RM Rudolf Müller
Im französischen Val Thorens dient ein neu gebautes Umkehrdach zugleich als Skipiste.  Foto: Office de Tourisme Val Thorens

Im französischen Val Thorens dient ein neu gebautes Umkehrdach zugleich als Skipiste.  Foto: Office de Tourisme Val Thorens

Dach
22. August 2023 | Artikel teilen Artikel teilen

Hoch belastbare Umkehrdächer

Das Umkehrdach ist eine effiziente Variante zur Dämmung von Flachdächern. Da die Abdichtung hier unterhalb der Dämmstoffebene liegt, ist sie vor äußeren Witterungseinflüssen geschützt und hat eine längere Lebensdauer. Zudem lässt sich diese Form des Dachaufbaus leichter warten. Darüber hinaus können Umkehrdächer aber auch enorm belastbar sein, wie der folgende Beitrag illustriert.

Während beim konventionellen Flachdach die Dämmstoffe von oben durch die Abdichtung – meist Bitumenbahnen oder Kunststoffbahnen – geschützt werden, ist es beim Umkehrdach genau umgekehrt. Die Abdichtung liegt hier unter den Dämmstoffen und wird von diesen geschützt. Man verlegt sie in der Regel direkt auf die tragende Konstruktion des Flachdachs, also zum Beispiel auf der oberste Stahlbetondecke des Gebäudes.

XPS als Standardlösung

Die neuen XPS-Platten „Jackodur EVO“ sind erstmals bis 400 mm Stärke erhältlich. Foto: Jackon Insulation GmbH

Die neuen XPS-Platten „Jackodur EVO“ sind erstmals bis 400 mm Stärke erhältlich. Foto: Jackon Insulation GmbH

Die auf der Abdichtung lose verlegten Dämmstoffplatten werden dagegen selbst nicht abgedichtet, sondern von oben nur mit einem wasserdurchlässigen Vlies abgedeckt und meist mit einer lockeren Kiesschüttung beschwert. Alternativ zum Kies kommen auch immer häufiger Gründach-Auflagen zum Einsatz. Voraussetzung für die Konstruktionsweise sind in jedem Fall feuchtigkeitsresistente Dämmstoffe, denn Kies oder Gründach-Substrate verhindern nicht das Durchsickern von Niederschlagswasser.

Aufgrund der beschriebenen Anforderungen werden Umkehrdächer meist mit Dämmplatten aus extrudiertem Polystyrol-Hartschaum (XPS) ausgeführt. Dieses Material nimmt nur sehr wenig Wasser auf und gilt als verrottungsfest. Zwar ist der Hartschaum nicht UV-beständig, aber vor Materialermüdung durch Sonnenstrahlen schützen ja Kies oder die Pflanzenauflage.

XPS hat zudem den großen Vorteil, dass es sehr belastbar ist. Der Dämmstoff wird sogar als Perimeterdämmung unterhalb der Bodenplatte von Gebäuden verwendet. Das zeigt die enorme Druckfestigkeit des Materials. Auf dem Umkehrdach wiederum ermöglicht XPS nicht nur begehbare, sondern sogar befahrbare Flächen.

Befahrbarer Dämmstoff

Jackodur KF ist sogar für Parkdächer zugelassen. Foto: Jackon Insulation GmbH

Jackodur KF ist sogar für Parkdächer zugelassen. Foto: Jackon Insulation GmbH

Eine hohe Belastbarkeit der Dämmstoffe wird auch deshalb wichtiger, weil Flachdächer heute zunehmend zu Nutzdächern werden sollen, die in hoch verdichteten, innerstädtischen Bereichen zusätzliche Funktionen übernehmen, zum Beispiel als begehbarer Dachgarten oder auch als Parkdach für Pkw.

Befahrbare Parkflächen auf Gebäuden stellen natürlich höchste Anforderungen an die gesamte Umkehrdach-Konstruktion. Aber es funktioniert. Der Dämmstoffhersteller Jackon Insulation jedenfalls verfügt über eine allgemeine Bauartgenehmigung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) für diesen Nutzungszweck. Sie gilt für XPS-Platten der Marke „Jackodur KF“ bei Pkw-Parkdächern bis zu einer Dämmdicke von 320 mm.

