RM Rudolf Müller
Die Rohre des Systems „Uponor Klett“ eignen sich ausdrücklich zum Heizen und Kühlen.  Foto: Uponor

Die Rohre des Systems „Uponor Klett“ eignen sich ausdrücklich zum Heizen und Kühlen.  Foto: Uponor

Energetisches Bauen
13. Oktober 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Kühlung per Heizung

Durch den Klimawandel nehmen heiße Sommertage zu. Büros und Wohnungen heizen sich dann auf, die Nächte bringen kaum Abkühlung. Auch für Deutschland ist daher zu befürchten, dass künftig im Gebäudebereich vermehrt energieintensive Klimaanlagen installiert werden. Eine Analyse des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik zeigt, dass es auch kostengünstiger und umweltfreundlicher geht: indem man bereits installierte Wärmepumpen-Heizungen einfach auch zum Kühlen verwendet.

Nach Angaben der Internationalen Energie Agentur wurden im Jahr 2016 weltweit rund 2.000 Terrawattstunden Strom für die Kühlung von Wohn- und Geschäftsgebäuden verbraucht. Das sind schätzungsweise 10 % des gesamten Stromverbrauchs der Welt! Dieser enorme Energieverbrauch droht leider in Zukunft noch weiter deutlich zu steigen. In Deutschland rechnen Experten in den nächsten 20 Jahren mit einer Verdoppelung des Kühlenergieverbrauchs im Wohngebäudebereich. Bei Nichtwohngebäuden ist laut Umweltbundesamt ein Anstieg von 25 % zu erwarten.

Pragmatische Lösung für heiße Wochen

Nun verbrauchen Klimaanlagen nicht nur viel Strom und sind teuer in Anschaffung und Montage. Hinzu kommt, dass sie in unseren Breitengraden – trotz Klimawandel – sicher auch auf längere Sicht nur für kurze Zeit im Jahr überhaupt gebraucht werden. Lässt sich die sommerliche Überhitzung von Büros und Wohnungen nicht auch einfacher, kostengünstiger und umweltfreundlicher vermeiden? Diese Frage hat sich das Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) gestellt.

Die Forschenden untersuchten, wie gut man bei einem bereits installierten Heizsystem mit Wärmepumpe diese auch im Umkehrbetrieb laufen lassen und damit zum Kühlen einsetzen könnte. Dieses Prinzip könnte eine kostengünstige Alternative sein zur Neuinstallation von Kühlsystemen, die nur selten gebraucht werden. „Unser Ziel war es, pragmatische Lösungen für ein paar heiße Wochen im Jahr zu erarbeiten, die vom Aufwand nicht viel größer sein sollten als die Installation eines lauten und wenig energieeffizienten Monoblock-Kühlgerätes mit dem berühmten Schlauch, der aus dem Fenster hängt“, präzisiert Prof. Dr.-Ing. Hartwig Künzel, Abteilungsleiter Hygrothermik beim Fraunhofer IBP.

Zur Erläuterung: Monoblock-Geräte sind relativ einfache Kühlsysteme für das kleine Budget, die oft als nachträgliche Lösung zur Kühlung in Bestandsgebäuden verwendet werden. Sie ziehen die warme Raumluft an und leiten sie über einen Abluftschlauch nach draußen – entweder über einen Durchbruch in der Wand oder einfach durchs Fenster. Solche Geräte verbrauchen viel Strom, sind relativ laut, erzeugen Zugluft und müssen richtig gewartet werden, um hygienische Probleme zu vermeiden. In ihnen fällt permanent Kondenswasser an, dass von den Nutzern regelmäßig zu entleeren ist.

Potenzialanalyse mit zwei Heizsystemen

Erste Tests wurden in einem Testraum mit Radiator-Heizkörper durchgeführt. Foto: Fraunhofer IBP

Erste Tests wurden in einem Testraum mit Radiator-Heizkörper durchgeführt. Foto: Fraunhofer IBP

„Wenn man in Bestandsgebäuden eine vorhandene Wärmepumpe – also den Wärmeerzeuger – im reversiblen Betrieb zum Kühlen einsetzen könnte, ließe sich für die Kühlung das gleiche System verwenden, das bereits zum Heizen installiert ist“, beschreibt Sabine Giglmeier, Wissenschaftlerin am Fraunhofer IBP, die Grundüberlegung ihres Instituts. Für eine Einschätzung, inwiefern sich mit dieser Technologie sommerliche Überhitzung vermeiden lässt, haben die Ingenieurin und ihr Team eine Potenzialanalyse mit zwei Heizsystemen durchgeführt: Untersucht wurde, ob herkömmliche Wärmeverteiler im Gebäude – nämlich normale Heizkörper und Fußboden-Flächenheizungen – Monoblock-Kühlgeräte ersetzen können.

