
Die Herstellung von Zelluloseflocken verbraucht vergleichsweise wenig Energie. Alle Fotos: Climacell
Klimabilanz von Zellulosedämmstoff
Dämmstoffe senken Heizkosten und tragen dadurch dazu bei, dass sich die Klimabilanz des Gebäudesektors verbessert. Noch nachhaltiger wird die Sache, wenn sich die Materialien zugleich energiesparend herstellen und entsorgen lassen. Lose Zellulosedämmstoffe überzeugen auch bei dieser ganzheitlichen Betrachtungsweise.
„Zellulose hat bei der Produktion von Dämmstoffen den mit Abstand niedrigsten Energiebedarf“, sagt Marcel Bailey, Geschäftsführer beim Cellulosewerk Angelbachtal (CWA) aus Baden-Württemberg, das die Zellulosedämmstoffe der Marke Climacell produziert. Bei dieser Aussage kann sich Bailey auf die Ergebnisse einer Kurzanalyse berufen, die das Zentrum Ressourceneffizienz des VDI im Juni 2014 unter dem Titel „Ressourceneffizienz der Dämmstoffe im Hochbau“ veröffentlicht hat (VDI ZRE Publikationen: Kurzanalyse Nr. 7, 2014).
Die Kurzanalyse betrachtet die Ressourceneffizienz gebräuchlicher Gebäudedämmstoffe anhand folgender vier Kriterien: Rohstoffart (Ziel: möglichst geringer Verbrauch knapper Ressourcen), Energiebedarf (Herstellung), CO2-Emission (Herstellung) und Entsorgung. Fazit der Kurzanalyse: „In der Gesamtbewertung schneidet die Dämmung aus losen Zellulosefasern klar am besten ab.“ Wichtig: Dieses positive Urteil bezieht sich tatsächlich nur auf lose Zelluloseflocken, die als Einblasdämmung zum Einsatz kommen Es gilt also nicht für Zellulose-Plattendämmstoffe, deren Herstellung deutlich mehr Energie verbraucht.
Nachwachsender Rohstoff

Das Einbringen in die Hohlräume erfolgt per Einblasmaschine.
Die Dämmstofflocken werden aus recyceltem Altpapier hergestellt, wobei insbesondere Zeitungspapier zum Einsatz kommt. Für die positive Klimabilanz von Zellulose ist diese Rohstoffherkunft entscheidend. Würde man den Dämmstoff nämlich aus neu produziertem Papier herstellen, wäre er gar nicht mehr so nachhaltig, weil die Papierherstellung als solche sehr energieintensiv ist und viel Wasser verbraucht.
Durch die Verwendung von Altpapier gelingt dagegen ein echtes Upcycling. Schließlich werden Tageszeitungen in der Regel nach kurzer Zeit weggeschmissen, während die daraus hergestellten Zelluloseflocken jahrzehntelang Gebäude dämmen können. Natürlich gelten Dämmstoffe aus Zellulose auch deshalb als nachhaltig, weil das Material ursprünglich aus erneuerbaren, nachwachsenden Rohstoffquellen stammt. Zellulose-Moleküle sind der Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände und werden unter anderem aus Holz gewonnen.
Zur Verbesserung des Brandschutzes muss man den losen Flockendämmstoffen allerdings noch Zusatzmittel hinzufügen. Als Flammschutzmittel kommen überwiegend Borsalze zum Einsatz. Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) nennt auf ihrer Website zudem folgende boratfreie Alternativen: Aluminiumhydroxid, Ammoniumphosphat (Ammoniumsalz der Phosphorsäure) und Fungotannin (aus dem Rindenextrakt Tannin). Die FNR bewertet alle genannten Flammschutzmittel als „gesundheitlich unbedenklich“, sofern sie in „den jetzt verwendeten Mengen“ zum Einsatz kommen (Zitate: siehe FNR-Website).
Energiearme Herstellung
Bei der Herstellung loser Zellulosedämmstoffe wird das Altpapier unter vergleichsweise geringem Energieeinsatz zunächst grob geschreddert, danach in einer Fasermühle zerfasert und abschließend getrocknet und entstaubt. Dieses Verfahren erfolgt ganz ohne Wärme- und Wassereinsatz. Der österreichische Hersteller Isocell betont, dass bei der Produktion von Zellulose grundsätzlich keine energieintensiven Prozesse notwendig seien. Den Strombedarf der eigenen Werke decke man zu 100 % aus erneuerbaren Quellen. Ähnliches liest man auch auf den Websites anderer Hersteller.