Jackon bietet diese Dämmplatten in Druckfestigkeiten von 500 oder 700 Kilopascal an. Der Kunde hat also je nach Anforderung die Wahl. Der Dämmstoff hält nach Herstellerangaben allen statischen und dynamischen Beanspruchungen dauerhaft stand, die durch das Befahren, Bremsen, Wenden und Parken auf ein Umkehrdach einwirken können. Er ermöglicht zudem alle klassischen Aufbauten mit Pflasterseinen und Plattenbelägen oder Ortbeton.

Bei Jackodur KF handelt es sich um werkseitig fest miteinander verbundene Multilayerplatten. Diese entstehen durch das vollflächige Verkleben mehrerer XPS-Platten. Die patentierte Multilayer-Technologie von Jackon Insulation ermöglicht die schnelle und sichere Verlegung von XPS-Dämmungen auch bei hohen Schichtstärken. Im Vergleich zur Ausführung mehrerer Dämmlagen ist die einlagige Verlegung zeitsparender. Bauphysikalisch ergibt sich der Vorteil, dass die Bildung eines Wasserfilms zwischen den Platten ausgeschlossen ist.

Anfang 2023 hat Jackon mit dem Produkt „Jackodur Evo“ eine neue Generation der Multilayerplatten auf den Markt gebracht. Die Produktneuheit lässt sich erstmals in Dicken bis zu maximal 400 mm verlegen – und das bei einer konstanten Wärmeleitfähigkeit von 0,032 W/mK über alle Plattendicken (40 bis 400 mm) hinweg. Zuvor waren nur Multilayerplatten bis zu einer Stärke von 320 mm möglich.

Umkehrdach als Skipiste

Für das Umkehrdach kamen Jackodur-Dämmstoffplatten zum Einsatz. Foto: Office de Tourisme Val Thorens

Für das Umkehrdach kamen Jackodur-Dämmstoffplatten zum Einsatz. Foto: Office de Tourisme Val Thorens

Ein anschauliches Beispiel für die hohe Belastbarkeit moderner XPS-Umkehrdächer ist ein Projekt im französischen Wintersportort Val Thorens (Region Auvergne-Rhône-Alpes). Dort erhielt der Neubau des örtlichen Sportzentrums ein spektakuläres Umkehrdach, das zugleich als Skipiste dient.

Das neue Sportzentrum „Le Board“ macht seinem Namen alle Ehre: Die Formgebung des Gebäudes ist inspiriert von den charakteristischen Linien eines Snowboards. Während der Neubau im Inneren auf rund 17.000 m2 Fläche vielfältige Bodybuilding-, Fitness-, Wellness- und Badeangebote beherbergt, bietet das Dach nicht nur einen atemberaubenden Blick auf das Skigebiet, sondern lädt auch selbst zum Skifahren ein.

Für die Umkehrdachkonstruktion in Val Thorens kamen Jackodur-Platten zum Einsatz. Diese sind ohne Dampfsperre direkt über der Abdichtung verwendbar. Besonderheit: Während man die robust-langlebigen Dämmstoffe sonst meist auf Flachdächern verlegt, weist das Dach von „Le Board“ ein Gefälle auf, um das Skifahren zu ermöglichen. Deshalb entwickelten Jackon und das verarbeitende Fachunternehmen extra für dieses Objekt eine an die besonderen Anforderungen angepasste Ausführungslösung.

Da das Umkehrdach für härteste äußere Bedingungen mit hohen Schneelasten, Feuchtigkeit und Frosttemperaturen geeignet sein musste, entschied sich das zuständiger Pariser Planungsbüro Dubuisson für die Dämmstoffplatten Jackodur KF 700 in einer Dicke von 200 mm, die eine extrem hohe Druckfestigkeit bis zu 700 Kilopascal bieten. Von diesem Material kamen insgesamt 5.000 m2 für den „Snowboard“-Bereich des Daches zum Einsatz. Für die daran angrenzenden, insgesamt 700 m2 großen Panorama-Terrassen setzte der Bauherr auf die XPS-Platte Jackodur in 100 mm Stärke.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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