RM Rudolf Müller
Kristalline Abdichtungen kommen zum Beispiel bei Gebäudefundamenten zum Einsatz. Foto: Schomburg

Kristalline Abdichtungen kommen zum Beispiel bei Gebäudefundamenten zum Einsatz. Foto: Schomburg

Bauchemie
20. April 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

Was sind kristalline Abdichtungen?

Unter kristallinen Abdichtungen versteht man bauchemische Produkte vor allem für Betonbauteile, die unter Einfluss von Wasser die Bildung rissverschließender Kristalle auslösen. Auf diese Weise tragen sie zur Selbstheilung von Beton bei und schützen dauerhaft vor Feuchteschäden. Zu unterscheiden sind kristalline Abdichtungen, die dem Beton von vorneherein als Zusatzmittel beigemischt werden, sowie Sanierungsprodukte, die man auch nachträglich auf feuchtebelastete Bauteiloberflächen auftragen kann.

Im BaustoffWissen-Beitrag „Was passiert beim Erstarren von Beton?“ wurde ausführlich erläutert, wie bei der Erhärtung von frischem Beton der Zement und das Anmachwasser zu Zementstein reagieren. Diese als Hydratation bezeichnete Reaktion ist gewissermaßen das Vorbild für die Wirkungsweise kristalliner Abdichtungen. Das Ergebnis dieser Reaktion – der Zementstein – ist nämlich ebenfalls ein kristalliner Feststoff.

Genauer gesagt entstehen bei der natürlichen Betonerhärtung Hydratkristalle – häufig Calciumsilikathydrate (CSH) –, die aufgrund ihrer nadelförmigen Strukturen untereinander „verfilzen“. Damit leisten sie einen entscheidenden Beitrag zur hohen Festigkeit und Dichte von Beton. Das Anmachwasser wird im Zementstein dauerhaft chemisch gebunden.

Hydratkristalle sorgen für Dichtigkeit

Die Kristalle haben eine rissverschließende Wirkung. Bild: Schomburg

Die Kristalle haben eine rissverschließende Wirkung. Bild: Schomburg

Die Kristallstrukturen des ausgehärteten Zementsteins allein machen normalen Beton aber noch nicht völlig wasserundurchlässig. Wo diese Eigenschaft gefragt ist – etwa bei erdberührten Gebäudebauteilen – bedarf es zusätzlicher Maßnahmen, damit der Baustoff wirklich wasserdicht wird. Das können zum Beispiel von außen aufgebrachte Abdichtungsmassen oder -bahnen sein. Einen Überblick über die Vielfalt solcher Lösungen bietet der BaustoffWissen-Beitrag „Die wichtigsten Methoden zur Kellerabdichtung“.

Wasserundurchlässigkeit lässt sich aber auch durch den Einsatz von Zusatzmitteln im Beton selbst herstellen. Das ist zum Beispiel bei Bauteilen aus WU-Beton der Fall. Bei diesem Thema kommen nun wieder die erwähnten Betonkristalle ins Spiel. Tatsächlich gibt es viele unterschiedliche Rezepturen für wasserundurchlässige Betone, aber manche Hersteller vertrauen eben auf Zusatzmittel, die kristallin wirkende Substanzen enthalten.

Die Idee dahinter ist einleuchtend: Wenn es die Kristallstrukturen sind, die schon bei der Erstarrung von Normalbeton entscheidend für die Festigkeit und Dichte des Zementsteins sind, was liegt dann näher, als noch mehr Kristalle in den Beton zu bringen, um diesen noch dichter und damit noch wasserundurchlässiger zu machen? Dieses Prinzip klingt umso überzeugender, wenn man bedenkt, dass auch ausgehärteter Beton durchaus noch „Potenzial“ für zusätzliche Kristallisationsreaktionen hat. Denn in der Regel reagieren beim Erstarren von Frischbeton längst nicht alle Zementpartikel mit dem Anmachwasser.

Betocrete-C von Schomburg

Betocrete-C ist wahlweise in pulvriger oder in flüssiger Form erhältlich. Foto: Schomburg

Betocrete-C ist wahlweise in pulvriger oder in flüssiger Form erhältlich. Foto: Schomburg

Ein Beispiel für ein kristallin wirkendes Beton-Zusatzmittel ist Betocrete-C. Das sowohl in pulvriger als auch in flüssiger Form erhältliche Produkt des Bauchemieherstellers Schomburg wirkt als integrierte kristalline Abdichtung im Beton. Nach Herstellerangaben macht es den Baustoff wasserundurchlässig und sorgt zugleich dafür, dass im Laufe der Zeit entstandene Risse sich wieder von selbst verschließen – Stichwort: selbstheilender Beton. Zugleich soll das Zusatzmittel auch als Betonverflüssiger wirken. Das erleichtert die Herstellung von porenarmen und damit besonders dichten Beton.

Betocrete-C soll zwar Wasser im Beton bekämpfen, zugleich ist das Vorhandensein des Elements aber auch Voraussetzung dafür, dass die Kristallisationsreaktion überhaupt in Gang kommt. Die Wirkstoffe des Zusatzmittels reagieren mit dem Wasser, das durch Risse in den Beton eindringt. Erst dadurch bilden sich Kristalle, die die Risse wieder verschließen. Nach Schomburg-Angaben ist auf diese Weise sogar ein lebenslanger Schutz vor eindringender Feuchtigkeit möglich. Bei jedem Kontakt mit Wasser beginnt die Reaktion erneut.

