RM Rudolf Müller
Schallschutz nach DIN 4109 bedeutet keineswegs, dass man aus der Nachbarwohnung nichts mehr hört. Foto: Pixabay

Schallschutz nach DIN 4109 bedeutet keineswegs, dass man aus der Nachbarwohnung nichts mehr hört. Foto: Pixabay

Baurecht
20. Dezember 2016 | Artikel teilen Artikel teilen

Schallschutz: Was ist neu an der DIN 4109?

Im Juli 2016 hat das Deutsche Institut für Normung eine überarbeitete Schallschutznorm für Gebäudebauteile veröffentlicht. Doch was hat sich mit der neuen DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“ eigentlich verändert? Darüber informiert der folgende Beitrag.

Auch in der überarbeiteten DIN 4109 werden nur Mindestanforderungen an den Schallschutz im Hochbau formuliert. Diese sind beim Bau von Gebäuden auch ohne explizite Vereinbarung zwischen Bauherr und Gebäudeplaner zwingend einzuhalten. Die Norm hat in diesem Punkt also nicht nur Empfehlungscharakter, sondern ist verpflichtend. Dabei beziehen sich die Anforderungen auf die Schalldämm-Fähigkeiten der trennenden Gebäudebauteile wie Wände, Decken und Fußböden.

Die neue DIN 4109:2016 schreibt beispielsweise für Wohnungstrennwände zwischen fremden Wohn- und Arbeitsbereichen ein Schalldämm-Maß von 53 dB vor. Das ist genauso viel wie in der bisherigen Norm von 1989 und bedeutet, dass die Trennwand den Schallpegel aus dem Senderaum mindestens um 53 dB senken muss. Von der Wand wird also nicht verlangt, dass sie schalldicht ist, sie muss nur einen Teil des Geräuschpegels „schlucken“.

Norm regelt nur Mindestanforderungen

Für den Schallschutz von Haustrennwänden sowie für den Trittschallschutz von Decken wurden die Anforderungen zwar erhöht – aber nur leicht. Insgesamt bleiben die Mindestanforderungen an den baulichen Schallschutz auch in der neuen Norm alles andere als streng. Ein Recht auf ungestörte Privatheit lässt sich daraus ganz sicher nicht ableiten.

Für Bewohner mehrgeschossiger Wohnhäuser beispielsweise ist aus der DIN 4109 keineswegs abzuleiten, dass sie ein Recht hätten, ungestört von Geräuschen aus den benachbarten Wohnungen zu leben. Dazu müssten die raumbegrenzenden Bauteile weitaus mehr Schall „schlucken“ als von der Norm gefordert. Diese schreibt allenfalls einen Schutz vor unzumutbaren Lärmbelästigungen vor.

Ein höherer Schallschutz muss zwischen Bauherr und Bauplanern beziehungsweise Bauunternehmen extra vereinbart werden. Das ist in der Praxis auch schon meist der Fall. Tatsächlich erfüllen die in der DIN 4109 formulierten Anforderungen eben nicht einmal die bereits anerkannten Regeln der Technik für den Schallschutz im Wohnungsbau.

Neues Nachweisverfahren

Neben der Direktübertragung über die Trennwand breitet sich der Schall auch über die flankierenden Bauteile aus – und zwar jeweils auf drei unterschiedlichen Wegen.

Neben der Direktübertragung über die Trennwand breitet sich der Schall auch über die flankierenden Bauteile aus – und zwar jeweils auf drei unterschiedlichen Wegen.

Die DIN 4109 regelt nicht nur Mindestanforderungen an den Schallschutz im Hochbau, sondern schreibt auch das Verfahren vor, nach dem die Einhaltung der geforderten Schalldämm-Maße für raumtrennende Bauteile nachzuweisen ist. Während die Anforderungen in der neuen Norm weitgehend gleich geblieben sind, hat sich das Nachweisverfahren verändert. Beim neuen Verfahren wird vor allem die Schallübertragung über flankierende Bauteile exakter berechnet als bisher.

Betrachtet man die Schallübertragung in einen benachbarten Raum genauer, so stellt man fest, dass sich Schallwellen vom Sende- in den Empfangsraum nicht nur direkt über die Raumtrennwand, sondern auch über die flankierenden Bauteile ausbreiten, die an die Trennwand angrenzen. Das sind in der Regel zwei weitere Wände, eine Decke und ein Fußboden. Wie die Grafik verdeutlicht, kann sich der Schall bei jedem dieser vier Bauteile über drei unterschiedliche Schallwege ausbreiten. Zusammen mit der Direktschallübertragung über die Raum-Trennwand ergeben sich somit insgesamt 13 Übertragungswege, über die Geräusche aus dem Sende- in den Empfangsraum gelangen.

Bei Massivbaukonstruktionen werden etwa 80 % des Schalls direkt über die Trennwand übertragen, der Rest über die flankierenden Bauteile. Bei Leichtbauwänden sieht das völlig anders aus. Je nach Bauweise kann hier sogar der Großteil des Schalls über die leichten Flanken erfolgen. Während das Nachweisverfahren der alten DIN 4109:1989 vor allem die direkte Schallausbreitung über die Trennwand betrachtete und den Einfluss der Flankenschallübertragung nur über pauschale Korrekturfaktoren berücksichtigte, sind nach der überarbeiteten Norm die Schalldämm-Maße für alle Übertragungswege einzeln zu berechnen. Am Schluss werden diese dann zum resultierenden Schalldämm-Maß der Gesamtkonstruktion aufaddiert.

Umstrittenes Schalldämm-Maß

Die Überarbeitung der DIN 4109 hat sich über viele Jahre hingezogen, weil sich die Experten nicht einig waren, ob das bauteilbezogene Schalldämm-Maß heute noch zeitgemäß ist. Lange Zeit stritten die Experten bei der Normenarbeit darüber, ob es nicht besser wäre, ein neues Maß einzuführen: die so genannte nachhallbezogene Schallpegeldifferenz.

Dahinter steht der Gedanke, dass der Geräuschpegel, den ein Hausbewohner wahrnimmt, nicht nur von der Beschaffenheit der Wände, Decken, Türen und Treppen abhängt, sondern auch von der Größe und Geometrie des Raumes, in dem die Geräusche gehört werden. Besonders die Schallübertragung von einem großen in einen kleinen Raum führt zu schlechteren Schalldämmwerten als bei einem größeren Empfangsraum, auch wenn die Schalldämmung von Trennwand und flankierenden Bauteilen exakt dieselbe ist.

Am Ende wurde mit der neuen DIN 4109:1989 die Abkehr vom bauteilbezogenen Schalldämm-Maß dennoch nicht realisiert. Der Widerstand dagegen war in der Baustoffbranche einfach zu groß, unter anderem weil die Berechnung der nachhallbezogenen Schallpegeldifferenz wesentlich komplizierter geworden wäre. Für die Hersteller von Mauerwerk und anderen Wandbildnern hätte eine Umstellung zudem ein großes Problem bei der Kundenansprache bedeutet: Aussagen darüber, ob eine Wand ausreichend Schallschutz bietet, hätte man dann nämlich nur noch in Abhängigkeit von den konkreten Raumgegebenheiten auf der jeweiligen Baustelle machen können.


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Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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