RM Rudolf Müller

In Arbeitsbereichen ist ein rutschsicherer Boden besonders wichtig. Fotos/Grafiken: Agrob Buchtal

Boden und Wand
24. Oktober 2019 | Artikel teilen Artikel teilen

Rutschhemmung und Standsicherheit beim Boden

Wem ist es nicht wichtig, sicheren Grund unter seinen Füßen zu haben, auf dem er gut stehen kann und nicht ausrutscht? An Bodenbeläge werden deshalb besondere Ansprüche gestellt. Dieser Fachartikel vermittelt Hintergrundwissen, welche dies sind, wo sie gelten und wie sie überprüft werden.

Von Jens Fellhauer

Stolper-, Rutsch- und Sturzunfälle (SRS) werden unterschätzt. Sie sind die zweithäufigste Unfallursache im gesamten Arbeitsunfallgeschehen. Allein im Jahr 2015 gab es 176.600 meldepflichtige SRS-Arbeits-Unfälle. Die Zahl privater Rutschunfälle dürfte deutlich höher liegen. Die durchschnittlichen Folgekosten eines Arbeits-Rutschunfalls liegen bei circa 34.000 Euro. Die Vermeidung von Rutschunfällen ist daher, auch mit Blick auf die alternde Gesellschaft, ein besonderes Anliegen aller Beteiligten und ein zentrales Anliegen für die Sicherheits- und Arbeitsschutzbeauftragten in Unternehmen.

Unfallursachen von SRS

Unterschiedlich genutzte Bereiche müssen differenziert mit jeweils optimal passender Trittsicherheit ausgeführt werden.

Viele Faktoren beeinflussen die Rutsch- und Standsicherheit von Bodenflächen sowie die Ursachen von Rutschunfällen. Neben der Oberflächenbeschaffenheit des Bodenbelags, der Schuhsohle, gleitfördernden Sub­stanzen auf dem Boden sowie deren Abreinigung kann sich auch das Bewegungsverhalten einer Person auf die Rutsch- und Standsicherheit auswirken. Die von außen beeinflussbaren Faktoren sind allerdings begrenzt. Als einzige Konstante verbleibt letztlich der Boden, denn auf die Personen und ihr Verhalten, auf deren Schuhauswahl, eventuell vorhandene schmierige Stoffe kann präventiv nur in begrenztem Umfang Einfluss genommen werden.

Gesetzliche Grundlagen

Anforderungen an den Bodenbelag sind konkret nur für den Arbeitsbereich zum Schutz von Arbeitnehmern geregelt. Gemäß § 3a Arbeitsstättenverordnung hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben werden, dass Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden und verbleibende Gefährdungen möglichst gering gehalten werden. Konkretisiert werden die Anforderungen für die Einrichtung der Arbeitsstätte durch die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR 1.5 Fußböden.

Für den nassbelasteten Barfußbereich wie zum Beispiel Schwimmbäder sind Anforderungen an den Bodenbelag in der DUGUV Information 207-006 (Bodenbeläge im nassbelasteten Barfußbereich) geregelt. Private Personen im Privatbereich werden von den gesetzlichen Regelungen des Arbeitsschutzes hingegen nicht erfasst. Gleichwohl sollte die Stand- und Rutschsicherheit dort im eigenen Interesse nicht außer Betracht bleiben. Im Zweifel können mit Blick auf die allgemeine Verkehrssicherungspflicht zum Beispiel eines Gebäudeeigentümers mangels anderweitiger Regelungen die Anforderungen aus dem Arbeitsschutz herangezogen werden.

Anforderungen des Arbeitschutz

Bewertungsgruppen „Schuhbereiche“.

a) Üblicherweise mit Schuhen begangene Bereiche

Fußböden müssen (in Arbeitsbereichen) so beschaffen sein, instandgehalten und gereinigt werden, dass sie unter Berücksichtigung der Art der Nutzung, der betrieblichen Verhältnisse und der Witterungseinflüsse sicher benutzt werden können (§ 4 Abs. 1 ASR 1.5). Daher ist in jedem Fall zu berücksichtigen, in welchen Bereichen Bodenbeläge eingesetzt werden. Abhängig davon sind auch die Anforderungen an die Rutschhemmung des Belages unterschiedlich definiert.

Wann Fußböden diesen Anforderungen entsprechen, regelt die ASR 1.5 beispielhaft im Anhang 2. Dieser beschränkt sich bewusst auf solche Arbeitsbereiche, deren Fußböden mit gleitfördernden Medien (zum Beispiel Staub, Öl, Wasser und so weiter) in Kontakt kommen, wo also die Gefahr des Ausrutschens zu vermuten ist. Für Bodenbeläge, die sicher trocken bleiben und sonst keine Rutschgefahr darstellen, sind keine konkreten Anforderungen (R-Gruppierung) gestellt. Im Anhang 2 der ASR 1.5 sind für zahlreiche Anwendungsbeispiele die geforderten R-Gruppen zu finden. Es handelt sich um eine beispielhafte, nicht um eine abschließende Aufzählung.

