
Das Aerogel wird mit einer Korngröße von 2–4 mm in den Dämmputz integriert. Fotos (2): Fraunhofer / Piotr Banczerowsk
Kostengünstiger Aerogel-Dämmputz?
Die Baustoffindustrie experimentiert schon seit Längerem mit Aerogelen. Diese machen Dämmstoffe wie Steinwolle und Polyurethanschaum oder auch mineralischen Dämmputz noch leistungsfähiger. Doch bisher handelte es sich dabei um teure Highend-Produkte für Nischenanwendungen. Das Fraunhofer UMSICHT verkündet nun die Entwicklung eines neuartigen Produktionsverfahrens für kostengünstige, massentaugliche Aerogele.
Nach Angaben des Oberhausener Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (Fraunhofer UMSICHT) sind Silica-Aerogele mit einem Luftanteil von 99,8 % sowohl der leichteste als auch der effektivste Dämmstoff der Welt. Sie bestehen zudem aus dem unbedenklichen mineralischen Rohstoff Siliziumdioxid, der in der Natur zum Beispiel als Hauptbestandteil von Quarzsand vorkommt. Bisherige Dämmstoffe mit Aerogel-Zusätzen bieten zwar eine hocheffektive Wärmeisolierung, sind zugleich aber ziemlich teuer, da die herkömmlichen Produktionsverfahren aufwändig und langwierig sind.
Frühere Entwicklungen
Wie schwer es Hochleistungsdämmstoffe im Massenmarkt der Gebäudeisolierung haben können, wenn der Preis aus Sicht der Kunden zu hoch ist, zeigt das Beispiel der „Aerowolle“. Diese Kombination aus Steinwolle und Aerogel hatte der Hersteller Rockwool 2010 in den Markt eingeführt. Es enthielt Silica-Aerogel (Silica = Siliciumdioxid), das der Steinwolle bei der Produktion in getrockneter und gemahlener Form beigefügt wurde.
Da sich das Aerogel-Pulver durch eine extrem niedrige Wärmeleitfähigkeit von nur 0,017 W/mK auszeichnete, erreichten auch die damit versetzten Dämmplatten sehr niedrige Werte bis hin zu 0,019 W/mK. Zum Vergleich. Die Wärmeleitfähigkeit „normaler“ Steinwolle-Platten liegt – in Abhängigkeit von der jeweils benötigten Rohdichte – zwischen 0,035 bis 0,050 W/mK. Trotz ihrer überzeugenden Dämmleistung verschwand die Aerowolle nach einiger Zeit wieder aus dem Rockwool-Sortiment. Der hochpreisige Hochleistungsdämmstoff verkaufte sich einfach zu wenig.
Einen anderen Weg beschritt vor ein paar Jahren BASF. Mit „Slentite“ hat das Unternehmen einen plattenförmigen Aerogel-Dämmstoff auf Hartschaum-Basis entwickelt. Ausführliche Infos dazu bietet der BaustoffWissen-Beitrag „Polyurethan-Aerogel: Ein neuer High-Tech Dämmstoff“.
Die stabile Slentite-Platte punktet mit einer Wärmeleitfähigkeit von nur 0,017 W/mK und ermöglicht damit sehr schlanke Lösungen zum Beispiel im Bereich der Innendämmung. Die Platte scheint für diese Einsatzbereich prädestiniert, weil sie nach Herstellerangaben auch eine „sehr gute Feuchtigkeitsregulierung“ bietet. Doch auch Slentite ist bisher ein vergleichsweise teurer Dämmstoff und damit nur bedingt massentauglich.
In der Baupraxis bereits verbreiteter sind Wärmedämmputze mit Leichtzuschlägen aus Silica-Aerogel-Granulat. Sie erreichen Wärmeleitfähigkeiten bis zu 0,027 W/mK und kommen sowohl im Außenbereich an der Fassade – als Alternative zu Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS) – als auch für Innendämmungen zum Einsatz. Weitere Infos zu dieser Produktgattung bietet der BaustoffWissen-Beitrag „Was ist Aerogel-Dämmputz?“.
Aerogele um 70 % günstiger?
Da auch Aerogel-Dämmputze zu den eher hochpreisigen Baustoffen gehören, verwendet man sie in der Regel nur für Sanierungsobjekte, bei denen herkömmliche Dämmplatten aus Denkmalschutz- und/oder Platzgründen nicht infrage kommen. Wo das Anbringen eines Wärmedämmverbund-Systems (WDVS) an der Fassade untersagt ist, wo sich Innendämmungen aus Platzgründen nur schlecht mit Plattenware ausführen lassen, sind Aerogel-Dämmputze durchaus eine Option. Sonst eher nicht.
