
Retentionsdächer sehen äußerlich wie normale Gründächer aus. Foto: Bundesverband GebäudeGrün
Was sind Retentionsdächer?
In den letzten Jahren bringen Starkregenereignisse die herkömmlichen Entwässerungslösungen in versiegelten Stadtgebieten zunehmend an ihre Grenzen. Immer mehr Kommunen denken daher über Schwammstadt-Konzepte nach. Als ein Teil der Lösung gelten in diesem Zusammenhang so genannte Retentionsdächer.
In Zeiten des Klimawandels gibt es auch in unseren Breitengraden immer häufiger Starkregenereignisse. Schwere Bauschäden durch Überschwemmungen nehmen zu. Die Idee der Schwammstadt setzt darauf, dass Regenwasser in dicht besiedelten Ballungsgebieten wieder vermehrt lokal versickern kann oder auf geeigneten Flächen zumindest eine Weile zurückgehalten wird, bevor eine zeitverzögerte Entwässerung erfolgt. Beides entlastet die Kanalisation und hilft somit, Überschwemmungen zu vermeiden.
Spezielle Gründachvariante

Schichtaufbau eines Retentionsdaches mit Schaumglas-Dämmung. Grafik: Foamglas
Zu den innerstädtischen Flächen, die ein großes Potenzial bieten, die Einleitung von Regenwasser in die Kanalisation zumindest zu drosseln, gehören Flachdächer. Voraussetzung: Die Dächer müssen über geeignete Auflagen verfügen, die in der Lage sind, größere Wassermengen zeitweise zu speichern. In der Regel handelt es sich dabei um Gründächer.
Gründächer, die speziell auf die Zurückhaltung größerer Mengen Niederschlagswasser ausgerichtet sind, bezeichnet man auch als Retentionsdächer. Der Begriff leitet sich vom englischen Wort „retention“ ab (Zurückhaltung, Speicherung). Der Schichtaufbau dieser Dachvariante ist so konzipiert, dass er größere Mengen stehendes Niederschlagswasser auf der Dachfläche problemlos aushalten kann.
Normale Flachdächer haben ein Mindestgefälle von 2 %, eben damit Wasser abgeleitet wird. Mehr Infos zu diesem Thema bietet der BaustoffWissen-Beitrag „Gefälle beim Flachdach“. Bei Retentionsdächern wird diese Regel bewusst gebrochen. Ihr Schichtaufbau erfolgt gezielt auf gefällelosen Abdichtungen. Dadurch wird unter anderem verhindert, dass sich die Belastungen durch angestautes Wasser an Gefälletiefpunkten der Dachunterkonstruktion konzentrieren. Es gibt dann aber auch kein Gefälle zu den Dachabläufen, und allein schon dadurch verlangsamt sich der Wasserabfluss. Stehendes Wasser auf der Dachfläche ist hier kein Tabu, sondern ausdrücklich gewollt.
Zu Retentionsdächern hat der Schaumglas-Dämmstoffhersteller Foamglas das E-Paper „Mit Regenwassermanagement und gedämmten Dachaufbauten dem Klimawandel gegenübertreten“ veröffentlicht (PDF-Download hier). Es informiert über die Vorteile sowie den Aufbau von Retentionsdächern (mit Schaumglas) und geht auf die relevanten Normen und Richtlinien ein.
Typischer Schichtaufbau
Retentionsdächer verfügen über ein größeres Fassungsvermögen für Wasser als einfache Dachbegrünungen. Die Gesamtdicke des Schichtaufbaus über der Dachabdichtung liegt in der Regel zwischen 14 und 40 cm. Es handelt sich aber nicht zwingend um Intensivbegrünungen. Im Gegenteil: In der Praxis werden Retentionsdächer bisher überwiegend extensiv begrünt. Trotz relativ dünner Substratschicht können auch solche Dächer über hohe Wasserspeicherfähigkeiten verfügen.
