RM Rudolf Müller
Universal Design im Bad: Waschtisch (unterfahrbar) mit Haltegriffen. Foto: Villeroy & Boch

Universal Design im Bad: Waschtisch (unterfahrbar) mit Haltegriffen. Foto: Villeroy & Boch

Bauelemente
13. September 2017 | Artikel teilen Artikel teilen

Was versteht man unter Universal Design?

Egal ob jung oder alt, klein oder groß, körperlich behindert oder nicht: Produkte mit Universal Design zeichnen sich dadurch aus, dass sie jeder Mensch einfach und intuitiv nutzen kann. Sie  müssen also nicht an die individuellen Fähigkeiten der jeweiligen Nutzer angepasst werden. Auch im Baubereich trifft man immer häufiger auf dieses Gestaltungsprinzip – vor allem bei Bauelementen.

Das englische Wort „universal“ lässt sich mit allgemein, allumfassend, allseitig übersetzen. Im Deutschen sagen wir auch: universell. Das in den USA entwickelte Konzept des Universal Design fordert, dass Produkte für alle Menschen gut nutzbar sein sollten – egal, ob es sich dabei um Kinder, Erwachsene, Senioren oder zum Beispiel Rollstuhlfahrer handelt.

Natürlich kann kein Hersteller Produkte garantieren, die ausnahmslos jeder Mensch intuitiv zu verwenden versteht. Ganz ausblenden lassen sich individuelle Fähigkeiten nun mal nicht. Klar ist auch, dass manche Menschen – etwa aufgrund körperlicher oder geistiger Behinderungen – grundsätzlich nicht in der Lage sind, sämtliche Produkte eigenständig zu bedienen. Aber Hersteller können zumindest versuchen, sich in alle potenziellen Nutzer ihrer Produkte hineinzuversetzen und sie dann so gestalten, dass möglichst wenige Menschen von der Nutzung ausgegrenzt werden. Das ist das Hauptziel des Universal Design.

Ausgrenzungen vermeiden

Praktisch – nicht nur für Rollstuhlfahrer: Schiebetüren öffnen nicht in Richtung des Benutzers. Foto: Prüm

Praktisch – nicht nur für Rollstuhlfahrer: Schiebetüren öffnen nicht in Richtung des Benutzers. Foto: Prüm

Universal Design lässt sich auf alle Arten von Produkten anwenden. Natürlich auch auf Produkte, die zur Gebäudeausstattung gehören. Da geht es dann darum, dass sich Häuser und Räume „universell“ bedienen lassen. Möbel, Einrichtungsgegenstände, Haustechnik, Fenster, Türen oder Dusch- und Badeinrichtungen werden heute immer häufiger bewusst so entworfen, dass möglichst viele Menschen sie ohne individuelle Anpassungen nutzen können. Das gilt natürlich auch für den Zugang zum Haus. Eine Rampe als Ersatz für Treppenstufen wäre hier zum Beispiel im Sinne des Universal Design.

Das Beispiel mit der Rampe veranschaulicht auch einen Kerngedanken des Gestaltungsprinzips. Früher hätte man vielleicht von behindertengerechtem Bauen gesprochen, jetzt heißt es Universal Design. Aber dahinter steht eben nicht einfach der Versuch, einen stigmatisierenden Begriff durch einen neuen, neutralen Ausdruck zu ersetzen. Es geht vielmehr um die Erkenntnis, dass eine Rampe ja tatsächlich nicht nur einen Mehrwert für Rollstuhlfahrer bietet. Auch Eltern mit Kinderwagen, Kleinkinder mit ihren „Bobby-Cars“, Radfahrer oder alte Menschen mit Rollator freuen sich darüber. Universal Design steht hier einfach für ein Plus an Komfort und Sicherheit für Alle. Die Rampe ist keine Sonderlösung für Ausgegrenzte, sondern der normale Weg nach oben.

Barrierefreie Bauelemente

Universal Design im Gebäudebereich ist neben dem Badbereich vor allem bei Bauelementen schon heute ein bedeutender Faktor. Immer mehr Türen- und Fensterhersteller bemühen sich darum, dass ihre Produkte von möglichst vielen Menschen ohne individuelle Anpassungen bedienbar sind. Dabei geht es insbesondere um Barrierefreiheit, die zu den wichtigsten Zielen des Universal Design gehört. Barrierefreie Bauelemente werden in diesem Zusammenhang nicht mehr als Spezialprodukte für Senioren oder Rollstuhlfahrer vermarktet, sondern einfach als praktisches Design für alle Nutzergruppen.

Tatsächlich bedeutet Barrierefreiheit – zum Beispiel bei Türen – in der Praxis ja mehr als nur niedrige Bodenschwellen, die sich mit einem Rollstuhl leicht überqueren lassen. Es bedeutet auch mehr als gut erreichbare Griffelemente, die nicht höher angebracht sind als 85 cm – wie es die „DIN 18040-1 Türen“ empfiehlt. Barrierefreiheit heißt zum Beispiel auch einfache, automatisierte Öffnungsmechanismen. Schlüssellose Systeme mit Fingerprint-Funktion etwa sind ein praktisches, universelles Serviceangebot, das dazu beiträgt, Zugangsbarrieren zu überwinden. Nebenbei gesagt: Nicht nur Senioren vergessen manchmal ihren Schlüssel zu Hause. Auch Schiebetüren, die sich platzsparend öffnen lassen, ohne dass dem Nutzer der Türflügel entgegenschlägt, sind nicht nur vorteilhaft für Rollstuhlfahrer oder Blinde und Sehbehinderte.

Auch bei Fenstern heißt Barrierefreiheit heutzutage nicht nur, dass Bedienelemente in niedriger Höhe angebracht und sie ohne großen Kraftaufwand zu öffnen sind, sondern eben auch Bedienbarkeit per Fernsteuerung. Fenster, die sich per Smartphone öffnen lassen, finden auch Jugendliche cool. Auch hier passt also der Begriff des Universal Design. Produkte, die nach diesem Gestaltungsprinzip entworfen werden, seien es nun Eingangsrampen, automatisierte Bauelemente oder barrierefreie Badeinrichtungen, haben zudem den großen Vorteil, das Hausbesitzer nicht mehr irgendwann darüber nachdenken müssen, ihr Heim altersgerecht zu sanieren.

Sieben Grundprinzipien

Die sieben Grundprinzipien des Universal Design. Grafik: ift Rosenheim

Die sieben Grundprinzipien des Universal Design. Grafik: ift Rosenheim

Den Begriff des Universal Design hat in den 1980er-Jahren erstmals der amerikanische Architekt und Designer Ronald L. Mace geprägt. Er gründete das Center for Universal Design, wo die bis heute geltenden sieben Grundprinzipien des Designkonzepts entwickelt wurden. Produkte mit universellem Design sollen demnach

  • universell nutzbar sein für Menschen mit unterschiedlichsten Fähigkeiten (Kinder, Erwachsene, Senioren, Rollstuhlfahrer, …),
  • flexibel im Gebrauch sein (Wahlmöglichkeiten bei der Benutzung zulassen, Anpassbarkeit an Fähigkeiten des Benutzers),
  • einfach und intuitiv verwendet werden können,
  • mehr als einen Sinn ansprechen (zum Beispiel bildliche, sprachliche und tastbare Bedieninformationen),
  • eine hohe Fehlertoleranz aufweisen (keine negativen Konsequenzen bei falscher Bedienung),
  • mit wenig Kraftaufwand benutzbar sein und
  • erreichbar sein für Menschen unterschiedlicher Größe und Beweglichkeit.

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Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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