RM Rudolf Müller
Zusammengepresste Zelluloseflocken brennen erstaunlich schlecht.  Foto: Climacell

Zusammengepresste Zelluloseflocken brennen erstaunlich schlecht.  Foto: Climacell

Dämmstoffe
21. Juli 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Brandverhalten von Zellulose-Dämmung

Lose Zellulose-Dämmstoffe bestehen größtenteils aus recyceltem Papier. Aber brennen die dann nicht wie Zunder? In der Praxis ist das nicht der Fall. Neben den eingesetzten Flammschutzmitteln liegt das vor allem daran, dass die Einblasdämmungen stark verdichtet und weitgehend luftdicht in Bauteilhohlräumen eingeschlossen sind.

Papier wird hauptsächlich aus den Fasern pflanzlicher Zellwände hergestellt – der so genannten Zellulose. Aus der lassen sich bekanntlich auch lose Einblasdämmungen herstellen, die bei Hohlräumen zum Einsatz kommen – vor allem im Dachbereich, auf der obersten Geschossdecke sowie bei Außenwänden in Holzrahmenbauweise.

Die losen Zelluloseflocken, aus denen der Dämmstoff besteht, werden aus Altpapier gewonnen. Zellulose-Einblasdämmstoffe sind daher ausgesprochen nachhaltige Baustoffe. Sie bestehen nicht nur aus nachwachsendem Pflanzenmaterial, sondern eben sogar aus Recycling-Rohstoffen. Zudem sind sie im Vergleich zu anderen Naturdämmstoffen relativ günstig.

Einsatz von Flammschutzmitteln

Das feuchtigkeitsregulierende Material eignet sich zum Beispiel zur Hohlraumdämmung auf der obersten Geschossdecke. Foto: Climacell

Das feuchtigkeitsregulierende Material eignet sich zum Beispiel zur Hohlraumdämmung auf der obersten Geschossdecke. Foto: Climacell

Doch zurück zur Ausgangsfrage: Wie ist es um das Brandverhalten von Einblasdämmungen aus Zellulose bestellt? Brennt das lose Flockenmaterial etwa wie Papier? Zum Glück nicht. Schließlich behandeln alle Hersteller die Zellulose mit Flammschutzmitteln. Der Dämmstoff an sich erreicht allerdings auch mit solchen Zusätzen nur die Baustoffklasse B2 nach DIN 4102.

B2 steht für normal entflammbare Baustoffe. Diese können nach Flammenkontakt auch ohne weitere Wärmezufuhr von allein weiterbrennen. Auch Holz und Hartschaum-Dämmplatten ohne Flammschutzzusatz werden in die Baustoffklasse B2 eingeordnet. Dass Zellulose-Dämmstoffe ein Risikofaktor für den Brandschutz sind, wird von den Herstellern gleichwohl unisono zurückgewiesen – und das mit durchaus nachvollziehbaren Begründungen.

Tatsächlich lässt sich vom Brandverhalten des losen Flockenmaterials nicht einfach schließen auf die tatsächliche Brandweiterleitung im eingebauten Zustand. Schließlich kommt das Einblasmaterial in Hohlräumen zum Einsatz und ist dabei komplett von anderen Baustoffen umschlossen – zum Beispiel von massiven Holzbalken, Gipskarton– oder Gipsfaserplatten. Außerdem werden die Flocken in den Hohlräumen stark verdichtet – also zusammengepresst – und sind dort weitgehend luftdicht von der „Außenwelt“ abgeschottet.

Kühl- und Verkohlungseffekt

Der Dämmstoff wird per Einblasschlauch durch vorher angebrachte Öffnungen eingebracht. Foto: Climacell

Der Dämmstoff wird per Einblasschlauch durch vorher angebrachte Öffnungen eingebracht. Foto: Climacell

Der Hersteller Climacell reklamiert für seinen Zellulose-Dämmstoff trotz des brennbaren Ausgangsmaterials sogar „ein sehr gutes Brandschutzverhalten“. Bei fachgerechtem Einbau wirke er einer Ausbreitung von Feuer entgegen. Zellulose habe zudem eine hohe Wärmespeicherkapazität und trage auch dadurch zum Brandschutz bei. Hintergrund: Die Brandausbreitung über Gebäudebauteile kann auch allein durch die Weitergabe von Hitze erfolgen. Auch ohne direkten Flammendurchschlag kann sich ein Feuer also von einem Raum auf einen Nachbarraum ausbreiten. Wärmespeichernde Materialien verzögern dies.

Nach Darstellung von Climacell hängt das „sehr gute Brandschutzverhalten“ einerseits damit zusammen, dass in Zellulose Wasserkristalle gebunden seien, die unter Hitzeeinwirkung freigesetzt werden und einen Kühleffekt auslösen. Tatsächlich sind Zellulose-Flocken diffusionsoffen. Das pflanzliche Material besitzt zahlreiche feine Kapillare und kann deshalb bis zu einem gewissen Grad Feuchtigkeit aufnehmen und zeitversetzt wieder abgeben.

Außerdem verhält sich die im Hohlraum verdichtete Zellulosemasse bei direkter Beflammung ähnlich wie dicke Holzbalken. Es bilde sich schnell eine äußere Verkohlungsschicht, die im weiteren Brandverlauf als „Schutzschicht gegen die Ausbreitung des Feuers“ wirke – heißt es auf der Climacell-Website.

Flammen fehlt Sauerstoff

Vorausgesetzt der Dämmstoff wurde lückenlos und ausreichend verdichtet in den Hohlraum eingeblasen, wird die Brandausbreitung zudem aufgrund des Sauerstoffmangels stark behindert. Die Rohdichte eingeblasener Zelluloseflocken liegt in der Praxis nicht selten bei über 60 kg/m³. Es ist aber nicht nur das dichte Gefüge der Faserflocken, das Sauerstoff weitgehend ausschließt. Hinzu kommt, dass Einblasdämmungen – anders als Plattendämmstoffe – auch in kleinste Ritzen und Spalten des zu dämmenden Bauteils eindringen können. Der Hohlraum wird also maximal ausgefüllt.

Wenn der Dämmstoff tatsächlich mit offenen Flammen in Berührung kommt, weil ein Brand die äußere Hohlraumbeplankung zerstört und damit den Dämmstoff freilegt, sorgt die entstehende Kohleschicht zudem in kurzer Zeit dafür, dass von außen kein weiterer Sauerstoff in die Zelluloseschicht eindringen kann. Zellulose hat laut Climacell zudem den Vorteil, dass sie im Brandfall keine giftigen Rauchgase entwickelt und nicht brennend abtropft. Anders als viel Hartschaum-Dämmstoffe schmilzt sie nicht.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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