicht brennbar, aber zumindest tragende Betonbauteile enthalten in der Regel Stahlarmierungen (Stahlbeton). Wenn von Brandschutz für Beton die Rede ist, geht es also eigentlich darum, die metallische Bewehrung innerhalb des Betonkörpers vor Feuereinfluss zu schützen. Auch für diesen Zweck gibt es spezielle Brandschutzbeschichtungen.

Aus Stahl oder Stahlbeton sind schließlich auch viele der Rohre, Trassen und Kanäle, die man für häusliche Versorgungsleitungen verwendet (Wasser, Gas, Strom, Telekommunikation). Auch solche Leitungen lassen sich durch einen einfachen Anstrich mit Brandschutzbeschichtungen widerstandsfähiger gegen den Einfluss von Flammen machen.

Funktionsweise der Beschichtungen

Brandschutzbeschichtungen werden nur sehr dünn auf die zu schützende Oberfläche aufgetragen. Bei hoher Temperatureinwirkung schäumen sie aber stark auf. Dabei entsteht eine oft mehrere Zentimeter dicke Kohlenstoffschaummasse, die sich schützend um das Bauteil legt. Das Prinzip ist tatsächlich dem natürlichen Brandverhalten von Holz nachempfunden, wo wir es ja auch mit einer schützenden Verkohlungsschicht zu tun haben.

Die bei Brandschutzbeschichtungen aufschäumende, mikroporöse Kohlenstoffmasse hat eine wärmeisolierende Wirkung, weswegen man die Brandschutzprodukte auch als Dämmschichtbildner bezeichnet. Der Schaum sorgt dafür, dass Hitze und Flammen nicht so schnell zum Kern des Bauteils vordringen und dadurch länger tragfähig bleiben. Das kann im Brandfall Leben retten.

Brandschutzbeschichtungen enthalten polyvalenten Alkohol und außerdem Stoffe, die unter hohem Temperatureinfluss Stickstoff und Phosphor abgeben. Bei über 250 °C zersetzt sich der phosphorhaltige Stoff und es entsteht Phosphorsäure. Diese reagiert mit dem kohlenstoffhaltigen Alkohol zu Phosphatester. Dieses Zwischenprodukt wiederum zerfällt bei weiterer Hitzeeinwirkung zu Kohlendioxid sowie weiteren kohlenstoff- und phosphorhaltigen Überresten. Es sind diese Reste, die schließlich aufgeschäumt werden – und zwar mithilfe des Ammoniak-Gases, das bei der zeitgleichen Zersetzung der Stickstoffquelle (meist Melamin) entsteht.

Verarbeitung

Brandschutzbeschichtungen (hier für Beton) lassen sich per Airless-Spritzverfahren zeitsparend auftragen. Foto: Sika Deutschland GmbH

Brandschutzbeschichtungen (hier für Beton) lassen sich per Airless-Spritzverfahren zeitsparend auftragen. Foto: Sika Deutschland GmbH

Die Beschichtungen lassen sich wie normale Farben, Lacke und Lasuren auftragen. Die Verarbeitung erfolgt wahlweise manuell per Pinsel beziehungsweise Rolle oder maschinell per Airless-Spritzverfahren. Der Begriff Airless bedeutet „luftlos“ und steht für ein Spritzverfahren, bei dem das Material durch hohen Druck – aber ohne Luftzufuhr – zerstäubt und auf die Oberfläche aufgebracht wird (siehe Foto).

Wie oben erwähnt, erfährt die eigentlich sehr dünne Brandschutzbeschichtung unter Hitzeeinwirkung eine gewaltige Volumenvergrößerung. Der Gesamtdurchmesser der Schaumschicht ist umso größer, je dicker die Beschichtung ursprünglich auf das Bauteil aufgetragen wurde. Insofern lässt sich die Brandschutzwirkung der Anstrichmittel durch die jeweilige Dicke des Auftrags variieren.

Diese Variabilität ist praktisch, weil ja ein Stahl-, Holz- oder Betonbauteil mit großem Durchmesser bereits einen vergleichsweise hohen Eigenfeuerwiderstand hat, sodass – je nach Brandschutzanforderungen – unter Umständen schon eine sehr dünne Beschichtung ausreicht. Umgekehrt lässt sich der schwächere Eigenfeuerwiderstand eines eher filigranen Bauteils gezielt durch eine dicker aufgetragene Brandschutzbeschichtung verbessern.

Schichtenaufbau

Je nach Untergrund kann der Schichtaufbau bei Brandschutzbeschichtungen variieren. Bei Stahlbauteilen erfolgt in der Regel zunächst eine Grundierung als Korrosionsschutz. Darauf wird dann der Dämmschichtbildner aufgebracht. Anschließend folgt noch ein meist farbiger Deckanstrich – nicht nur aus optischen Gründen, sondern auch zum Schutz der eigentlichen Brandschutzbeschichtung.

Bei Holz ist natürlich kein Korrosionsschutz notwendig. Bei stark saugendem Untergrund empfiehlt sich aber oft eine feuchtigkeitssperrende Grundierung. Da es in vielen Fällen gewünscht ist, dass hölzerne Oberflächen als solche sichtbar bleiben, sind die entsprechenden Dämmschichtbildner sowie die dazugehörige Deckbeschichtung häufig transparent. Auf Wunsch sind aber auch farbige Überzugslacke erhältlich.

Bei Betonuntergründen ist eine Grundierung in vielen Fällen nicht notwendig. Das Produkt „Unitherm Concrete W“ von Sika lässt sich beispielsweise direkt auf dem Beton applizieren. Der wässrige Dämmschichtbildner ist nach Herstellerangaben ökologisch unbedenklich und eignet sich deshalb nicht zuletzt für die Sanierung im Wohnbaubereich. Mithilfe der Beschichtung lassen sich bestehende Betonwände, -decken oder -stützen kostengünstig und platzsparend auf den neuesten Stand in Sachen Brandschutzanforderungen bringen.

Im Brandfall verhindert die aufgeschäumte Dämmschicht Betonabplatzungen und verzögert somit den Wärmeeintrag in die Stahlbewehrung. Eine abschließende Deckbeschichtung ist für Betonbauteile zwar nicht zwingend erforderlich, zur dekorativen Raumgestaltung sind entsprechende Produkte aber natürlich in unterschiedlichsten Farbtönen erhältlich.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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