RM Rudolf Müller
Begrünte Umkehrdächer beim Wohnquartier Magnoliengärten in Hamburg. Foto: Bonava Deutschland GmbH

Begrünte Umkehrdächer beim Wohnquartier Magnoliengärten in Hamburg. Foto: Bonava Deutschland GmbH

Dach
22. Dezember 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Was sind begrünte Umkehrdächer?

In Zeiten des Klimawandels werden begrünte Flachdächer immer beliebter. Kein Wunder: Schließlich speichern sie Regenwasser und verbessern das städtische Mikroklima durch Verdunstungskälte. Zudem verbessert ihre Pflanzensubstratauflage auch noch die Gebäudedämmung. Was viele nicht wissen: Gründächer lassen sich auch als begrünte Umkehrdächer ausführen.

Bei „normalen“ Flachdächern besteht die äußere „Dachhaut“ aus Abdichtungsbahnen, die darunter gelegene Schichten (insbesondere den Dämmstoff!) vor den äußeren Witterungseinflüssen schützen. Beim Umkehrdach ist es umgekehrt: Hier liegen die Dämmstoffplatten oben und schützen ihrerseits die Abdichtung, die als unterste Schicht auf der obersten Gebäudedecke verlegt wird. Die Dämmstoffplatten sind dagegen nur mit einem Vlies abgedeckt und werden bei konventionellen Umkehrdächern durch eine Kiesschüttung von mindestens 5 cm Stärke beschwert. Warum eine solche Konstruktion durchaus sinnvoll sein kann, erklärt ausführlich der BaustoffWissen-Beitrag „Was ist ein Umkehrdach?“.

XPS als ideale Grundlage

Extensiv begrüntes Umkehrdach mit zweilagiger XPS-Dämmung (4) und wasserableitendem Dachvlies (5). Grafik: Jackon Insulation

Extensiv begrüntes Umkehrdach mit zweilagiger XPS-Dämmung (4) und wasserableitendem Dachvlies (5). Grafik: Jackon Insulation

Aber kann man statt der dünnen Kiesschicht nicht auch eine dickere Substratschicht auf den Dämmstoff aufbringen und damit die Voraussetzung für ein begrüntes Umkehrdach schaffen? Man kann – sofern der Dämmstoff ausreichend tragfähig und feuchteunempfindlich ist. Für herkömmliche Umkehrdächer sind diese Anforderungen tatsächlich gar kein Problem, denn als Dämmmaterial kommt hier üblicherweise extrudierter Polystyrol-Hartschaum (XPS) zum Einsatz. Dieses verrottungsfeste Material nimmt so gut wie kein Wasser auf und ist zudem sehr druckbelastbar. Schließlich verwendet man XPS-Platten sogar als erdberührte Perimeterdämmung unter Gebäude-Fundamenten. Sie können also sogar das Gewicht ganzer Häuser tragen.

Beim begrünten Umkehrdach übernimmt die Substratschicht die Funktion, die ansonsten die Kiesschicht ausübt. Sie beschwert die lose verlegten Dämmstoffplatten und sorgt dafür, dass diese bei starkem Wind nicht vom Dach geweht werden. Dafür eignet sich das Gründachsubstrat sogar besser, da es üblicherweise in dickeren Schichten aufgebracht wird als der Kies. Das Substrat schützt den Dämmstoff natürlich nicht vor Feuchtigkeit durch Regen oder Schnee. Das aber tut der Kies auch nicht – das ist ja ein Grund, weshalb man feuchteunempfindliches XPS verwendet.

Extensiv- und Intensivbegrünungen möglich

Genauso wie beim normalen Gründach sind auch beim begrünten Umkehrdach sowohl Extensivbegrünungen mit niedrigwüchsigen, genügsamen Pflanzen wie Moosen oder Gras-Kraut-Begrünung als auch Intensivbegrünungen mit dickeren Substratschichten und hochwachsenden Sträuchern oder sogar kleinen Bäumen möglich. Die Substratschicht von Extensivbegrünungen ist in der Regel nur 8 bis 10 cm hoch. Das ist also gar nicht so viel mehr als bei den herkömmlichen Kiesschüttungen (mindestens 5 cm). Die Substratauflagen bei Intensivbegrünungen sind dagegen deutlich höher und entsprechend schwerer.

