RM Rudolf Müller
Lamellen (oben) und Platten (unten) haben unterschiedliche Faserrichtungen.  Foto: Knauf Insulation

Lamellen (oben) und Platten (unten) haben unterschiedliche Faserrichtungen.  Foto: Knauf Insulation

Dämmstoffe
14. September 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Was sind Steinwolle-Lamellen?

Steinwolle gehört zu den beliebtesten Dämmstoffen im Gebäudebereich. Was viele nicht wissen: Neben den „normalen“ Steinwolle-Platten gibt es vor allem für die Anwendung in Wärmedämm-Verbundsystemen auch so genannte Steinwolle-Lamellen. Diese sind in der Regel deutlich kleinformatiger und zeichnen sich unter anderem durch eine höhere Druck- und Abreißfestigkeit aus. Dafür dämmen sie allerdings schlechter.

Steinwolle-Lamellen sind relativ kleinformatige Dämmstoffplatten, die in der Produktion so zugeschnitten wurden, dass ihre Fasern nach der Verklebung auf der Fassade nicht – wie bei herkömmlichen Steinwolleplatten – parallel zum Untergrund ausgerichtet sind, sondern senkrecht dazu. Dadurch haben sie eine höhere Querzugfestigkeit, sind also abreißfester.

Leichter zu verarbeiten

Die erhöhte Abreißfestigkeit hat den großen Vorteil, dass mit den Lamellen Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) möglich sind, bei denen man den Dämmstoff an der Fassade nur verkleben muss. Die aufwändige Montage von WDVS-Dübeln an jeder einzelnen Dämmplatte entfällt also. Das gilt zumindest, wenn die Fassadenoberfläche samt Klebemörtel einen ausreichenden Haftgrund bietet und die Windlasten nicht zu hoch sind. Bei einem Gebäude an der Meeresküste etwa kommt man auch bei Lamellen-Nutzung nicht an Dübeln vorbei.

Für normale Mineralwolleplatten – mit Faserrichtung parallel zum Untergrund – muss der Verarbeiter dagegen stets Dübel verwenden – zusätzlich zum Kleben. Das verursacht nicht nur zusätzliche Materialkosten, sondern kostet auch viel Arbeitszeit. Viele Handwerker wünschen sich ein WDVS, bei dem sie nur kleben, nicht aber dübeln müssen. Deshalb nutzen sie Lamellen, wann immer die Rahmenbedingungen dies zulassen.

Man könnte einwenden, dass mit Steinwolle-Lamellen, da sie doch deutlich kleinformatiger als herkömmliche Platten sind, das Verkleben an der Fassade vergleichsweise aufwändiger ist. Das stimmt auch, doch dieser Nachteil wiegt offenbar nicht den Vorteil auf, nicht Dübeln zu müssen. Zumal viele Handwerker das kompakte Format durchaus schätzen. Man benötigt zwar mehr Lamellen, um die Fassade voll zu bekommen, aber dafür sind Handling und Transport einfacher.

Wie entstehen Lamellen?

In der Produktion werden relativ dünne Lamellen-Scheiben vom Steinwolle-Endlosstrang abgeschnitten. Foto: Knauf Insulation

In der Produktion werden relativ dünne Lamellen-Scheiben vom Steinwolle-Endlosstrang abgeschnitten. Foto: Knauf Insulation

Der Dämmstoff Steinwolle wird aus Steinen beziehungsweise Mineralien wie Basalt, Dolomit, Kalkstein und Feldspat hergestellt. Diese Rohstoffe schmilzt man bei sehr hohen Temperaturen, und die Schmelze wird anschließend zu Fasern verarbeitet. Durch Hinzufügung eines Bindemittels und das Zusammenpressen mehrerer Faserlagen entsteht ein vliesartiger Steinwolle-Strang.

Je mehr Faserlagen man hinzufügt, umso dicker werden am Ende die Dämmstoffe. Nachdem der Endlosstrang zur Aushärtung einen speziellen Ofen durchlaufen hat, lassen sich davon schließlich Steinwolle-Produkte in der gewünschten Länge abschneiden. So funktioniert im Groben die Herstellung aller Steinwolle-Dämmstoffe – sowohl die der „normalen“ Platten als auch die der Lamellen. In beiden Fällen werden die Faserlagen in der Produktion parallel zum Förderband zusammengepresst.

