
Auch aus Flachsfasern werden Gebäudedämmstoffe hergestellt. Foto: https://dämmflachs.at
Einsatzgrenzen von Naturdämmstoffen
Naturdämmstoffe wie Holzfaser, Hanf oder Flachs werden der Baustoffklasse B2 zugeordnet („normal entflammbar“). Die Landesbauordnungen fordern aber ab einer Gebäudehöhe von mehr als 7 m den Einsatz nichtbrennbarer Dämmstoffe. In der Praxis sind jedoch Ausnahmen möglich. Oft kommen nämlich auch bei hohen Gebäuden Bauteile zum Einsatz, die normal entflammbare Dämmstoffe enthalten, wenn zuvor nachgewiesen werden konnte, dass die Bauteile als Ganzes trotzdem die für die jeweilige Gebäudeklasse geforderte Feuerwiderstandsklasse erreichen.
Wenn in diesem Beitrag von Naturdämmstoffen die Rede ist, sind damit ausdrücklich nur diejenigen Produkte gemeint, die man aus nachwachsenden Pflanzenfasern herstellt. Es geht also um Naturfaserdämmstoffe, nicht etwa um Materialien mineralischen Ursprungs wie zum Beispiel Mineralwolle und Perlit, die ja ebenfalls aus natürlichen Rohstoffen gefertigt werden. Pflanzliche Faserdämmstoffe sind in der Regel normal entflammbar (Baustoffklasse B2), erreichen aber auch diese Eigenschaft meist nur durch Zugabe von Flammschutzmitteln.
„Normal entflammbar“ klingt irgendwie gefährlich. Doch ein normal entflammbarer Baustoff muss gar nicht zwingend die Brandausbreitung befördern, und er vermindert auch nicht automatisch die Standfestigkeit tragender Bauteile im Brandfall. Bauhölzer, Holzwerkstoffe und eben auch Holzfaserdämmplatten sind zum Beispiel allesamt normal entflammbar. Doch im Brandfall bildet sich an der Oberfläche dieser Materialien schnell eine äußere Verkohlungsschicht, die die Brandausbreitung insgesamt hemmt. So kommt es, dass tragende Holzpfeiler bei Feuer oft länger standhalten als Stahlpfeiler, die zwar nicht brennbar sind, jedoch bei großer Hitze schmelzen.
Baurechtliche Einschränkungen

Einsatz von Hanfdämmstoffen im Holzrahmenbau. Foto: www.thermo-hanf.de
Trotzdem hat die Tatsache, dass Holzfaserdämmstoffe und andere Naturdämmstoffe normal entflammbar sind, gewisse baurechtliche Auswirkungen auf ihre Verwendbarkeit. Die Deutsche Umwelthilfe schreibt zum Beispiel in ihrer Publikation „Naturdämmstoffe – Wider die falschen Mythen“, man dürfe sie in Häusern über 7 m Höhe und bei Gebäuden mit großen Nutzungseinheiten nicht einsetzen. Außerdem dürfe man Naturdämmstoffe auch für Perimeterdämmungen nicht oder nur mit Einschränkungen nutzen.
Die genannte Richtgröße von 7 m entstammt der Definition der Gebäudeklassen, die man in den Bauordnungen aller deutschen Bundesländer beziehungsweise in der Musterbauordnung (MBO) findet. In der MBO taucht das Wort „Naturdämmstoffe“ zwar an keiner Stelle explizit auf, trotzdem lassen sich aus ihr die oben genannten Verwendungsbeschränkungen indirekt ableiten. Diese Ableitung erfolgt über die Feuerwiderstandsklassen für Gebäudebauteile, die die Bauordnung für verschiedene Gebäudeklassen vorschreibt.
So umfasst die Gebäudeklasse 4 Bauwerke, die mehr als 7 m und maximal 13 m hoch sind. Bei mehr als 13 m Höhe beginnt dann die Gebäudeklasse 5. Bei der Gebäudeklasse 4 müssen zum Beispiel tragende Wände und Stützen zwingend „hochfeuerhemmend“ sein (§ 27 MBO). Das bedeutet, dass die Bauteile eine Feuerwiderstandsdauer von mindestens 60 Minuten aufweisen müssen (Feuerwiderstandsklasse F60). Das gilt nach § 31 MBO auch für Decken. Für nichttragende Außenwände, Trennwände und Dächer definiert die MBO dagegen nur unspezifisch, dass sie „ausreichend lang widerstandsfähig“ gegen die Brandausbreitung sein müssen.
§ 26 der MBO („Allgemeine Anforderungen an das Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen“) ist mit seinen vielen Fußnoten und Querverweisen ziemlich unverständlich formuliert. Klarer wird die Thematik, wenn man die Technischen Baubestimmungen des DIBt hinzuzieht, die Konkretisierungen zur MBO enthalten. Demnach können tragende und aussteifende Bauteile, die hochfeuerhemmend sein müssen, zwar aus brennbaren Baustoffen bestehen, sie müssen dann aber allseitig über eine brandschutztechnisch wirksame Bekleidung aus nichtbrennbaren Baustoffen (Brandschutzbekleidung) verfügen und die Dämmstoffe müssen – sofern vorhanden – nichtbrennbar sein. Damit wären Naturdämmstoffe also ausgeschlossen.
Praktische Ausnahmen

Mit Glimmschutzmitteln ließe sich auch der Anwendungsbereich von Holzfaserdämmstoffen erweitern. Foto: Fraunhofer WKI / Manuela Lingnau
Halten wir fest: Für Gebäude ab einer Höhe von 7 m sollten laut MBO im Prinzip mindestens schwer entflammbare Baustoffe (Baustoffklasse B1) zum Einsatz kommen, ab Gebäudeklasse 5 sogar nur nicht brennbare Baustoffe. In der Praxis kommt es aber immer wieder zu Ausnahmen. Es werden also auch in Gebäuden, die höher als 7 m sind, Bauteile eingesetzt sind, die normal entflammbare Baustoffe enthalten, sofern für die Bauteile als Ganzes nachgewiesen wurde, dass sie die für die jeweilige Gebäudeklasse geforderte Feuerwiderstandsklasse erreichen.
Es ist also durchaus möglich, dass in einem solchen Bauteil auch ein Naturdämmstoff zum Einsatz kommt, wenn das Bauteil mit diesem trotzdem die geforderte Feuerwiderstandsklasse erreicht. Erreicht werden kann das zum Beispiel durch nichtbrennbare Bauteilbekleidungen oder auch durch Flammschutzmittel im Dämmstoff.
In der Forschung arbeitet man zudem an weiteren Lösungen. So entwickelt das Fraunhofer-Institut für Holzforschung (Fraunhofer WKI) aktuell Glimmschutzmittel für Naturdämmstoffe. Hintergrund: Dämmstoffe aus Holz und anderen nachwachsenden Rohstoffen neigen zum kontinuierlichen Schwelen und/oder Glimmen. Mit passenden Glimmschutzmitteln soll das verhindert werden. Dann könnten Naturdämmstoffe nicht nur in höheren Gebäuden eingesetzt werden. Laut Fraunhofer WKI könnte man glimmgeschützte Naturdämmstoffe sogar in Sonderbauten mit erhöhten Brandschutzanforderungen wie Schulen, Krankenhäuser oder Hotels verbauen.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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