Ansonsten ist der Schichtaufbau bei beiden Varianten nahezu identisch: Auf der obersten Gebäudedecke ruht die wurzelfeste Flachdachabdichtung, danach folgen XPS-Dämmung, Dachvlies und Vegetationsschicht. Der einzige Unterschied besteht darin, dass bei der Intensivbegrünung zwischen Vegetationsschicht und Dachvlies noch eine Drainageschicht eingebaut wird, was bei Extensiv-Gründächern ebenfalls möglich, aber nicht notwendig ist. Die Drainageschicht hat die Aufgabe, Wasser zur Dachentwässerung abzuleiten, wenn bei ergiebigen Regenfällen die Speicherfähigkeit des Bodensubstrats erschöpft ist.

Bei intensiv begrünten Dächern wird übrigens oft auch das Substrat selbst zweischichtig ausgeführt. Dann besteht die untere, 5 cm dicke Substratschicht aus mineralischem Dränmaterial. Das kann Kies sein, aber zum Beispiel auch Blähton oder Blähschiefer.

Wasserableitende Trennvliese

 Intensiv begrüntes Umkehrdach mit zusätzlicher Drainageschicht (6). Grafik: Jackon Insulation


Intensiv begrüntes Umkehrdach mit zusätzlicher Drainageschicht (6). Grafik: Jackon Insulation

Das auf dem Dämmstoff liegende Dachvlies war früher meist wasserdurchlässig. Seine Aufgabe bestand also nicht im Feuchteschutz. Stattdessen sollte es nur verhindern, dass Substrat in die Fugen zwischen den Dämmstoffplatten hineinrieselt. Heute allerdings kommen zunehmend Trennvliese zum Einsatz, die zwar diffusionsoffen, aber nicht wasserdurchlässig sind. Im Gegenteil: Sie sind wasserableitend und lassen somit bereits oberhalb der Dämmung etwa 95 % des anfallenden Wassers abfließen.

Diese wasserableitenden Kunststoffvliese können den Wärmeschutz des Daches deutlich verbessern. Das gilt insbesondere für Umkehrdächer mit dicken Dämmebenen, die zweischichtig ausgeführt werden. Hier bestand früher das Problem, dass sich zwischen den beiden Dämmplattenschichten relativ schnell ein Wasserfilm bildete, der die Austrocknung der unteren Dämmlage verhinderte und dadurch den Wärmeschutz der Dachkonstruktion insgesamt gefährdete. Durch den Einbau eines wasserableitenden Trennvlieses auf der oberen Dämmstoffebene lässt sich dieses Problem aber beheben.

Keine Wasserspeicherlösung

In BaustoffWissen-Beitrag „Gründach: Dämmstoffe als Wasserspeicher“ haben wir über Wasserspeichermatten für Gründächer informiert, die von den Pflanzen der Vegetationsschicht durchwurzelt werden und als Wasserreservoir dienen. Diese Matten sind in der Regel aus Mineralwolle oder Kunststoffhartschaum – es handelt sich also um typische Dämmstoffmaterialien. Da auch bei solchen Wasserspeicherlösungen die Flachdachabdichtung unterhalb der Dämmstoffmatten verlegt wird, stellt sich die Frage, ob es sich bei diesen Konstruktionen nicht ebenfalls um begrünte Umkehrdächer handelt?

Die Antwort lautet nein, auch wenn der Schichtaufbau beider Dachkonstruktionen tatsächlich sehr ähnlich ist. Es gibt aber drei entscheidende Unterschiede. Erstens die Funktion der Dämmstoffe: Beim begrünten Umkehrdach sollen sie ja Gebäude-Wärmeverluste über das Flachdach minimieren, die Wasserspeichermatten dagegen sollen eben Wasser speichern. Zweitens das Dämmstoffmaterial: Beim begrünten Umkehrdach kommen keine saugfähigen Dämmstoffe zum Einsatz, sondern wie oben erwähnt XPS, das so gut wie kein Wasser aufnimmt. Drittens: Beim begrünten Umkehrdach werden Vegetationsschicht und XPS durch ein Dachvlies voneinander getrennt. Bei den Gründach-Wasserspeicherlösungen dagegen liegt das Substrat direkt auf den Matten.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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