RM Rudolf Müller
 Der Prototyp veranschaulicht die Funktionsweise der Erfindung. Foto: Fraunhofer IVV


Der Prototyp veranschaulicht die Funktionsweise der Erfindung. Foto: Fraunhofer IVV

Bauelemente
24. Oktober 2017 | Artikel teilen Artikel teilen

Aus der Forschung: Bewegliches Fensterbrett

Pflanzen verschönern unsere Wohnung und verbessern vermutlich auch das Raumklima. Häufig stehen sie auf dem Fensterbrett, weil sie nur dort genügend Sonnenlicht bekommen. Problem: Wer die Fensterbank mit Blumenkübeln vollstellt, hat einen Riesenaufwand, wenn er mal richtig stoßlüften möchte. Am Fraunhofer-Institut wurde für dieses Problem eine technische Lösung entwickelt.

Regelmäßiges Stoßlüften bei komplett geöffneten Fensterflügeln ist insbesondere in modern gedämmten Häusern mit luftdichter Gebäudehülle sehr wichtig, damit zum Beispiel Wasserdampf entweichen kann und Schimmelschäden vorgebeugt wird. Am besten funktioniert das per Querlüftung, wenn die Wohnung also über gegenüberliegende Fenster verfügt, die einen Durchzug erlauben.

Experten empfehlen weiterhin, dass man mindestens dreimal am Tag für mindestens fünf Minuten – im Sommer länger – die Fenster aufreißen sollte. Wer dann jedes Mal Pflanzentöpfe oder sonstige Dekorationsartikel vom Fensterbrett abräumen muss, hat viel zu tun. Viele unterlassen das ganz und beschränken sich aufs Kipplüften. Das allerdings bringt so gut wie gar nichts. Beim Kipplüften findet nämlich kein richtiger Luftaustausch statt. Die Wohnung kühlt auf Dauer nur aus, ohne dass verbrauchte Luft wirklich durch Frischluft ersetzt wird.

Fensterbrett „Open With“

Die Fenster sollten also jeden Tag mehrmals ganz geöffnet werden. Muss man somit darauf verzichten, Gegenstände auf der Fensterbank abzustellen? Oder sich mit den regelmäßigen „Freiräumarbeiten“ abfinden? Das sind beides keine besonders erfreulichen Aussichten. Die gute Nachricht: Es gibt in Kürze wahrscheinlich eine echte Alternative. Das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV hat nämlich das so genannte „Sich-mit-öffnende Fensterbrett – Open With“ entwickelt. Derzeit wird es in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP zur Marktreife gebracht. Der Clou: Dieses Fensterbrett ist – anders als handelsübliche Produkte – mit dem Fensterflügel verbunden und bewegt sich mit, wenn man diesen öffnet.

Funktionsweise

Ansicht von unten auf die Führungsschienen des Fensterbretts.
Foto: Fraunhofer IVV

Ansicht von unten auf die Führungsschienen des Fensterbretts.
 Foto: Fraunhofer IVV

Die technische Umsetzung seiner Idee hat das Fraunhofer-Institut bereits beim Deutschen Patentamt angemeldet. Das Fensterbrett ist direkt am Fensterrahmen angebracht. Als Halterungen dienen Metallschienen bei Holz- und Aluminiumfenstern beziehungsweise verstärkte Kunststoffstreben bei Kunststofffenstern. Diese Halterungen ragen waagerecht aus dem Fensterrahmen heraus. Zusätzlich ist das Fensterbrett über eine Führungsschiene direkt mit dem Fensterflügel verbunden. Mithilfe dieser Schiene wird das Fensterbrett nach vorne ausgefahren, wenn man das Fenster öffnet. Fenster und Fensterbrett bewegen sich dann gleichzeitig. Auch eine Kippstellung des Bauelements ist weiterhin möglich. Eine Feder zieht das Ganze beim Schließen automatisch zurück.

Geplante Optimierungen

Völlig neu ist die Idee eines beweglichen Fensterbretts nicht. Es gibt bereits andere Patente. Die Mängel älterer Ideen wollten die Fraunhofer-Forscher aber nicht wiederholen. „Bei der Patentrecherche zeigte sich, dass die Lösungen anderer Erfinder stets das Problem hatten, dass das Fensterbrett bei zunehmender Öffnung des Fensters an der Laibung der Anschlagseite rieb und diese Kante speziell geschützt werden musste – beispielsweise durch eine Verblendung“, erklärt Carolin Hauser vom Fraunhofer IVV. „Das wollten wir bei unserem Produkt unbedingt vermeiden.“ Perfektioniert werden soll der Prototyp nun zusammen mit dem Fraunhofer IBP, das auch über gute Kontakte in die Bauelementbranche verfügt. So erhofft man sich bessere Chancen bei der Suche nach einem Industriepartner.

Derzeit arbeiten die Wissenschaftler noch an einer Lösung, die das Fenster in verschiedenen Öffnungswinkeln einrasten lässt. Dabei soll die jeweilige Position nur durch eine erhöhte Bedienkraft wieder verändert werden können. Diese Funktion ist keine technische Spielerei, sondern für ein praxistaugliches Produkt ausgesprochen wichtig. Schließlich gilt es zu verhindern, dass das Fenster samt Fensterbrett beispielsweise durch einen Windstoß unkontrolliert aufgedrückt oder zugeschlagen wird. Das wäre schlecht für die darauf stehenden Blumentöpfe oder sonstigen Gegenstände.

Alternativlösung

Nur am Rande sei hier noch erwähnt, dass das Problem mit den Gegenständen auf Fensterbänken natürlich nur bei den in Deutschland überwiegend verbreiteten Drehflügelfenstern besteht, die in den Innenraum geöffnet werden. Es gibt aber auch Fassadenfenster mit auswärts öffnenden Flügeln. In Nordamerika, Großbritannien, Skandinavien und Asien dominiert diese Öffnungsvariante sogar – und zwar nicht nur im Objekt-, sondern auch im Wohnungsbau. Das hat für die Bewohner den Vorteil, dass der Flügel bei geöffnetem Fenster keinen Platz im Innenraum beansprucht und sie vor dem Stoßöffnen eben nicht erst noch die Fensterbank frei räumen müssen. Der Nachteil: Die äußere Glasscheibe kann im Prinzip nur von außen gereinigt werden.


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Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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