Doch wie kommt es dann zur senkrechten Faserrichtung der Lamellenprodukte? Das erklärt Michael Leibold – Produktsegmentmanager beim Dämmstoffhersteller Knauf Insulation – in einem Beitrag auf der Website seines Unternehmens. Demnach erhält man Lamellen, indem man nur relativ dünne „Scheiben“ vom Vliesstrang abschneidet. Im WDVS werden diese später so verklebt, dass der Querschnitt des Vliesstrangs als Klebefläche auf der Fassade aufliegt. So ergibt sich die senkrechte Faserrichtung.

Diese Produktionsweise der Lamellen bedingt zugleich, dass ihre Höhe begrenzt ist – nämlich durch die Höhe des Härteofens. Bei herkömmlichen Platten schneidet man dagegen relativ große Stücke vom Strang ab. Deren spätere Klebefläche liegt während der Herstellung parallel zum Förderband.

Eigenschaften von Steinwolle-Lamellen

Lamellen muss man in vielen Fällen nur verkleben, nicht dübeln. Foto: Knauf Insulation

Lamellen muss man in vielen Fällen nur verkleben, nicht dübeln. Foto: Knauf Insulation

Wie oben bereits erwähnt, führt die senkrechte Faserausrichtung der Lamellen dazu, dass diese abreißfester sind. Deshalb lassen sie sich in vielen Fällen auch ohne Dübel verarbeiten. Das Material ist außerdem druckfester als Dämmplatten mit paralleler Faserausrichtung, bietet zugleich aber denselben hohen Brandschutz (Baustoffklasse A1: „nicht brennbar“, nicht glimmend) und ist ebenfalls wasserabweisend sowie zugleich diffusionsoffen, also durchlässig für Wasserdampf.

Auf der anderen Seite dämmen Steinwolle-Lamellen schlechter. Während herkömmliche Steinwolle für die Fassadendämmung in der Regel eine Wärmeleitfähigkeit von etwa 0,035 W/mK aufweist, liegen die Lamellen üblicherweise bei 0,041 W/mK. In der Welt der Wärmedämmung ist das ein recht großer Unterschied. Der Grund für die bessere Wärmedämmung der Produkte mit paralleler Faserausrichtung liegt darin, dass bei ihnen die Luft zwischen den Faserlagen besser eingeschlossen wird.

Sehr verbreitet ist es im Übrigen, dass Hersteller ihre Lamellen werkseitig ein- oder mehrseitig mit einer mineralischen Beschichtung versehen. Das soll die Haftung zwischen Dämmstoff und Klebemörtel beziehungsweise Fassadenputz verbessern.

Einsatz in Brandriegeln

Seit 2016 gelten für WDVS mit Dämmplatten aus EPS verschärfte Brandschutzregeln. Bei Gebäuden mit mehr als zwei Geschossen sind seitdem zusätzliche Brandriegel aus nicht brennbaren Dämmstoffen in die EPS-Dämmung zu integrieren. Als die Neuregelung im Januar 2016 in Kraft trat, gab es zunächst die Vorschrift, dass es sich bei Mineralwolle-Brandriegeln um die besonders abreißfesten Lamellen handeln muss.

Doch bereits ein halbes Jahr später hat das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) dann auch normale Mineralwolle-Platten als Brandriegel für WDVS mit EPS-Dämmstoffen zugelassen. Zuvor hatten zwei Großbrandversuche an der MFPA Leipzig nachgewiesen, dass auch die Platten mit paralleler Faserrichtung in Verbindung mit dem WDVS-Putz ein ausreichendes Tragverhalten aufweisen.

Seitdem sind Lamellen als Brandriegel zwar nicht verboten, aber kaum noch gebräuchlich. Warum? Weil sie eine deutlich schlechtere Wärmedämmung als das benachbarte EPS bieten. Wie der Experte Michael Leibold von Knauf Insulation in seinem Beitrag erläutert, sind Platten mit waagerechter Faser Voraussetzung dafür, um auf einen mit EPS vergleichbaren Wärmedämmwert zu kommen, damit das gesamte Fassadensystem einen einheitlichen Wärmedurchgangswiderstand hat. Nur so ließen sich Abzeichnungen des Brandriegels durch Algenbildung effektiv verhindern.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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