RM Rudolf Müller
Glasgeländer garantieren optimalen Lichteinfall auch in ansonsten stark verschatteten Bereichen.  Foto: Pixabay

Glasgeländer garantieren optimalen Lichteinfall auch in ansonsten stark verschatteten Bereichen.  Foto: Pixabay

Bauelemente
15. September 2020 | Artikel teilen Artikel teilen

Glasgeländer: Vorteile und Anforderungen

Geländer für Balkone oder Dachterrassen werden oft bewusst lichtdurchlässig geplant. Ganzglasgeländer sehen nicht nur leicht und modern aus, sondern haben auch ganz praktische Vorteile: Sie ermöglichen einen maximalen Lichteinfall in Räume, die hinter dem Geländer liegen, und bieten zudem ungehinderte Aussicht. Bei Treppen innerhalb des Hauses gilt zudem umgekehrt, dass transparente Geländer den Tageslichteinfall in den Gebäudekern hinein deutlich erhöhen können.

Die bundesdeutschen Landesbauordnungen schreiben Geländer (Umwehrungen) für alle Flächen vor, die zum Begehen bestimmt sind und unmittelbar an eine mehr als einen Meter tiefer liegende Fläche angrenzen. Dabei haben geschlossene, nicht transparente Geländer manchmal den Nachteil, dass sie die Flächen hinter dem Geländer zu stark verschatten.

Das gilt insbesondere für kleine Balkone mit geringer Nutzungstiefe. Hier ermöglichen transparente Geländer einen höheren Lichteinfall – auch in den dahinterliegenden Raum. Die schwerelose Optik der Elemente wirkt zudem elegant und modern. Und trotz ihrer Transparenz bieten die Verglasungen natürlich genauso viel Windschutz wie geschlossene Umwehrungen. Hinzu kommt der Vorteil der freieren Aussicht, der freilich auch weniger Privatsphäre mit sich bringt.

Sicherheit geht vor

Bei Treppen, die zu einer Zimmerempore führen, bringen durchsichtige Geländer den ganzen Raum besser zur Geltung. Foto: Treppenmeister

Bei Treppen, die zu einer Zimmerempore führen, bringen durchsichtige Geländer den ganzen Raum besser zur Geltung. Foto: Treppenmeister

Sinn und Zweck der Umwehrungen erschöpft sich aber nicht in Kriterien wie Lichteinfall, Aussicht, Optik oder Windschutz. Vor allem müssen Umwehrungen die Funktion einer wirksamen Absturzsicherung erfüllen. Das bezieht sich zum einen auf die Höhe des Geländers. Die Landesbauordnungen fordern bei Falltiefen bis zu zwölf Metern eine Mindesthöhe von 90 cm. Bei größeren Absturzhöhen müssen Geländer eingebaut werden, die mindestens 110 cm hoch sind. Das gilt für alle Arten von Geländer, egal ob für Balkone, Dachterrassen, Treppen oder Emporen.

Ausreichende Absturzsicherheit bedeutet zum anderen auch hohe Anforderungen an die Art der Verglasung. Bruchempfindliches, scharfkantig zersplitterndes Normalglas ist für Geländer definitiv keine Option. Stattdessen ist Sicherheitsglas ein Muss. Zum Einsatz sollten nur geprüfte Verglasungselemente kommen, die alle Sicherheitsvorschriften nachweislich erfüllen. Das gilt zumindest für Geländer bei Balkonen und Dachterrassen oder bei hohen Emporen – also überall, wo eine große Falltiefe droht.

Bei normalen Treppengeländern in Wohnräumen findet man natürlich auch häufig nicht geschlossene Geländer aus Gitterstäben, durch die man durchgreifen kann. Diese Variante ist relativ lichtdurchlässig, gleichwohl aber weniger transparent als eine Vollverglasung. Für vollverglaste Treppengeländer auch im Wohnumfeld spricht zudem, dass sie mehr Sicherheit in Haushalten mit kleinen Kindern versprechen.

Glas ist nicht gleich Glas

Die meisten Hersteller setzen bei Glasgeländern auf Verbund-Sicherheitsglas oder Einscheiben-Sicherheitsglas. Manchmal bestehen die Elemente fast komplett aus Glas, häufig sind aber auch Materialkombinationen mit Einfassungen und Handläufen aus Holz, Stahl oder Aluminium im Einsatz.

Verbund-Sicherheitsglas (VSG) besteht aus mehreren Scheiben – also mindestens zwei – und dazwischen liegenden reißfesten Kunststoff-Folien. Dabei bilden Scheiben und Folie einen festen Verbund, verhalten sich also wie eine (dicke) Scheibe. Wirft man beispielsweise einen Stein gegen eine solche Scheibe, dann zersplittert zwar das Glas, aber die Splitter werden durch die elastische Folie weiterhin zusammengehalten. Es entsteht also kein Loch in der Scheibe. Für Geländer ist das wichtig, weil so die Absturzsicherheit auch im Fall einer Glasbeschädigung noch gesichert ist.

Die einzelnen Scheiben von Verbundsicherheitsglas bestehen oft aus einfachem Floatglas. Das ist das übliche Standard-Flachglas, das man im Floatverfahren herstellt. In Bereichen mit besonders hohen Sicherheitsanforderungen – und dazu gehören oft auch Geländer-Füllungen – wird VSG aber auch häufig aus ESG-Gläsern gefertigt. Die Abkürzung steht für Einscheiben-Sicherheitsglas.

Optimum VSG/ESG

Geländer müssen je nach Bundesland und Einsatzstelle zwischen 90 und 110 cm hoch sein. Foto: Pixabay

Geländer müssen je nach Bundesland und Einsatzstelle zwischen 90 und 110 cm hoch sein. Foto: Pixabay

ESG ist stoß- und schlagfester sowie biegezugfester als normale Flachglasscheiben und verfügt außerdem über eine erhöhte Temperaturwechselbeständigkeit. Die Hersteller erreichen dies, indem sie die Scheiben am Ende des Produktionsprozesses kurzfristig auf mehr als 600 °C erhitzen und dann schlagartig wieder abkühlen. Das solcherart „vorgespannte“ Glas ist deutlich stärker belastbar als Normalglas und wird deshalb auch für Geländer benutzt.

Wird ESG durch äußere Kräfte doch beschädigt, zerfällt es zu stumpfkantigen Glaskrümeln, sodass die Verletzungsgefahr relativ gering ist. Anders als bei VSG werden die Splitter aber nicht durch eine Folie zusammengehalten. Das Glas fällt einfach auseinander. Wo vorher eine Scheibe war, ist dann ein Loch. Bei Geländern mit hoher Falltiefe birgt das natürlich Gefahren.

Häufig wird für solche Anwendungen daher VSG/ESG eingesetzt. Dabei handelt es sich um Verbund-Sicherheitsglas, bei dem die durch Folien verbundenen Einzelscheiben aus ESG bestehen. Diese Kombination bietet maximale Widerstandsfähigkeit, verbunden mit der Sicherheit, dass auch dann keine Löcher im Geländer entstehen, wenn das Glas doch mal zerspringen sollte.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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