RM Rudolf Müller
Ausbreitung von Schall

Die DIN 4109 verfolgt das Ziel, „Menschen in Aufenthaltsräumen vor unzumutbaren Belästigungen durch Schallübertragung zu schützen“. Grafik: Deutsche Poroton GmbH

 
Baurecht
16. Mai 2013 | Artikel teilen Artikel teilen

Schallschutz nach DIN 4109

Über eine hohe Heizungsrechnung ärgert man sich einmal im Jahr. Mit nervtötendem Lärm aus der Nachbarwohnung oder von der Straße haben viele Menschen dagegen täglich zu tun. Trotzdem ist Wärmedämmung ein Trendthema in Deutschland, während die Schalldämmung – vor allem im Mietwohnungsbereich – nach wie vor eher stiefmütterlich behandelt wird. Die Schallschutznorm DIN 4109 regelt jedenfalls nur Mindestanforderungen an Bauteile.

Während die Wärmedämmvorschriften in den letzten zehn Jahren durch immer neue Energieeinsparverordnungen (EnEV) drastisch verschärft wurden, fehlen solche Druckmittel bisher im Bereich des baulichen Schallschutzes. Dieser wird in Deutschland insbesondere durch die DIN 4109 (Schallschutz im Hochbau) geregelt. , die 1989 eingeführt wurde. Diese Norm beschreibt Mindestanforderungen an die Schalldämmung von Bauteilen und regelt zudem, wie diese Anforderungen nachgewiesen werden können. Immerhin sind die angegebenen Werte nicht nur bloße Empfehlungen, wie es normalerweise bei DIN-Normen der Fall ist, sondern sie sind gesetzlich verpflichtend. Das ist so, weil die Bundesländer in ihren Landesbauordnungen auf die Regeln der DIN 4109 verweisen.

Kein Schutz vor Geräuschen

Der Anspruch der Norm wird bereits in Abschnitt 1 ziemlich deutlich. Dort heißt es: „In dieser Norm sind Anforderungen an den Schallschutz mit dem Ziel festgelegt, Menschen in Aufenthaltsräumen vor unzumutbaren Belästigungen durch Schallübertragung zu schützen. (…) Aufgrund der festgelegten Anforderungen kann nicht erwartet werden, dass Geräusche von außen oder aus benachbarten Räumen nicht mehr wahrgenommen werden.“ Der Eindruck, dass die Anforderungen eher niedrig angesetzt wurden, wird noch dadurch verstärkt, dass die DIN in ihrem Beiblatt 2 zusätzlich Empfehlungen für einen erhöhten Schallschutz gibt, die über die Mindestanforderungen hinausgehen. Dieser erhöhte Schallschutz ist aber nicht verpflichtend, sondern muss zwischen Bauherr und ausführenden Firmen gesondert vereinbart werden.

Im Beiblatt 1 der Norm werden die geforderten Mindest-Schalldämmwerte der Bauteile im Einzelnen aufgeführt – und zwar für Wände und Türen (Luftschalldämmung) sowie für Decken und Treppen (Trittschalldämmung). Differenziert wird dabei noch zwischen unterschiedlichen Gebäudearten (zum Beispiel Geschosshäuser mit Wohnungen und Arbeitsräumen, Einfamilien-Doppelhäuser und -Reihenhäuser, Krankenhäuser, Schulen, Hotels) und Raumnutzungen (etwa Wohnungen, Arbeitsräume, Flure, Übernachtungsräume, Krankenräume und Unterrichträume).

Was besagt das Schalldämm-Maß R?

Die Schalldämmwerte werden in Dezibel (dB) angegeben, was zugleich die Maßeinheit des Schallpegels ist. Dabei entspricht das Schalldämm-Maß R der Differenz zwischen dem Schallpegel im Senderaum und dem Schallpegel im Empfangsraum. Wenn die DIN 4109 also z. B. für eine Haustrennwand eine Mindest-Schalldämmung von 57 dB vorschreibt, dann muss die Wand 57 dB „schlucken“ – den erhöhten Schallpegel aus dem Nachbarhaus also mindestens um diesen Wert senken.

Zur Veranschaulichung: Musik in Diskolautstärke verursacht durchschnittlich einen Schallpegel von etwa 110 dB. Wenn nun eine Haustrennwand diesen Pegel um 57 dB senkt, kommen durch diese Wand nur noch 53 dB in den Räumen des Nachbarhauses an. Das wäre dann leiser als zum Beispiel normale Sprache in 1 m Entfernung (60 dB). Aber es wäre auch deutlich lauter als der durchschnittliche Pegel in einer ruhigen Bücherei (40 dB). Man sollte sich also klarmachen: Schallschutz nach DIN hat nichts mit schalldichten Räumen zu tun, es geht nur darum, „unzumutbare Belästigungen“ zu vermeiden.

Problematisch ist zudem, dass mit dem Schalldämm-Maß R für Bauteile gar nicht alle tatsächlich vorhandenen Schallwellen erfasst werden. Das spezielle Ermittlungsverfahren von R bedingt nämlich, dass nur Schallwellen mit einer Frequenz von 100 bis 3.150 Hz berücksichtigt werden können. Das Schalldämm-Maß erlaubt daher zum Beispiel keine Aussagen darüber, inwieweit eine Wand die als besonders störend empfundenen Bassfrequenzen einer Stereoanlage abschirmen kann.



Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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