Fließestrich heißt so, weil er zum Zeitpunkt der Verarbeitung eine fließfähige Konsistenz hat. Bequem stehend braucht ihn der Estrichleger nur mit einem Gießschlauch auf den Untergrund aufzubringen und mit der Schwabbelstrange zu verteilen. Den Rest erledigt die Estrichmasse fast von selbst, indem sie selbstständig bis in die hintersten Winkel der Bodenfläche fließt und sich dabei überall auf eine einheitliche Höhe einpendelt.
Fließestrich ist selbstnivellierend und selbstverdichtend. Seine Verarbeitung geht viel schneller und ist viel einfacher als die von konventionellem (nicht fließfähigem) Estrich, den der Verarbeiter erst einmal per Schaufel auf dem Untergrund zu verteilen hat, bevor er ihn auf dem Boden kniend mühsam verdichten und glätten muss. Fließestrich lässt sich zudem bei gleicher Belastbarkeit in dünnerer Schichtstärke einbauen.
Zementestrich mit Fließmittel
Moderner Fließestrich enthält sehr häufig Calciumsulfat (also im Prinzip Gips), für konventionellen Estrich verwendet man dagegen in der Regel Zement als Bindemittel. Das allerdings bedeutet nicht, dass sich Zement und fließfähige Konsistenz grundsätzlich ausschließen würden. Es gibt heute nämlich auch Zementfließestriche. Diese enthalten neben Zement und Sand zusätzlich noch Fließmittel. Solche Produkte vereinen damit die Vorteile von Calciumsulfat-Fließestrich und konventionellem (nicht fließfähigem) Zementestrich.
Zementfließestrich lässt sich genauso wie gipsgebundener Fließestrich schnell, leicht und gesundheitsschonend über Estrichpumpen und Schläuche einbauen. Nach Angaben des Verbandes für Dämmsysteme, Putz und Mörtel (VDPM) ermöglicht er eine frühe Belegreife und bietet eine sehr gute Wärmeübertragung in Kombination mit Fußbodenheizungen. Im Gegensatz zu Calciumsulfat-Fließestrich ist er zudem feuchteresistent.
Laut VDPM wird Zementfließestrich im Wohnungsbau hauptsächlich als schwimmender Estrich auf druckfester Dämmstoffschicht sowie in Verbindung mit Fußbodenheizungen verwendet. In gewerblichen Bauten wie zum Beispiel Hallen, Einkaufszentren und Autowerkstätten oder auch in Schwimmbädern und Schulen kommt er dagegen häufiger als Verbundestrich oder Estrich auf Trennschicht zum Einsatz. Nur vereinzelt – in besonderen Wohnungs- oder Geschäftsbauten – findet man ihn auch als oberflächenfertigen Sichtestrich.
Vor- und Nachteile
Aufgrund ihrer Feuchteunempfindlichkeit lassen sich Zementfließestriche auch in Dauernassbereichen wie zum Beispiel Schwimmbädern, Saunen oder Garagen einsetzen. In Außenbereichen ohne Witterungsschutz ist allerdings Vorsicht angesagt, da Zementfließestrich ohne weitere Maßnahmen nicht frosttausalzbeständig ist. Der VDPM weist darauf hin, dass für Flächen im freibewitterten Außenbereich der Frost- und Frost-Tausalz-Widerstand nachzuweisen ist – und zwar nach DIN CEN/TS 12390-9 („Prüfung von Festbeton – Teil 9: Frost- und Frost-Tausalz-Widerstand – Abwitterung“).
Zementfließestrich ist sowohl als verarbeitungsfertiger Werkfrischmörtel aus dem Fahrmischer erhältlich als auch als Werktrockenmörtel, den man vor Ort noch mit Wasser anrühren muss. Er eignet sich zudem für alle Aufbautypen: vom Verbundestrich über den Estrich auf Trennschicht und den schwimmenden Estrich bis hin zum Estrich auf Hohlboden. Zudem harmoniert er mit allen Arten von zusätzlichen Bodenoberbelägen.
