RM Rudolf Müller
Diese hölzerne Faltwerktreppe hat ein anthrazitgraues Stahlgeländer.  Alle Fotos: Treppenmeister

Diese hölzerne Faltwerktreppe hat ein anthrazitgraues Stahlgeländer.  Alle Fotos: Treppenmeister

Bauelemente
18. April 2023 | Artikel teilen Artikel teilen

Was sind Faltwerktreppen?

Wer auf modern-puristisches Innendesign steht und über das notwendige Kleingeld verfügt, wird an einer Faltwerktreppe seine Freude haben. Die scheinbar schwebenden, wie aus einem Guss wirkenden Bauelemente sind auf jeden Fall echte Hingucker. Die Designertreppen sind zugleich aber auch praktisch. Da der Raum unter den Treppenstufen freibleibt, erhöht sich die Nutzfläche der Wohnung.

Der Treppenlauf von Faltwerktreppen sieht so aus, als bestände er komplett aus einem Stück. Tritt- und Setzstufen – das sind die Hochkant-Verbindungen zwischen den Trittstufen – gehen ohne sichtbare Verbindung ineinander über. So entsteht der Eindruck einer Treppe aus einem Guss.

Es wirkt ein bisschen so, als wären Faltwerktreppen aus einer einzigen, großen Platte gefertigt, die jemand im Nachhinein so gefaltet hat, dass eine gleichmäßige Abfolge aufsteigender Treppenstufen entsteht. Die Bauelemente wirken definitiv sehr puristisch. Ihre Stufen können aus unterschiedlichen Materialien bestehen: natürlich aus Holz, aber zum Beispiel auch aus Beton, Naturstein oder Glas.

Filigrane Leichtigkeit

Es gibt auch Faltwerktreppen ohne Geländer, das ist aber nicht immer erlaubt.

Es gibt auch Faltwerktreppen ohne Geländer, das ist aber nicht immer erlaubt.

Von der Seite aus betrachtet, sehen die Treppen wie ein mehrfach im rechten Winkel gefaltetes Blatt Papier aus. Zudem scheinen sie im Raum zu schweben. Das wiederum liegt an einem weiteren Charakteristikum von Faltwerktreppen: Ihre Stufen sind auf der einen Seite zwar meist in einer angrenzenden Wand verankert, eine Wandwange gibt es also in der Regel schon. Auf der anderen Seite aber wird der Treppenlauf nicht durch eine zusätzliche Freiwange begrenzt. Erst dadurch sind die Treppenstufen im Querschnitt sichtbar.

Die Treppenwange ist laut DIN 18065 („Gebäudetreppen – Begriffe, Messregeln, Hauptmaße“) das „Bauteil, das die Stufen seitlich trägt und den Lauf meistens auch seitlich begrenzt“. Faltwerktreppen haben zumindest keine Freiwange auf der wandabgewandten Seite. Während herkömmliche Treppenwangen oft über bodentiefe Verkleidungen verfügen, bleibt bei Faltwerktreppen der Platz unter den Stufen zugänglich. Dadurch vergrößert sich die Nutzfläche des Raums. Das heißt nicht, dass der Treppenlauf kein Geländer hat. In der Praxis ist so etwas in vielen Fällen aus Sicherheitsgründen vorgeschrieben. Bauherren sollten diesen Punkt vor dem Einbau mit ihrer örtlichen Baubehörde absprechen, wenn sie mit einer Faltwerktreppen ohne Geländer liebäugeln.

Das Geländer übernimmt bei Faltwerktreppen aber normalerweise keine tragenden Funktionen. Das ermöglicht besonders elegante, filigrane Konstruktionen. Zu den Standards zählen feingliedrige Stahlgeländer im „Bauhausstil“. Reizvoll sind auch Glasgeländer, da sie die Leichtigkeit der Konstruktion zusätzlich betonen.

Wandseitige Bolzenbefestigung

Varianten mit verglastem Geländer bieten Sicherheit und Transparenz zugleich.

Varianten mit verglastem Geländer bieten Sicherheit und Transparenz zugleich.

Die Treppenstufen werden bei Faltwerktreppen üblicherweise mithilfe von Stahlbolzen in die angrenzende Raumwand verankert. Diese muss dafür natürlich ausreichend tragfähig sein, und auch das Material der Treppenstufen selbst muss fest genug sein, um für eine Befestigung nur auf der Wandseite in Frage zu kommen.

Das deutsche Baurecht überlässt hier nichts dem Zufall und fordert von den Herstellern der Treppen für jedes Modell einen Standsicherheitsnachweis in Form einer Europäischen Technischen Bewertung (ETA). Das ist im Prinzip eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) auf europäischer Ebene. Ein solcher Nachweis ist notwendig, weil Faltwerktreppen in der deutschen Treppennorm DIN 18065 nicht behandelt werden. Für genormte Treppen müssen die Hersteller nur rechnerische Nachweise zur Standsicherheit vorlegen. Bei Faltwerktreppen dagegen ist die aufwändigere ETA verpflichtend.

Bei aller optischen Leichtigkeit sind Faltwerktreppen nur scheinbar freischwebend, da sie ja in der Wand verankert werden. Diese Variante geht übrigens auf den Treppenbauer Adolf Bucher zurück, der 1964 die handlauftragende Bucher-Systemtreppe zum Patent anmeldete. Bei dieser Treppenkonstruktion ohne Wangen werden die Stufen schalldämmend in der Wand befestigt, und auf der anderen Seite gibt es einen Handlauf, der über Stäbe mit den Stufen verbunden ist.

Vielfältige Ausstattungsdetails

Das heutige Angebot an Faltwerktreppen ist riesig und es gibt vielfältige Ausstattungsdetails. Die Unterschiede der Modelle beziehen sich nicht nur auf das Material der Treppenstufen und die Art der Geländer-Konstruktion, sondern auch auf die Form. Der Treppenlauf kann zum Beispiel gerade, gebogen oder gewendelt sein. Auch Zwischenpodeste sind möglich.

Faltwerktreppen sind moderne Bauelemente, die nicht zuletzt, weil sie ohne schwer wirkende Treppenwangen auskommen, eine große Leichtigkeit ausstrahlen. Schwerwiegend dagegen ist oft der Preis. Es handelt sich nämlich um Designtreppen, die eher im hochpreisigen Segment angesiedelt sind.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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