RM Rudolf Müller
Dach- und Fassadenbegrünungen haben auch 2021 wieder zugelegt.  Alle Bilder: Bundesverband GebäudeGrün e.V.

Dach- und Fassadenbegrünungen haben auch 2021 wieder zugelegt.  Alle Bilder: Bundesverband GebäudeGrün e.V.

Dach
25. Januar 2023 | Artikel teilen Artikel teilen

Rekordzuwachs bei Dachbegrünungen

Die Gebäudebegrünung ist in Deutschland kein Nischenprodukt mehr. Vor allem im Dachbereich boomt sie: Allein 2021 kamen fast 9 Mio. m² Gründachfläche hinzu – ein neuer Rekord! Auch Grünfassaden nehmen zu, wenn auch deutlich weniger stark. Das sind nur zwei Ergebnisse des mittlerweile dritten „BuGG-Marktreports Gebäudegrün“, den der Bundesverband Gebäude-Grün veröffentlicht hat.

Insbesondere der Klimawandel und seine Folgen für urbane Ballungsräume hat dafür gesorgt, dass sich Architekten und Stadtplaner auch hierzulande zunehmend mit Dach- und Fassadenbegrünungen beschäftigen. Diese versprechen eine verstärkte Resilienz vor allem mit Blick auf die zunehmenden Hitze- und Überflutungsgefahren. Mehr Infos zu diesem Thema bietet auch der BaustoffWissen-Beitrag „Gebäudebegrünung: Natürliche Klimaanlagen“. Was viele nicht wissen: Gebäudebegrünung lässt sich auch mit Photovoltaik kombinieren. Bei Solar-Gründächern sorgt die kühlende Pflanzendecke sogar für eine Optimierung der Modulleistung.

Es bleibt noch viel zu begrünen

Hinzugekommene Gründachflächen im Verhältnis zur insgesamt neu entstandenen Flachdachfläche.

Hinzugekommene Gründachflächen im Verhältnis zur insgesamt neu entstandenen Flachdachfläche.

Noch nie waren Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünungen so präsent wie heute!“, freut sich der Bundesverband Gebäude-Grün (BuGG) in seinem letzten Oktober veröffentlichten BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2022. Vor allem die Dachbegrünung boomt. Laut Marktreport wurden 2021 in Deutschland insgesamt 8.681.416 m² Dachfläche neu begrünt. Das sind 10,7 % mehr als im Vorjahr (2020: 7.839.977 m²). Flächenmäßig handelt es sich um einen Rekordzuwachs. Prozentual gab es schon bessere Jahre. Hier fällt der bisherige Rekord ins Jahr 2011. Damals wuchs der Gründachmarkt um 29,6 %.

Doch so erfreulich das jüngste Wachstum bei der Dachbegrünung auch sein mag – es bleibt noch viel zu tun. Die 2021 dazugekommene Gründachfläche macht nämlich tatsächlich nur etwa 9,7 % (2020: 7,84 %) der etwa 90 Mio. m² Flachdachfläche aus, die im selben Jahr insgesamt neu entstanden ist. Im Klartext: Rund 90 % der neu gebauten Flachdächer waren 2021 leider ganz und gar nicht grün, sondern in der Regel eher grau-schwarz.

Es bleibt also ein riesiges Begrünungspotenzial. Bisher sind in Deutschland über die Jahre hinweg begrünte Dachflächen in einer Größenordnung von etwa 150 Mio. m² entstanden. Auch das klingt im ersten Moment nach viel. Andererseits sind es nur 60 Mio. m² mehr als an Flachdachflächen allein 2021 hinzugekommen sind.

Am meisten begrünte Dachflächen gibt es übrigens in München. Die bayerische Landeshauptstadt kommt insgesamt auf 3.148.043 m². In der Kategorie Gründach pro Einwohner (Gründach-Index) hatte 2021 dagegen Stuttgart mit einem Wert von 4,1 m² die Nase vorne. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt lag der Gründach-Index nur bei 1,1.

Gründach-Markt 2008 bis 2021

Der neue Marktreport umfasst 124 Seiten mit vielen Grafiken, Fotos und Tabellen.

Der neue Marktreport umfasst 124 Seiten mit vielen Grafiken, Fotos und Tabellen.

Trotz des nach wie vor riesigen Begrünungspotenzials in Deutschland bleibt positiv hervorzuheben, dass der Markt für Gründächer von 2008 bis 2021 insgesamt um 141 % gewachsen ist. Im Durchschnitt macht das ein Plus von 7,5 % pro Jahr.

Die 2021 neu hinzu gekommenen, fast 9 Mio. m² Gründachfläche waren übrigens zu 82,5 % Extensivbegrünungen (2020: 82,1 %) und nur zu 17,5 % Intensivbegrünungen. (2020: 17,9 %). Wie der Jahresvergleich zeigt, gab es hier zuletzt also kaum Bewegung. In absoluten Zahlen dominieren Extensivbegrünungen weiterhin deutlich, in den vergangenen rund zehn Jahren sind die Intensivbegrünungen insgesamt aber etwas stärker gewachsen. Zwischen 2008 und 2021 legten sie pro Jahr durchschnittlich um 10,4 % zu, die Extensivbegrünungen dagegen nur um 7 %. Dass es nun 2021 anders aussah (Extensiv: + 11,2 %, Intensiv: + 8,4 %), sollte man noch nicht als Trendumkehr interpretieren.

