
Vakuumglas ermöglichet schlanke und großflächige Fensterflächen. Bild: Schüco International KG
Was ist Vakuum-Isolierglas?
Vakuumfenster gibt es schon seit etwa 30 Jahren, in Europa sind sie aber bisher ein Nischenprodukt geblieben. Doch in letzter Zeit tut sich Einiges auf diesem Gebiet. Vor allem ein belgischer Flachglashersteller bemüht sich, eine neue Generation von Vakuum-Isolierverglasungen auch im deutschsprachigen Raum verfügbar zu machen. Die Technik verspricht hochwärmedämmende Fenster – leistungsstark wie Dreischeiben-Produkte, aber mit deutlich geringeren Glasstärken.
Für Fenster mit Vakuum-Isolierverglasung (VIG) verwendet man lediglich zwei Scheiben, die zudem nur einen extrem geringen Abstand voneinander haben. Der Clou: Im engen Scheibenzwischenraum befindet sich ein Vakuum – also Nichts. Eben das sorgt für hervorragende Wärmedämm- und Schallschutzeigenschaften. Der Verband Fenster + Fassade erklärt es in einer Pressemitteilung wie folgt: „Bei einer Vakuumverglasung besteht der Hohlraum zwischen den Fenstergläsern aus einem Vakuum. In diesem luft- und gasfreien Raum fehlt das Trägermedium, das zwischen Innen- und Außenscheibe Wärme oder Schall transportiert“.
Viele Vorteile – viel Skepsis

Salamander arbeitet bereits an der Integration von VIG in seine Fensterprofile.
Spezielle Abstandhalter sorgen bei Vakuumfenstern dafür, dass die Scheiben durch den Unterdruck nicht aneinandergepresst werden. So bleibt der kleine, aber großartig dämmende Scheibenzwischenraum stets erhalten. Die Wärmedämmleistung aktueller VIG-Fenster liegt auf dem Niveau moderner Dreischeiben-Isoliergläser, nur dass diese Leistung mit Bauelementen erzeugt wird, die viel leichter und dünner sind. Bei Vakuum-Isolierverglasung wird der Scheibenzwischenraum zudem nicht mit teuren Edelgasen befüllt. Für die Wärmedämmung sorgt stattdessen viel effektiver das Vakuum.
Geringes Gewicht und ein schmaler Querschnitt sind Eigenschaften, die nicht zuletzt bei der Sanierung denkmalgeschützter Fassaden gefragt sind, aber natürlich auch im Neubau geschätzt werden. Sie erleichtern die Handhabung der Bauelemente durch den Verarbeiter und verringern die Belastung für Rahmenprofile und Beschläge. Eine dünne Verglasung hilft zudem, Einsparungen auch bei den Rahmenmaterialien zu realisieren. Die Fensterprofile müssen dann nicht mehr so mächtig sein.
Trotz all dieser vermeintlichen Vorteile sah es in den letzten 20 Jahren lange so aus, als bliebe den Vakuumfenstern der große Durchbruch versagt. Bis vor Kurzem wurden sie nur in Südostasien hergestellt, in Europa überwog dagegen die Skepsis. Man scheute offenbar den Aufwand für eine neue Glasvariante, die noch nicht ausgereift und zu fehleranfällig erschien. Tatsächlich stellen VIG sehr hohe Anforderungen an die Dichtheit des Randverbunds zwischen den beiden Scheiben.
Der Einsatz von Vakuum-Isolierverglasungen setzt zudem voraus, dass die Fenster- und Fassadenhersteller daran angepasste Rahmenkonstruktionen entwickeln. Bis vor Kurzem geschah das aber nicht – zumindest nicht in Europa. Die hiesigen Bauelemente-Produzenten scheuten offenbar das Risiko, sich auf eine junge Technik einzulassen, bei der es logischerweise noch keine Langzeiterfahrungen in Sachen Dauerhaftigkeit geben kann. Stattdessen konzentrierte man sich lieber auf eine Verbesserung der konventionellen Mehrscheiben-Isoliergläser und hier insbesondere auf den Übergang vom Zweischeiben- zum Dreischeibenfenster.
AGC Glass als Vorreiter
Herkömmliche Mehrscheibenprodukte bringen aber das grundsätzliche Problem mit, das sie mit jeder neuen Scheibe immer dicker und schwerer werden. Zugleich ist die Dreifachverglasung aufgrund der hohen energetischen Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zumindest im Neubau fast schon zum Standard geworden. Gerade bei großflächigen Verglasungen stößt man mit dieser Technik aber auch an konstruktive Einsatzgrenzen. Dass das alte Mehrscheibenkonzept allmählich ausgereizt scheint, hat vermutlich dazu beigetragen, dass sich mittlerweile auch europäische Glas-, Fenster- und Fassadenhersteller verstärkt mit den Chancen durch Vakuumgläser befassen.
Ein Vorreiter ist hier der Flachglasspezialist AGC Glass Europe. Der hat 2019 im belgischen Lodelinsart die Produktion einer neuen VIG-Generation aufgenommen. Das Produkt „Fineo“ besteht aus zwei Scheiben mit einem Scheibenzwischenraum von lediglich 0,1 mm. Das ist die hochwirksame Vakuumschicht. AGC bietet sein Vakuumglas in verschiedenen Modellvarianten. Bei der dünnsten haben die beiden Scheiben nur eine Stärke von jeweils 3 mm, zusammen also 6 mm. Aber auch das Standardprodukt „Fineo 8“ erinnert mit seinen 2 x 4 mm dicken Scheiben noch stark an Einscheibenglas.
