RM Rudolf Müller
Das A/V-Verhältnis ist bei lückenloser Bebauung günstiger als bei freistehenden Einzelhäusern. Foto: Pixabay

Das A/V-Verhältnis ist bei lückenloser Bebauung günstiger als bei freistehenden Einzelhäusern. Foto: Pixabay

Bauphysik
02. Februar 2016 | Artikel teilen Artikel teilen

Wärmeverluste: Was sagt das A/V-Verhältnis von Gebäuden aus?

Von der Energieschleuder bis zum Plusenergiehaus: Der Gebäudebestand in Deutschland bietet heute sehr unterschiedliche Dämmniveaus. Doch selbst wenn die Standards überall gleich wären, hätten die Häuser trotzdem noch unterschiedlich hohe Wärmeverluste. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Kompaktheit des Gebäudes oder anders ausgedrückt: das so genannte A/V-Verhältnis.

Unter dem A/V-Verhältnis eines Gebäudes versteht man den Quotienten aus der wärmeübertragenden Umfassungsfläche (A) und dem beheizten Gebäudevolumen (V). Bei gleichbleibendem Dämmstandard lässt sich sagen, dass die Wärmeverluste über die Gebäudehülle umso geringer ausfallen, je kleiner das A/V-Verhältnis ist. Der Wert des Quotienten vermindert sich in zwei Fällen: wenn die wärmeübertragende Umfassungsfläche (der Zähler des Quotienten) kleiner wird oder wenn sich das beheizte Gebäudevolumen (also der Nenner) erhöht. Das A/V-Verhältnis spielt eine große Rolle im Rahmen der Berechnung des Heizenergiebedarfs nach den Regeln der Energieeinsparverordnung (EnEV).

Wärmeübertragende Umfassungsfläche

Je größer das Volumen des Baukörpers, umso kleiner das A/V-Verhältnis. Foto: Fotoseeger Bad Vilbel / www.pixelio.de

Je größer das Volumen des Baukörpers, umso kleiner das A/V-Verhältnis.
Foto: Fotoseeger Bad Vilbel / www.pixelio.de

Bei einem freistehenden Haus ist die wärmeübertragende Umfassungsfläche identisch mit der äußeren Gebäudehülle. Betrachten wir zum Beispiel ein Haus mit rechteckiger Geometrie (also einen typischen Flachdachbau), das ringsherum über ein freies Grundstück verfügt. Die Gebäudehülle besteht hier aus den sechs Seitenflächen des Hauses: vier Außenwände, Dach und Bodenplatte. Durch all diese Flächen hindurch verliert das Haus – je nach Dämmstandard – mehr oder weniger schnell Wärme an die Außenluft beziehungsweise an das Erdreich.

Doch nicht immer ist die Gebäudehülle identisch mit der wärmeübertragenden Hüllfläche. Schauen wir uns zum Beispiel ein Reihenhaus an, das aus drei gleich großen Häusern zusammengesetzt ist, die alle über dieselben Dämmstandards und dieselbe Heiztechnik verfügen. In diesem Fall hat die mittlere Gebäudeeinheit eine kleinere wärmeübertragende Umfassungsfläche als die beiden äußeren Häuser, da bei ihr ja zwei Außenwandflächen nicht an den kühleren Außenbereich angrenzen, sondern an die in der Regel beheizten Nachbarhäuser. Die mittlere Einheit hat dadurch eine kleinere wärmeübertragende Umfassungsfläche, also auch ein kleineres A/V-Verhältnis. Sie benötigt weniger Heizenergie, damit ein bestimmtes Wärmeniveau in den Innenräumen aufrecht erhalten werden kann.

Maß der Kompaktheit

Das Beispiel mit den Reihenhäusern zeigt: Baut man Häuser ohne Zwischenräume dicht aneinander, so ergibt sich für die einzelnen Einheiten ein günstigeres A/V-Verhältnis als wenn diese freistehend errichtet würden. Die in Ballungsgebieten übliche hohe Verdichtung der Bausubstanz macht also nicht nur wegen des Platzmangels Sinn, sondern auch aus energetischen Gründen. Man kann auch sagen: Je kompakter die Bauweise, umso weniger Wärmeverluste sind über die Gebäudehülle möglich. Daher wird das A/V-Verhältnis auch oft als Kenngröße für die Kompaktheit von Gebäuden beschrieben.

Beheiztes Gebäudevolumen

Wie oben bereits erwähnt, wird das A/V-Verhältnis auch dann kleiner, wenn das beheizte Gebäudevolumen wächst. Natürlich erhöht sich dann in der Regel auch die wärmeübertragende Umfassungsfläche. Aber die Außenfläche wächst eben nur im Quadrat (Quadratmeter), das dazugehörende Gebäudevolumen dagegen kubisch (Kubikmeter).

Allgemein lässt sich sagen: Je großvolumiger ein Baukörper ist, umso geringer ist der Wert des A/V-Quotienten. Möchte man eine festgelegte Quadratmeterzahl an Wohnraum errichten, dann ist es also aus energetischen Gründen sinnvoller, dies in Form eines großen Mehrfamilienhauses oder Hochhauses zu realisieren als mit vielen kleinen freistehenden Einzelhäusern.

Die ideale Gebäudeform

Das Iglu ist theoretisch die energieeffizienteste Gebäudeform. Grafik: Pixabay

Das Iglu ist theoretisch die energieeffizienteste Gebäudeform. Grafik: Pixabay

Da sich das A/V-Verhältnis durch eine kleinere wärmeübertragende Umfassungsfläche positiv beeinflussen lässt, spielt theoretisch auch die Gebäudeform eine Rolle. In der Geometrie gilt allgemein, dass bei einem gegebenen Volumen die Oberfläche dann am kleinsten ist, wenn der Körper die Form einer Kugel hat. Nun ist die Kugelform aber sicher keine sinnvolle Lösung im Gebäudebereich. Doch wie sieht es mit einer Halbkugel aus? Bauen nicht die Eskimos mit ihren Iglus solche halbkugelförmigen Behausungen?

Tatsächlich weist ein Haus in Iglu-Form ein günstigeres A/V-Verhältnis auf als ein rechteckiges Gebäude mit identischem Volumen. Aber wer von uns möchte schon in einem Haus wohnen, in dem es nur gebogene Wände gibt? Halbkugelförmige Hauser mögen also energetisch sinnvoll sein, aber für unsere Bedürfnisse wären sie doch reichlich unpraktisch. Als realistischere Alternative bietet sich ein würfelförmiger Bau an, also ein rechteckiger Körper mit zwölf gleich langen Kanten. Diese Form kommt der Kugelform am nächsten und hat daher ein ähnlich gutes A/V-Verhältnis.

Doch auch hier gilt: In der Praxis hat die Wahl der Gebäudegeometrie meist gar nichts mit dem A/V-Verhältnis zu tun. Hochhäuser werden zum Beispiel gebaut, um auf gegebener Grundstückfläche ein möglichst großes Gebäudevolumen zu ermöglichen. Niemand würde auf das Bauen in die Höhe verzichten, nur um das Ideal einer Würfelform einzuhalten.


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Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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