Der Grad der Rutschhemmung eines Bodenbelages wird in Deutschland mit der sogenannten „Schiefen Ebene“ geprüft. Abhängig vom Ergebnis wird der Belag in Klasse der Rutschhemmung (R-Gruppe) R9 bis maximal R13 eingestuft, wobei R9 die niedrigste und R13 die höchste Rutschhemmungsklasse darstellt.

Ist besonders viel Schmutz- oder Flüssigkeitsauftrag auf dem Boden zu erwarten, müssen die Beläge einen Verdrängungsraum (V) aufweisen, der den Schmutz auffängt. Der Verdrängungsraum wird in die Klassen V4 (am niedrigsten) bis V10 (am höchsten) eingestuft.

Für Eingangsbereiche in Innenräumen ist zum Beispiel die Rutschhemmungsgruppe R9 gefordert, während für Eingangsbereiche außen die Rutschhemmungsgruppen R11 oder R10 V4 erforderlich sind.

Auch wenn für den Privatbereich keine zwingenden Anforderungen geregelt sind, empfiehlt sich der Einsatz von Bodenbelägen im Eingangsbereich innen mit der Rutschhemmungsklasse R9 oder zum Beispiel im Balkon- beziehungsweise Terrassenbereich mit der Rutschhemmungsklasse R10 beziehungsweise R11.

b) Üblicherweise barfuß begangene Bereiche

Ähnlich erfolgt die Einstufung der Rutschhemmung für den nassbelasteten Barfußbereich. Hier ist die Rutschhemmungsklasse in A, B und C eingeteilt (A ist die niedrigste, C die höchste Klasse). Für den Duschbereich zum Beispiel (auch für den privaten) wird die Rutschhemmungsgruppe B empfohlen (die Anforderungen sind beispielhaft unter 3.1 der DGUV-I-Information 207-006 aufgelistet). Wichtig ist zu beachten, dass die R-Klassen nicht mit den A-, B-, C-Klassen vergleichbar sind, was in der Praxis häufig übersehen wird.

Messmethoden

Bewertungsgruppen „nassbelastete Barfußbereiche“.

Für die Produktauswahl im Sinne einer Baumusterprüfung sind in Deutschland zwei Messmethoden relevant, nämlich die „schiefe Ebene“, durchgeführt mit Prüfschuhen (DIN 51 130) und die „schiefe Ebene“, barfuß durchgeführt (DIN 51 131). In beiden Prüfungen läuft ein Proband auf einer Bodenfläche, die nach und nach geneigt wird (= schiefe Ebene). Je nach Grad der Neigung erfolgt die Einstufung in eine R-Gruppe beziehungsweise A-, B-, C-Klassifizierung (siehe Tabellen).

Diese Prüfmethoden haben sich auch international durchgesetzt, weil sie eine klare Zuordnung des Produkts zu einem bestimmten Anwendungsbereich ermöglichen und eine gute Aussage über das Sicherheitsverhalten im Einsatz geben. Im Streitfall sind diese Messmethoden relevant.

Vorortprüfung/mobile Messung

Um dem Arbeitgeber eine Messung vor Ort zu ermöglichen und damit seinen Verpflichtungen zur Gefährdungsbeurteilung nachkommen zu können, wurde ein mobiles Messverfahren entwickelt. Dieses ist in der DIN 51 131 geregelt. Der Einsatz der Messmethode und die Grundlagen für die Gefährdungsbeurteilung sind in der DGUV-I 208-0 41 „Bewertung der Rutschgefahr unter Betriebsbedingungen“ beschrieben. Mit der Messmethode kann der Arbeitgeber kritische Stellen relativ einfach überprüfen. Auch hier gilt: Die Messergebnisse korrelieren nicht mit denen der schiefen Ebene, sind also nicht automatisch vergleichbar.

Mit der korrekten Auswahl des Bodenbelags mit der geforderten Rutschhemmungsklasse ist den Anforderungen an die sachgerechte Einrichtung von Arbeitsplätzen grundsätzlich genüge getan. In der Anwendung ist dafür Sorge zu tragen, dass der Boden möglichst wenig mit gleitfördernden Mitteln wie zum Beispiel Wasser in Kontakt kommt. In Eingangsbereichen sind daher Sauber- beziehungsweise Trockenlaufzonen einzurichten.

Ferner ist für eine regelmäßige Reinigung zu sorgen, die die Oberflächenstruktur nicht beschädigt, denn die Rutschhemmung wird in der Regel über das Oberflächenprofil des Bodenbelags erreicht. Setzt sie sich mit Schmutz zu, verliert der Belag seine rutschhemmende Eigenschaft. Zudem ist zu beachten: Je höher die Rutschhemmung ausfällt, desto rauer ist die Oberfläche des Belags. Dementsprechend erhöht sich der Reinigungsaufwand.

Deutsche Markenhersteller bieten ihre Feinsteinzeug-Bodenfliesenserien für alle Anwendungsbereiche und heute häufig in unterschiedlichen Rutschhemmungsklassen an. So lassen sich größere Flächen oder zum Beispiel gesamte Geschossflächen in einer einheitlichen Optik gestalten – und zugleich individuell die jeweils „richtige“ Rutschhemmungsklasse für den jeweiligen Anforderungsbereich auswählen.

Zum Autor

Jens Fellhauer
ist Geschäftsführer des Bundesverbandes Keramische Fliesen (BKF).

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