Die fertigen Zelluloseflocken werden zusammengepresst als Sackware vertrieben und sind im Vergleich zu anderen Naturdämmstoffen relativ günstig. Verwendbar sind sie sowohl in den Bereichen Boden/Decke und Wand als auch im Dachbereich. Allerdings sind sie grundsätzlich nur für Hohlraumanwendungen einsetzbar. Der Dämmstoff selbst ist nicht druckbelastbar. Er wird mithilfe von Luftdruck-Maschinen über Schläuche in die Hohlräume eingeblasen. Dies geschieht so lange, bis die Flocken ausreichend verdichtet sind, sodass ein formbeständiger Dämmblock entsteht, der den Hohlraum lückenlos ausfüllt.
Als langlebiges Produkt, das im Wesentlichen aus Pflanzenfasern besteht, kann man Zellulosedämmstoff – ähnlich wie Holzbaustoffe – auch als „CO2-Speicher“ betrachten. Nach Angaben von Isocell ist in den Faserrohstoffen durch Photosynthese mehr Kohlendioxid gespeichert als später bei der Herstellung der Flocken ausgestoßen wird. Mit jedem Kilogramm eingesetzter Zellulose im Gebäude werde der Ausstoß von 1,21 kg CO2 kompensiert. Wie Isocell auf diese Zahl kommt, steht in diesem PDF.
Entsorgung und Wiederverwertung

Mit ihren baubiologischen Eigenschaften passt Zellulose gut zum Holzbau.
Zelluloseflocken kann man, wenn sie nicht mehr benötigt werden, einfach wieder aus dem Hohlraum absaugen. Sofern der Dämmstoff sortenrein und sauber vorliegt, lässt er sich zudem auch wiederverwenden. Hersteller Isocell gibt an, dass man seinen Zellulosedämmstoff sogar dreimal hintereinander in unterschiedliche Häuser einblasen könne. Auf der oben bereits zitierten Website der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe – ein Projektträger des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) – heißt es, Zellulosedämmung sei „wiederverwertbar und deponierfähig, allerdings auf Grund der Zusatzstoffe nicht kompostierbar“.
Soweit die Theorie. In der Praxis scheint die Wiederverwertung aber bisher noch in den Kinderschuhen zu stecken. Das legt zumindest die Studie „Ganzheitliche Bewertung von verschiedenen Dämmstoffalternativen“ nahe, die das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) und Natureplus Ende 2019 gemeinsam veröffentlicht haben. Laut dieser Studie, zu der wir auf BaustoffWissen auch einen eigenen Beitrag veröffentlicht haben, werden in Deutschland aktuell nur 3 % der Zelluloseflocken tatsächlich in der Dämmstoffproduktion wiederverwertet.
Die große Masse der Zelluloseflocken wird demnach nicht erneut zu Dämmstoffen recycelt, sondern „thermisch verwertet“. Im Klartext: Die Materialien werden verbrannt, vor allem in Müllverbrennungsanlagen, Zementwerken und Biomasse-Heizkraftwerken. Auf diese Weise nutzt man die in der Zellulose gespeicherte Energie zur Erzeugung von Strom und/oder Wärme. Ein Upcycling ist das allerdings nicht.
Warum bislang so wenig Material den Weg zurück in die Dämmstoffproduktion findet, dafür liefert die Studie von ifeu und Natureplus einige Anhaltspunkte. Neben dem Kriterium Sortenreinheit/Sauberkeit scheint es auch ein Problem zu sein, dass es keinen einheitlichen Standard für die Herstellung von Zelluloseflocken gibt. Für eine erfolgreiche Wiederverwertung aber müssen Größe und Struktur der Flocken auf die Produktionsanlage abgestimmt sein, in der sie zurückgeführt werden sollen – heißt es in der Studie. Auch abgesehen davon kann man Alt-Flocken nicht einfach ungeprüft in der Neuproduktion verwenden. Laut Studie müssen die Hersteller zuvor den Feuchtegehalt sowie den noch bestehenden Brandschutz des rückzuführenden Dämmstoffs prüfen.
Ideal im Holzbau
Gleichwohl bleibt Zellulose-Einblasdämmstoff ein nachhaltiges und leistungsfähiges Dämmmaterial. „Unser Wärmedämmstoff aus Recyclingmaterial besitzt vergleichbare technische Werte wie Dämmmaterialien, die aus Primärrohstoffen hergestellt werden“, sagt Marcel Bailey. Nach Aussagen des CWA-Geschäftsführers schneidet Zellulose beim sommerlichen Hitzeschutz und Schallschutz sogar besser ab.
Ein Grund dafür ist die hohe Dichte, die das Dämmstoffpaket nach dem Einblasen aufweist. Die Zellulosefasern füllen den Hohlraum bis in die letzte Ritze aus und ergeben ein elastisches Gewebe. Gerade bei Holzbauteilen, die sich verziehen können, ist das von Vorteil. Die Zellulosedämmschicht passt sich solchen Veränderungen einfach an, bei starren Plattenmaterialien entstünden dagegen in solchen Fällen leicht Ritzen und damit Wärmebrücken – argumentiert CWA.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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