Für alle Estriche mit dem Bindemittel Zement – egal ob fließfähig oder nicht – gilt allerdings, dass sie während der Trocknungsphase ein stärkeres Schwindverhalten und eine höhere Rissanfälligkeit zeigen als Calciumsulfat-Fließestrich. Für Böden aus Zementfließestrich sind deshalb stets Bewegungsfugen einzuplanen. Die Calciumsulfat-Produkte erlauben dagegen auch durchgängige Bodenoberflächen ganz ohne Bewegungsfugen. Um diesem generellen Nachteil des relativ spröden Materials Zementmörtel etwas entgegenzuwirken, mischen manche Hersteller zum Beispiel Glas- oder Kunststofffasern in ihre Zementestrichrezepturen. Das soll deren Rissneigung verringern.
Veraltete DIN-Norm?
Genauso wie Calciumsulfat-Fließestrich ist auch Zementfließestrich nicht nur selbstnivellierend, sondern zugleich selbstverdichtend. Er hat dadurch ein dichteres Gefüge als konventioneller Zementestrich und ist entsprechend belastbarer. Dieser Vorteil findet allerdings noch keinen Niederschlag in den Normen. Die DIN 18560 („Estriche im Bauwesen“) unterscheidet nämlich nicht nach den Verarbeitungseigenschaften, sondern nur nach dem jeweils eingesetzten Bindemittel. Zementfließestrich wird daher bisher normativ einfach wie konventioneller Zementestrich eingestuft – und eben nicht als eigenständige Estrichart.
Der VDPM hat schon vor einigen Jahren Untersuchungen am Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung in Troisdorf initiiert und dabei nach eigener Aussage herausgefunden, „dass Zementfließestrich bei gleicher Biegezugfestigkeit dünner eingebaut werden kann als ein konventioneller Zementestrich“. Das hätte zwei Vorteile: weniger Materialverbrauch und kürzere Trocknungszeiten. Die VDPM-Prüfungen zeigen nach Überzeugung des Verbandes, dass Zementfließestrich genauso tragfähig wie Calciumsulfat-Fließestrich ist.
Da aber bisher die normative Grundlage fehlt, kann das Produkt in der Baupraxis bisher nicht von diesen Vorteilen profitieren. Der VDPM kritisiert, dass in der DIN 18560 reduzierte Nenndicken bislang nur Calciumsulfat-Fließestrichen zugestanden werden. Der Einbau von Zementfließestrich mit einer Nenndicke vergleichbar zu Calciumsulfat-Fließestrichen komme dagegen derzeit nur als Sonderkonstruktion infrage.
Überarbeitetes Merkblatt
Wie wir auf BaustoffWissen bereits hier berichtet haben, hat der VDPM im August 2021 sein Merkblatt „Zementfließestrich: Hinweise für die Planung und Ausführung“ in einer aktualisierten Fassung neu aufgelegt. Die 16-seitige Broschüre steht auf der Website www.vdpm.info zum kostenlosen Download bereit und vermittelt neben allgemeinen Grundlagen zum Thema auch weitergehende Praxistipps zu Planung, Einbau, Nachbehandlung und Belegreife von Böden aus Zementfließestrich. In eigenen Kapiteln geht das Merkblatt auch auf die Fußbodenvarianten Heizestrich und (farbiger) Sichtestrich ein.
Unsere Eingangsfrage lautete „Wofür braucht man Zementfließestrich?“ Wie wir gesehen haben, ist dieses Produkt tatsächlich unverzichtbar, wenn man Fließestrich in Nassbereichen einsetzen möchte. Es stellt sich aber noch eine weitere Frage: Wofür braucht man eigentlich noch konventionellen Zementestrich, wenn es doch den viel angenehmer zu verarbeitenden Zementfließestrich gibt? Antwort: überall dort, wo es nicht fließen soll! Vor allem für Böden mit Gefälle benötigt man auch weiterhin nicht fließfähigen Estrich.
