RM Rudolf Müller
Demonstrator der smarten Alarmanlage. Foto: Fraunhofer INT

Demonstrator der smarten Alarmanlage. Foto: Fraunhofer INT

Bauelemente
08. Februar 2018 | Artikel teilen Artikel teilen

Glasbruchmelder: Smarte Alarmanlage entwickelt

Fensterscheiben von Juweliergeschäften, Galerien oder Banken sind meist alarmgeschützt und mit Sicherheitsglas ausgestattet. Allerdings muss zumindest ein Teil der Scheibe erst brechen, damit der Alarm auch wirklich auslöst. Am Fraunhofer-Institut wurde nun eine neuartige Lösung entwickelt. Die smarte Alarmanlage erkennt bereits Einbruchsversuche.

Die Auswahl der am Markt verfügbaren Glasbruchmelder ist riesig. Beim Bruch von Fensterscheiben lösen sie in der Regel zuverlässig einen Alarm aus. Damit das funktioniert, ist herkömmliches Sicherheitsglas mit Metallfäden ausgerüstet, die bei einer mechanischen Beschädigung reißen und daraufhin den Alarm aktivieren. Der Nachteil: Wird das Glas beispielsweise nur durch einen Schneidbrenner oder lokal mit einem Bohrer beschädigt, reagieren diese konventionellen Anlagen gar nicht oder nur sehr spät.

Diesen Umstand machen sich viele Einbrecher zunutze und verwenden anstelle eines Hammers einen Bohrer oder einen Gasbrenner. Doch für die Zukunft gibt es eine gute Nachricht: Forscher des Fraunhofer-Instituts für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen (INT) sowie des Fraunhofer-Instituts für Photonische Mikrosysteme (IPMS) haben gemeinsam einen intelligenten Einbruchschutz entwickelt, der den genannten Nachteil überwindet.

Innovativer Glasbruchsensor

Die neuartige Alarmanlagen-Entwicklung erkennt bereits eine versuchte Manipulation am Fenster. Sie registriert in Echtzeit sowohl Temperaturänderungen als auch Erschütterungen durch äußere Einwirkungen am Glas. Bereits ein leichter Schlag gegen das Sicherheitsglas oder die Manipulation durch eine Flamme reichen aus, um den Alarm auszulösen. Möglich wird das, weil das neue System auch solche Veränderungen der mechanischen Scheibeneigenschaften erfasst, die durch eher leichte Gewalteinwirkungen ausgelöst werden.

Die Überwachungsfunktion basiert auf einem optischen Glasbruchsensor, der ein so genanntes Faser-Bragg-Gitter enthält, das wiederum in einer Glasfaserzuleitung eingelassen ist. Die Glasfaser kann zum Beispiel in einer Ecke der Fensterscheibe positioniert werden. Das Faser-Bragg-Gitter reflektiert eine spezifische Wellenlänge des Lichtes. Diese verändert sich durch Temperatur- und/oder Dehnungsabweichungen.

Lichtgestützte Überwachung

Testreihe mit Sicherheitsglas im Labor von Schott Technical Glass Solutions. Foto: Fraunhofer INT

Testreihe mit Sicherheitsglas im Labor von Schott Technical Glass Solutions. Foto: Fraunhofer INT

„Übt jemand Druck auf die Glasscheibe aus oder wird sie erhitzt, ändert sich der Abstand der Gitterelemente zueinander und somit auch die übertragene Wellenlänge“, erläutert Udo Weinand, Diplom- Ingenieur am Fraunhofer INT die Funktionsweise des patentierten Systems. Diese Änderungen werden von einem optischen Messgerät erfasst. Sind die Veränderungen größer als der vorher definierte Schwellenwert, werden Signale an die Alarmanlage übermittelt.

„Wir können unser System sehr fein und gezielt einstellen, es kann sowohl auf leichte als auch auf starke Schläge reagieren“, ergänzt Dr. Peter Reinig, Wissenschaftler am Fraunhofer IPMS. Die Auswerteeinheit, die das optische Messgerät enthält, will man künftig standardmäßig im Fensterscheiben-Rahmen verbauen. Für Hochsicherheitsbereiche könnte man die Auswerteeinheit aber auch problemlos von der Fensterscheibe trennen und in größerer Entfernung unterbringen. Das Faser-Bragg-Gitter ist nämlich in der Lage, Licht in der Glasfaser auch über mehrere Kilometer zu transportieren.

Fehlalarm unwahrscheinlich

Herkömmliche Alarmanlagen-Elektronik lässt sich zum Beispiel durch das Aussenden von Mikrowellen stören. Deren Impulse können die Alarmanlagen außer Kraft setzen oder einen ungewollten Alarm erzeugen. Beim Fraunhofer-System sind derartige Manipulationen ausgeschlossen, da Glasfasern resistent gegenüber elektromagnetischen Störungen sind.

Zudem schließt das System Fehlalarme durch alltägliche Erschütterungen aus. „Ein Fußball oder ein Vogel hinterlassen eine andere Signatur als ein Hammer oder ein Baseballschläger“, erklärt Dr. Peter Reinig. Die smarte Alarmanlage wurde in diversen Angriffsszenarien bei unterschiedlichen Sicherheitsscheiben mit Hammer, Baseballschläger, Bohrer, Schusswaffe, Axt und Heißgebläse auf Herz und Nieren getestet, um festzustellen, wann der Alarm zuverlässig auslöst.

Demonstrator entwickelt

Die Wirksamkeit des Sensors konnten die Fraunhofer bereits in den zahlreichen Tests nachweisen – unter anderem im namhaften VdS-Test der Kölner VdS Schadenverhütung GmbH. Mittlerweile liegt auch ein Demonstrator der neuen Alarmanlagentechnik vor. Die Auswerteelektronik in Form eines kleinen Kästchens (siehe Foto) hat eine Größe von 14 x 9 x 7 cm3 und kann bei Bedarf weiter miniaturisiert werden. Nicht nur Juweliergeschäfte und andere einbruchanfällige Objekte lassen sich mit dem System schützen, es eignet sich beispielsweise auch zum Überwachen von Brücken, Gebäuden, Rohrleitungen, tragenden Strukturen in der Luft- und Raumfahrt sowie Windkraftanlagen.


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Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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