Das könnte sich künftig ändern. Denn das Fraunhofer UMSICHT hat zusammen mit dem Hersteller Proceram GmbH & Co. KG aus Kamp-Lintfort (NRW) ein neuartiges Produktionsverfahren entwickelt, das nach Angaben des Oberhausener Instituts die bisherigen Herstellungskosten für Aerogele um 70 % senkt. Auch die Produktionszeit soll durch das neue Verfahren erheblich sinken. Was bisher rund zehn Stunden dauerte, soll künftig in zweieinhalb Stunden schaffbar sein – so das Fraunhofer UMSICHT Ende Mai in einer Pressemitteilung.
Kohlenstoffdioxid statt Säuren

Das Foto zeigt Proceram-Geschäftsführer Christoph Dworatzyk sowie die Fraunhofer-Forschenden Andreas Sengespeick und Nils Mölders (v.l.n.r.).
Um Kosten und Produktionszeit des Aerogels in diesem Ausmaß senken zu können, setzte das Forscherteam auf einen veränderten Zutatenmix. Statt Säuren kommt beim neuen Verfahren Kohlenstoffdioxid zum Einsatz. Bisher wird bei der Herstellung von Silica-Aerogelen ein so genanntes Sol – darunter versteht man eine feine Verteilung fester Stoffe in einem Medium – mithilfe von Säure geliert. Für 1 kg Aerogel sind dabei 6 kg Säure notwendig. Anschließend wird das Gel gealtert, das Lösungsmittel getauscht und getrocknet.
Dem Fraunhofer UMSICHT gelang es, diesen Produktionsprozess deutlich zu verkürzen. Bei ihrem Verfahren laufen die verschiedenen Prozessschritte praktisch gleichzeitig und nicht mehr hintereinander ab. Außerdem verzichtete man auf giftige Chemikalien. „Wir haben den Stand der Technik konsequent in Frage gestellt“, erläutert Fraunhofer-Forscher Nils Mölders. „Während überkritisches Kohlenstoffdioxid, dessen Eigenschaften zwischen denen von Gas und Flüssigkeit liegen, bisher lediglich für die Trocknung genutzt wird, setzen wir es für alle Prozessschritte ein. So können wir auf die Säuren verzichten.“
Das Ergebnis ist ein Produktionsverfahren, das nicht nur schneller und kostengünstiger, sondern auch umweltfreundlicher ist, da auf ätzende Säuren verzichtet wird. Nach Angaben des Fraunhofer UMSICHT gilt das auch für die sonstigen Rohstoffe. Die Forschenden testeten über 20 verschiedene silikatische Sole, die gut verfügbar, kostengünstig und nicht toxisch sind. „Wir verwenden hier nur Materialien wie Sand oder Kalk, die sich wieder in die Stoffkreisläufe einbringen, also recyclen lassen“, sagt Fraunhofer-Forscher Andreas Sengespeick.
Die neuartig hergestellten Aerogele sollen künftig in rein mineralischen, nicht brennbaren Dämmputzen zum Einsatz kommen. Dafür wird das Aerogel auf eine Korngröße von 2–4 mm gebracht. Wie gesagt: Aerogel-Dämmputze sind an sich nichts Neues. Auch der Projektpartner Proceram ist schon seit geraumer Zeit mit dem „Cerabran Aeroputz“ am Markt vertreten. Durch das neue Produktionsverfahren könnten solche Produkte aber künftig deutlich preisgünstiger werden.
Wie geht es weiter?
„Integriert in den Putz können die Aerogele – verglichen mit Styropor – die Wärmeleitfähigkeit um den Faktor zwei senken – das ist wirklich enorm“, freut sich Proceram-Geschäftsführer Christoph Dworatzyk. Viel Grund zur Freude hatte Dworatzyk ansonsten in letzter Zeit nicht. Denn das Unternehmen Proceram ist in Schwierigkeiten geraten und wird aktuell von einem Insolvenzverwalter geleitet. Die Website www.cerabran.com war Anfang Juni nicht mehr erreichbar.
Das Fraunhofer UMSICHT will das Projekt aber auch ohne Proceram fortführen. Wie Institutsleiter Prof. Dr.-Ing. Manfred Renner Ende Mai in einem Artikel der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) andeutete, sei man bereits in Gesprächen mit einem neuen Industriepartner. Zusammen mit diesem soll eine Produktionsmaschine entstehen, die nach dem Fraunhofer-Verfahren pro Jahr 5.000 Tonnen Aerogel herstellen kann.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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