Das Funktionsprinzip von Betocrete-C ähnelt dem chemischen Prozess der normalen Frischbetonerstarrung. Die kristallbildenden Inhaltsstoffe des Produkts lösen laut Hersteller eine Reaktion zwischen anstehender Feuchte und dem freien Kalk des Zements aus. Dabei entstünden Millionen von Nanokristallen, die den Wasserdurchfluss blockieren, die Kapillarporen des Betons ausfüllen und somit Haar- und Schwindrisse verschließen. Das verspricht Schomburg zumindest für normale Risse bis 0,4 mm.

Vielfältige Einsatzbereiche

Zugleich wirbt der Hersteller mit erheblichen Zeitersparnissen auf der Baustelle. Wird Betocrete-C als Zusatzmittel im Beton eingesetzt, seien nämlich in der Regel keine weiteren Abdichtungsmaßnahmen für die Bauteile erforderlich.

Als typisches Anwendungsgebiet für das Zusatzmittel nennt Schomburg unter anderem Weiße Wannen. Damit sind die oben bereits angesprochenen Betonkeller aus WU-Beton gemeint. Diese sollten zwar eigentlich bereits wasserdicht sein, aber Risse oder falsche Fugenabdichtungen können unter Umständen doch zum Eindringen von Feuchtigkeit in die Bausubstanz führen. Hier haben kristalline Abdichtungsprodukte den großen Vorteil, dass sie nach dem Prinzip des selbstheilenden Betons funktionieren.

Betocrete-C ist natürlich auch zur Anwendung bei Kellern und Fundamenten in ganz normalen Wohnhäusern geeignet. In der Praxis kommt das Produkt aber meist eher bei Großprojekten zum Einsatz –für unterschiedlichste Bauteile, die mit Wasser in Berührung kommen. Neben Fundamenten – zum Beispiel von Gewerbeimmobilien – nennt Schomburg hier unter anderem auch Auffang- und Rückhaltebecken, Kühltürme von Kraftwerksanlagen, Schwimmbecken im Erdbereich, Parkgaragen und Parkdecks sowie Tunnel und Kanäle.

Nachträgliche kristalline Abdichtungen

Die kristalline Dichtungsschlämme Arexal funktioniert auch auf Mauerwerk. Foto: Pan-Tech

Die kristalline Dichtungsschlämme Arexal funktioniert auch auf Mauerwerk. Foto: Pan-Tech

Neben Produkten, die als Zusatzmittel von vorneherein im Beton integriert sind, gibt es auch nachträglich anwendbare Produkte, die man zur Sanierung feuchtebelasteter Betonbauteile von außen auf deren Oberfläche auftragen kann. Schomburg bietet in diesem Bereich zum Beispiel die kristalline Dichtungsschlämme Aquafin IC.

Auch die zementgebundene Dichtungsschlämme Arexal des deutschen Herstellers Pan-Tech ist eine kristalline Dichtungsschlämme, die sich nachträglich auf Wände oder Bodenplatten auftragen lässt. Das Besondere: Dieses Produkt funktioniert nicht nur auf Beton-Bauteilen, sondern lässt sich laut Hersteller auf nahezu allen gereinigten mineralischen Untergründen anwenden – auch auf klassischem Mauerwerk.

Das einkomponentige Arexal, das als pulverförmige Sackware angeboten wird, muss man vor dem Gebrauch nur mit Wasser mischen, anschließend wird es in zwei bis drei Anstrichen oder Spachtelungen direkt auf den Untergrund aufgetragen. Haftgrund oder sonstige Zwischenbeschichtungen sind nicht notwendig. Die Gesamtstärke der Schlämmschicht sollte aber mindestens 2 mm betragen.

Nach Herstellerangaben dringen die in Arexal enthaltenen Kristalle bis zu 6 cm in den Untergrund ein und machen diesen wasserdicht – auch bei drückendem Wasser bis 4 bar. Auch hier muss zunächst einmal Wasser vorhanden sein, damit die Wirkung einsetzt. Erst dann wachsen die Kristalle, die tief in die Kapillare von Beton oder Mauerwerk eindringen und genau die Feuchtigkeit bekämpfen, die anfangs Bedingung für ihr Wachstum war. Der Hersteller empfiehlt sogar ausdrücklich, den Untergrund vor Verarbeitung der Dichtungsschlämme richtig nass zu machen – zum Beispiel mit einem Wasserschlauch.

Ist ein Bauteil mithilfe der kristallinen Dichtungsschlämme trockengelegt, verbleiben die gebildeten Kristalle dauerhaft im Material. Nach Angaben von Pan-Tech befinden sie sich dann in einem „Standby“-Zustand. Wenn allerdings erneut Wasser auf den Baukörper trifft, dann würden sie wieder aktiv werden, dem Wasser entgegenwachsen und dieses verdrängen.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

Die wichtigsten Betonzusatzmittel

Zement, Wasser und Gesteinskörnungen: So lautet die traditionelle Formel für Beton. Doch im Zeitalter von High-Tech-Baustoffen ist das nicht mehr...

mehr »
 

Was ist WU-Beton?

Die Abkürzung WU-Beton steht für wasserundurchlässigen Beton. Bei Bauteilen aus einem solchen Material darf selbst drückendes Wasser nur zu einer...

mehr »
 

Wissen über Betonzusatzmittel

Die Deutsche Bauchemie präsentiert den kompletten Unterrichtsinhalt zum Thema Betonzusatzmittel für die „Erweiterte betontechnologische Ausbildung“ (E-Schein) zum kostenlosen Download auf...

mehr »
Nach oben
nach oben