Erste Tests, ob sich Wärmepumpen in Kombination mit Heizkörpern oder Fußbodenheizungen als System zur Kühlung eignen, führten die Forschenden zunächst unter Laborbedingungen in einer Klimakammer durch. Anschließend erfolgten Berechnungen mit „digitalen Zwillingen“ der Heizsysteme unter Zuhilfenahme der Gebäudesimulationssoftware WUFI Plus. „Mit den digitalen Zwillingen können wir die Realität valide abbilden und den Effekt des Gesamtsystems für unterschiedlichste Anwendungsszenarien berechnen“, erläutert Sabine Giglmeier.

Mit der Simulationssoftware lassen sich Wärme und Feuchte gekoppelt berechnen – für beliebige Gebäudetypen und mit variablen Parametern für Raum- und Fensterarten, Heizkörpermaße und Außentemperaturen. Außerdem kann man weitere Parameter untersuchen wie etwa den Energiebedarf oder den Komfort. Nach Angaben des Fraunhofer IBP erlaubt die Software eine umfassende Bewertung von Heiz- und Kühlsystemen.

Ergebnisse

Ein Ergebnis der Untersuchungen: Sowohl Fußbodenheizungen als auch normale Heizkörper haben grundsätzlich das Potenzial, die Raumlufttemperatur im Sommer signifikant zu reduzieren und einen angenehmen Kühleffekt zu erzeugen. Das gilt zumindest für Räume mit einer Standardgröße von 16 m2 und Fenstergrößen bis zu 3 m2, in denen sich zwei Personen beziehungsweise Beschäftigte (bei Büros) aufhalten. Das Fraunhofer IBP muss allerdings noch prüfen, inwieweit solche Lösungen die Behaglichkeit des Nutzers beeinflussen, etwa durch zu kalte Fußböden, beziehungsweise ob sich Temperaturwechsel auf Fußbodenbeläge und andere Materialien im Raum auswirken.

Um Feuchteschäden zu vermeiden, ist es jedoch notwendig, die Vorlauftemperatur des Heizsystems an den Taupunkt der Raumluft anzupassen. Sabine Giglmeier: „Die Taupunkttemperatur ist ein kritisches Maß, das wir bei unseren Berechnungen beachten müssen. Denn Feuchtigkeit schlägt sich an der Oberfläche nieder, wenn diese kälter ist als die Taupunkttemperatur der Luft. Wichtig ist es daher, taupunktgeführt zu kühlen. Sprich: Wenn die Taupunkttemperatur bei 13 °C liegt, leiten wir kein Wasser durch die Heizung, das kälter ist, da das Wasser aus der Luft am Heizkörper und an den Zuleitungen kondensiert und sich Feuchte bilden kann.“

Fußbodenheizungen bieten mehr Kühlfläche

Die Analyse des Fraunhofer IBP ergab aber auch, dass die über normale Metallheizkörper abgegebene Kühlleistung nur bei einem moderaten Anteil an Fensterflächen ausreichend ist. Bei hohem Fensterflächenanteil hingegen ist eine größere Kühlfläche nötig. „Diese Fläche kann über Fußbodenheizungen bereitgestellt werden, die nochmal deutlich höhere Kühleffekte erzielen, wie unsere Tests ergaben“, resümiert Giglmeier.

Die Leistungsfähigkeit von normalen Heizkörpern als Kühlfläche wird zudem durch das Tauwasserproblem eingeschränkt. „Die Kühlleistung normaler Heizkörper ist sehr gering, außer sie werden mit Temperaturen betrieben, die deutlich unter der Raumlufttemperatur liegen“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Hartwig Künzel. „Dabei kann es jedoch zur Tauwasserbildung auf den Heizkörpern kommen, das mit dem Anbringen eines flachen Behälters unterhalb des Heizkörpers aufgefangen werden muss.“


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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