Diese spezielle Optik ist nicht zuletzt bei der energetischen Sanierung älterer Gebäude von Vorteil. Werden historische Einfachverglasungen gegen Fineo ausgetauscht, ist der sichtbare Unterschied viel geringer als bei klassischen Mehrscheibenprodukten. Selbst die kleinen Abstandhalter („Pillars“), die gleichmäßig über die gesamte Glasfläche im Scheibenzwischenraum verteilt sind, nimmt man aufgrund ihrer Transparenz kaum wahr.
Anders als bei bisherigen VIG-Produkten gibt es auch keine sichtbehindernde Evakuierungsöffnung mehr. Diese Ventilöffnung im Glas war früher technischer Standard, über sie wurde das Vakuum erzeugt. Bei Fineo geschieht dies bereits in der Produktion, bei der die Scheiben im Randbereich fest miteinander verschmolzen werden. Solange das Glas nicht zerbricht, kann danach keine Luft mehr eindringen.
Diese Konstruktionsweise sorgt zudem dafür, dass die innovative Zweischeiben-Verglasung ganz ohne den klassischen Randverbund aus Profil und Dichtstoffen auskommt. Die thermische Verschmelzung der Gläser erfolgt unter Zuhilfenahme einer Paste aus so genanntem Glaslot. Das ist ein Glas mit niedriger Erweichungstemperatur. Da Fineo praktisch komplett aus Glas besteht, ist das Produkt besonders einfach und zu 100 % recycelbar.
Fineo: VIG der neuen Generation

Fineo-Vakuumgläser sind im Randbereich fest miteinander verschmolzen. Bild: AGC Glass Europe/ Schüco
Der U-Wert von Fineo 8 wird vom Hersteller mit 0,7 W/m2K ausgewiesen – das liegt im Bereich einer modernen Dreischeiben-Isolierverglasung. Diese Leistung erreicht das Produkt aber schon mit einer Stärke von lediglich 8 mm und einem Gewicht von 20 kg pro Quadratmeter. Ein herkömmliches Dreischeibenprodukt mit gleicher Wärmedämmung ist dagegen 36 mm dick und wiegt 30 kg pro Quadratmeter. Zur Wärmeschutzleistung von Fineo trägt neben dem Vakuum übrigens auch eine zusätzliche Wärmeschutzbeschichtung bei. In diesem Punkt unterscheidet sich Fineo also nicht von herkömmlichen Mehrscheiben-Isolierverglasungen mit ihren Low-E-Beschichtungen.
Dass die Vakuum-Isolierverglasung leichte sowie dünnere Fenster und Fassaden ermöglicht – ohne Abstriche bei der Dämmleistung –, hat gleich mehrere Vorteile. Der filigrane Querschnitt sorgt für einen hohen Tageslichteinfall. Nach Herstellerangaben lässt Fineo 15 % mehr Licht in den Innenraum als eine herkömmliche Dreifachverglasung. Die Gewichtseinsparung erleichtert zudem die Konstruktion größerer Verglasungsflächen.
Fineo kann aber nicht nur Wärme-, sondern auch Schallschutz. Bereits das Standardmodell reduziert Verkehrsgeräusche um etwa 10 dB. Für das menschliche Ohr entspricht das einer gefühlten Halbierung der Lautstärke. Mit dem rund 12 mm dicken Spezialglas „Fineo Acoustic“ sind sogar Geräuschreduzierungen bis zu 39 dB möglich. Und was lässt sich über die Dauerhaftigkeit des neuen Vakuumglases sagen? Das wird die Zukunft zeigen – könnte man sagen. AGC bietet aber eine Garantie von 15 Jahren und verspricht darüber hinaus eine „noch viel höhere Lebenserwartung“.
Vertriebskooperationen
In Belgien und den Niederlanden ist Fineo bereits seit September 2019 erhältlich, rund ein Jahr später folgte dann auch Deutschland. Beim Vertrieb helfen Kooperationen, die AGC mit Fenster- und Fassadenherstellern geschlossen hat. So arbeiten die Belgier zum Beispiel seit 2021 mit der deutschen Schüco-Gruppe (Bielefeld) zusammen. Dabei geht es um die Integration des Vakuumglases in Fenster- und Fassadensysteme mit Aluminiumrahmen.
Im ersten Quartal 2022 verkündete AGC Glass Europe auch eine „strategische Innovationspartnerschaft“ mit der Salamander Industrie-Produkte GmbH aus Türkheim/Unterallgäu, deren international tätiger Geschäftsbereich für Fenster- und Türsysteme den größten Anteil am Gruppenumsatz ausmacht. Auch hier geht es um die Integration von Vakuumglas in Salamander-Fenster.
Auch mit Deceuninck, dem belgischen Hersteller von Kunststoff- und Aluprofilen für Fenster und Türen, hat AGC eine strategische Partnerschaft angekündigt. Deceuninck hat bereits sein Kunststoffprofil „Elegant“ und das Aluminiumprofil „Decalu“ auf Fineo abgestimmt.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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