Dafür sorgen beim Retentionsdach spezielle Wasserspeicherelemente, die man unter dem Pflanzensubstrat, aber oberhalb von Abdichtung und Dämmstoff verlegt. Bei diesen Speicherelementen handelt es sich meist um 8 bis 17 cm hohe, gefäßartige Kunststoffelemente, die in ihren Hohlräumen viel Wasser aufnehmen können. Mittlerweile finden aber auch Dämmstoffplatten aus Kunststoffschaum oder Mineralwolle als Wasserspeicher Anwendung. Weitere Infos zu solchen Systemen bietet der BaustoffWissen-Beitrag „Gründach: Dämmstoffe als Wasserspeicher“.
Der Schichtaufbau eines typischen Retentionsdaches sieht – von oben nach unten betrachtet – wie folgt aus: Pflanzendecke mit Substratschicht, Filtervlies, Wasserspeicherelemente, gegebenenfalls ein weiteres Schutzvlies, wurzelfeste Abdichtungsbahn in zweilagiger Ausführung (zum Beispiel Bitumenbahn), druckstabiler Dämmstoff, Dampfsperre, Bitumen-Voranstrich, Tragkonstruktion (zum Beispiel Betondecke). Der Einbau der Dampfsperre kann bei einem wasser- und dampfdichten Dämmstoff wie Schaumglas entfallen.
Speicher mit gedrosseltem Ablauf

Viele Infos zu Retentionsdächern bietet das neue E-Paper von Foamglas.
Das Pflanzensubstrat und die Speicherelemente eines Retentionsdaches bilden zusammen ein großes Wasserrückhaltereservoir. Nach Angaben von Foamglas können die mehrschichtigen Dachaufbauten – abhängig vom jeweiligen System – bis zu 150 Liter Wasser pro Quadratmeter zurückhalten. Derjenige Wasseranteil, den das Substrat aufnehmen kann, dient natürlich auch der Pflanzenbewässerung und trägt durch Verdunstungsprozesse zur Abkühlung der Umgebung bei.
Nur bei Starkregen füllen sich auch die Speicherelemente unterhalb der Pflanzendecke. Das dort zurückgehaltene Wasser fließt am Ende in die Kanalisation ab – allerdings zeitverzögert über einen so genannten Drosselablauf. Im E-Paper von Foamglas wird zwischen statischen und dynamischen Drosselabläufen unterschieden: „Während der statische Drosselablauf über ein klar definiertes Abflussverhalten verfügt, das einmal eingestellt und dann nicht mehr verändert wird, kann die dynamische Drosselung tagesaktuell angepasst werden.“
Bei den Drosselabläufen lässt sich die gewünschte Ablaufgeschwindigkeit individuell einstellen. So kann man auch die Höhe des Wasseranstaus kontrollieren. Wichtig ist, dass der gestaute Flüssigkeitsspiegel nicht dauerhaft an die Vegetationsschicht heranreicht. Nur so lassen sich Staunässe und Fäulnisprozesse vermeiden.
Druckfeste und wasserdichte Dämmstoffe
150 Liter Wasser pro Quadratmeter entspricht einem zusätzlichen Gewicht von mindestens 150 kg. Derartige Belastungen erfordern hochwertige und einwandfrei verarbeitete Dachabdichtungen sowie druckfeste und wasserdichte Dämmstoffe. Schaumglas erfüllt diese Anforderungen spielend.
Die Platten bestehen aus hermetisch versiegelten Glaszellen und sind daher vollkommen wasser- und dampfdicht sowie extrem langlebig. Ihre Wärmeleitfähigkeit wird durch Kontakt mit Feuchtigkeit nicht beeinträchtigt. Das Material verrottet zudem nicht, ist nichtbrennbar und unempfindlich gegenüber Schädlingen, Säuren und Chemikalien.
Hinzu kommt eine enorme Druckfestigkeit. Laut Foamglas können die Dämmplatten – je nach Produktausführung – Lasten bis zu 160 Tonnen pro Quadratmeter stauchungsfrei ertragen. Die Anforderungen eines Retentionsdaches werden also spielend erfüllt.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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