Ohnehin sind die Daten des Marktreports nicht als in Stein gemeißelte exakte Statistik zu verstehen. Die Zahlen basieren auf Befragungen von Substratherstellern und -anbietern zu den in Deutschland gelieferten Mengen an Gründachsubstrat. „Es ist anzunehmen“, heißt es im aktuellen BuGG-Report, „dass es außer den an den jährlichen Umfragen beteiligten Unternehmen weitere, meist regional tätige Substrathersteller gibt, deren Liefermengen ebenso wenig berücksichtigt sind wie konventionell (Kies- und Erdschüttung) ausgebildete Tiefgaragenbegrünungen“.

Obwohl dies durch einen Korrekturfaktor ausgeglichen wurde, sei anzunehmen, dass die Gesamtfläche der jährlich begrünten Dächer höher liegen dürfte als die durch die BuGG-Umfragen ermittelten Werte.

Grünfassaden mit deutlichem Plus

Neu begrünte Fassadenflächen im Zeitraum 2019 bis 2021.

Neu begrünte Fassadenflächen im Zeitraum 2019 bis 2021.

Den Zuwachs an begrünten Fassadenflächen weist der Marktreport für 2021 mit insgesamt 86.600 m² aus (2020: 55.000 m²). Auch dieses noch relativ junge Marktsegment wächst also, auch wenn es sich bisher nicht um einen Massenmarkt handelt.

Der ermittelte Gesamtzuwachs an Grünfassaden umfasst sowohl bodengebundene Fassadenbegrünungen mit Kletterhilfen als auch wandgebundene Systeme. Bei etwa 84,6 % der für 2021 ermittelten neuen Flächen handelt es sich um traditionelle, bodengebundene Begrünungen (73.300 m²). Moderne wandgebundene Systeme mit Substratlösungen direkt an der Fassade machen dagegen nur 15,4 % aus (13.300 m²).

Der BuGG betont, dass die Ermittlung neu begrünter Fassaden noch mehr Erhebungsunsicherheiten einschließt als bei den Gründächern. Die Flächenschätzung für 2021 basiert auf einer Befragung, die der Bundesverband unter denjenigen seiner Mitglieder durchgeführt hat, die Produkt- und Systemlösungen zur Fassadenbegrünung anbieten.

Innenraumbegrünungen

Zur Marktentwicklung bei Innenraumbegrünungen präsentiert auch der neue Marktreport keine konkreten Zahlen. Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten in diesem Bereich – das Spektrum reicht von traditionellen Topfpflanzen über horizontale Innenraumbeete bis hin zu vertikalen Grünwänden – sind konkrete Angaben zu Größenordnungen und Gesamtflächen schwer zu erheben.

Laut BuGG-Report war 2021 für Raumbegrüner aber unterm Strich ein Wachstumsjahr. Zu erwarten war das nicht, denn ein Jahr vorher wurde die Branche durch Corona stark gebeutelt. Schließlich kommen größere Raumbegrünungssysteme vor allem in betrieblichen Büros zum Einsatz, und hier hat der Pandemie-bedingte Home-Office-Trend viele geplante Projekte ins Stocken gebracht und den Neuverkauf massiv gestört.

Wie der Report zeigt, hat sich die Stimmung in der Raumbegrüner-Branche im Jahresverlauf 2021 komplett gedreht. Nach Zahlen des Zentralverbandes Gartenbau (ZVG) beurteilten im Januar noch 39 % der Betriebe ihre gegenwärtige Geschäftslage als „schlecht“, weitere 50 % als „befriedigend“, aber nur 11 % als „gut“. Danach ging es fast nur noch bergauf. Im September 2021 schließlich wählten dieselben Unternehmen zu 85 % die Option „gut“, die restlichen 15 % entschieden sich für „befriedigend“. Null Prozent der Betriebe beurteilten ihre gegenwärtige Geschäftslage zum damaligen Zeitpunkt als schlecht! Nach Umfragen des BuGG wird nun allerdings für 2022 erst einmal wieder ein geringeres Wachstum oder sogar ein Rückschritt erwartet.

Fördermittel für Gebäudegrün

Noch nie haben so viele deutsche Städte Dach- und Fassadenbegrünungen mit Zuschüssen gefördert“, heißt es an einer anderen Stelle des Marktreports. Tatsächlich stellen mittlerweile 44 % aller Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern direkte finanzielle Zuschüsse für die Errichtung von Gründächern bereit. Ein Jahr zuvor waren es nur 42 %. Und 37 % der „50.000-Plus“-Städte bieten ähnliche Leistungen mittlerweile auch für Grünfassaden (2020: 34 %).

Noch weitaus größer ist die Anzahl der Kommunen, die indirekte Hilfen im Zusammenhang mit der gesplitteten Abwassergebühr gewähren. So vermindern mittlerweile 83 % der Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern ihre Niederschlagswassergebühr beim Vorhandensein von Gründächern (2020: 77 %). Neben den kommunalen Angeboten gibt es übrigens auch Förderprogramme auf Landes- und Bundesebene. Auch diese werden im aktuellen BuGG-Marktreport Gebäudegrün kurz vorgestellt.

Dieser Text ist eine Aktualisierung des BaustoffWissen-Beitrags „Gebäudebegrünung wächst!“ von Juli 2022.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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