RM Rudolf Müller
Produktion von Carbonbeton-Wänden mit Slentex-Dämmung im Betonwerk Oschatz.  Foto: Mario Stelzmann/HTWK Leipzig

Produktion von Carbonbeton-Wänden mit Slentex-Dämmung im Betonwerk Oschatz.  Foto: Mario Stelzmann/HTWK Leipzig

Boden und Wand
01. Februar 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Filigrane Sandwichkonstruktion

Der geplante „Cube“ auf dem Gelände der Technischen Universität Dresden wird ein Haus mit ganz besonderer Gebäudehülle. Die Außenwände sind nur 27 cm dick – rund ein Drittel dünner als konventionelle Wände. Ermöglicht wird dieser technische Fortschritt durch eine Sandwichkonstruktion aus Carbonbeton und zwei Hochleistungsdämmstoffen: Slentite und Slentex.

Bei den beiden von BASF entwickelten Dämmstoffen handelt es sich um sogenannte Aerogele. Sie bestehen zum Großteil aus Luft, eingeschlossen in winzige Poren in einem Material auf mineralischer Basis (Slentex) beziehungsweise auf Polyurethan-Basis (Slentite). Beim Dresdener Cube kommen die Hochleistungsdämmstoffe als Kerndämmung für die Wände aus Carbonbeton zum Einsatz. Die ersten Wand-Fertigbauteile mit Slentex-Dämmung wurden Mitte Januar im Betonwerk Oschatz hergestellt.

Slentite und Slentex

Über das Polyurethan-Aerogel Slentite haben wir auf BaustoffWissen bereits in einem eigenen Beitrag informiert. Mit dieser Entwicklung ist es erstmals gelungen, aus Polyurethan ein PU-Aerogel herzustellen. Mit einer Wärmeleitfähigkeit von weniger als 0,018 W/mK erreicht das Produkt nach Angaben von BASF die bestmögliche Dämmleistung für eine mechanisch stabile Platte. Im Vergleich zu herkömmlichen Dämmstoffen sei daher eine um 25 bis 50 % schlankere Dämmung möglich.

Während Slentite ein druckfestes Hartschaummaterial ist, handelt es sich beim mineralbasierten Produkt Slentex um eine nur 1 cm dicke Aerogel-Matte, die aber mehrlagig eingesetzt werden kann. Nach BASF-Angaben hat Slentex eine flexible, mineralische Faserstruktur und ist wasserabweisend bei gleichzeitiger Offenheit für Wasserdampfdiffusion. Die Wärmeleitfähigkeit liegt bei 0,019 W/mK. Slentex hat zudem den Vorteil, dass es „nicht brennbar“ nach DIN EN 13501 ist (Baustoffklasse A2-s1, d0).

Begleitforschung der HTWK Leipzig

Das Carbonhaus Cube entsteht aktuell auf dem Gelände der TU Dresden. Grafik: Iurii Vakaliuk

Das Carbonhaus Cube entsteht aktuell auf dem Gelände der TU Dresden. Grafik: Iurii Vakaliuk

Bevor neue Materialien wie Slentite und Slentex in Deutschland regulär in Bauprojekten eingesetzt werden dürfen, müssen Handhabung, Einsatzgebiete und Grenzen ausführlich untersucht und dokumentiert werden – im besten Fall anhand von konkreten Pilotprojekten. Mit dieser Begleitforschung hat BASF die Forschungsgruppe Nachhaltiges Bauen an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig beauftragt.

Die Besonderheit von Slentite und Slentex liege in deren poröser Struktur – heißt es aus der Forschungsgruppe der HTWK Leipzig. Umso kleiner die Poren, desto mehr würden die darin eingeschlossenen Luftmoleküle in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Dadurch werde die Wärmeübertragung stark reduziert.

Die HTWK Leipzig gehört zu den mehr als 160 Wissenschaftseinrichtungen und Unternehmen, die seit 2014 im Rahmen des Forschungskonsortiums „C3 – Carbon Concetta Composite“ gemeinsam an der Markteinführung von Carbonbeton arbeiten – unter Federführung der TU Dresden mit dem Institut für Massivbau. Da Carbonbewehrungen nicht rosten können, sind nicht so dicke Betonüberdeckungen notwendig. Nach Angaben der HTWK Leipzig kann die Betonschicht deshalb um bis zu 80 % dünner sein. Mit Carbonbeton sind daher filigranere Bauteile möglich.

Labor- und Ausstellungsgebäude Cube

Der geplante Cube ist übrigens das Ergebnishaus des Forschungsprojekts C3. Über das 220 m2 große Labor- und Ausstellungsgebäude haben wir auf BaustoffWissen bereits ausführlich im Beitrag „Ein Haus aus Carbonbeton“ berichtet. Wenn der Bau wie geplant bis zum Sommer 2022 fertiggestellt ist, wird er mit Messtechnik ausgestattet und nach der Inbetriebnahme von der Forschungsgruppe Nachhaltiges Bauen in einem Monitoring hinsichtlich bauphysikalischer Eigenschaften untersucht.

Nach ihren bisherigen Analysen legt sich die Forschungsgruppe der HTWK Leipzig aber schon bei einigen Punkten fest: Die neuartige Wandkonstruktion aus Carbonbeton-Platten mit einer Kerndämmung aus Slentite oder Slentex führe zu einer effizienteren Flächenausnutzung von Bauland, spare Ressourcen wie Sand und Zement, habe eine deutlich bessere CO2-Bilanz und einen ebenso hohen Wohnkomfort wie herkömmliche Verfahren.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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