RM Rudolf Müller
Das Forscherteam hat einen Protoyp textiler Solarzellen hergestellt.  Fotos: Fraunhofer IKTS

Das Forscherteam hat einen Protoyp textiler Solarzellen hergestellt.  Fotos: Fraunhofer IKTS

Energetisches Bauen
10. Oktober 2019 | Artikel teilen Artikel teilen

Photovoltaik: Textile Solarzellen

Am Dresdner Fraunhofer IKTS entwickeln die Forscherinnen und Forscher Photovoltaik-Module mit textilem Trägermaterial. Die alternativen Stromerzeuger könnten zum Beispiel als Lkw-Planen im Straßenverkehr, aber auch für Textilfassaden an Gebäuden zur Anwendung kommen. Einen ersten Prototyp hat das Forscherteam bereits hergestellt. Marktreife Solartextilien werden in etwa fünf Jahren erwartet.

Klassische Photovoltaik-Module fürs Eigenheimdach sind vergleichsweise schwere, plattenförmige Elemente mit steifer Struktur. Schon seit Längerem gibt es aber auch flexible Dünnschichtmodule, bei denen die photovoltaisch wirksamen Schichten auf einem biegsamen Trägermaterial – zum Beispiel eine Kunststofffolie – aufgebracht sind. Diese Produkte sind in der Regel günstiger zu fertigen als die klassischen Module auf Siliziumbasis, sie haben bisher allerdings auch deutlich geringere Wirkungsgrade.

Ergänzung zu klassischen Modulen

Zu den Dünnschichtmodulen zählen auch die biegsamen Solarzellen, an denen das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) aktuell arbeitet – in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme (ENAS), dem Sächsischen Textilforschungsinstitut sowie den Herstellerfirmen Erfal (Sonnen- und Insektenschutzsysteme), Pongs (technische und dekorative Textilien), Rauschert (u. a. Kunststoff-Formteile) und Gilles (u. a. Lkw-Planen). Das Besondere: Als Trägermaterial der neuartigen Photovoltaik-Module kommen Textilien zum Einsatz – genauer gesagt Glasfasergewebe.

Den ersten Prototyp hat das Forscherteam bereits hergestellt. „Wir konnten zeigen, dass unsere textile Solarzelle an sich funktioniert“, sagt Dr. Lars Rebenklau, Gruppenleiter für Systemintegration und AVT (Aufbau- und Verbindungstechnik) am Fraunhofer IKTS. Der Wirkungsgrad des Prototyps liegt bisher aber nur bei 0,1 bis 0,3 %. In einem Nachfolgeprojekt arbeiten Rebenklau und seine Kollegen nun daran, die Effizienz auf über 5 % zu steigern – denn ab diesem Wert rechnet sich die textile Solarzelle. Zwar erreichen herkömmliche, starre Siliziumzellen mit 10 bis 20 % deutlich höhere Effizienzwerte. Doch die neuartige Zelle soll gar nicht mit den herkömmlichen konkurrieren, sondern diese in anderen Anwendungsbereichen sinnvoll ergänzen.

Von der Lkw-Plane bis zur Fassade

Die textilen Solarzellen will man künftig zur Stromerzeugung auf Flächen nutzen, die dazu bisher nur bedingt taugten – beispielsweise auf Lkw-Planen. So könnten die Nutzfahrzeuge energieautarker werden. Die Dünnschichtmodule auf der Plane könnten im Sommer Strom für die Klimaanlage und die Fahrzeugortung liefern, wenn der Lkw längere Zeit auf einem Rastplatz steht.

Die textilen Solarzellen könnten aber auch großflächig an Gebäudefassaden zum Einsatz kommen. Man würde die Fassade dann nicht mehr verputzen, sondern mit stromerzeugenden Abspanntextilien verkleiden. Bei Glasfassaden könnten diese Textilien zugleich die Funktion von Sonnenschutz-Rollos übernehmen.

Die Idee textiler Solarzellen passt gut zum aktuellen Zeitgeist. Auch andere Wissenschaftler in Deutschland forschen aktuell auf dem Gebiet textiler Gebäudehüllen. Dabei entstehen vielerorts innovative Lösungen, die mehr bieten als nur Sonnen- und Temperaturschutz. So hat zum Beispiel das Institut für Textiltechnik an der RWTH Aachen ebenfalls eine Textilfassade mit photokatalytischer Beschichtung entwickelt, die darüber hinaus noch in der Lage ist, Schadstoffe aus der Umgebungsluft zu filtern („Anti-Smog-Fassade“). Auch an einer CO2-speichernden Textilfassade arbeiten die Aachener bereits.

Beschichtungsverfahren

Beschichtungsanlage am Fraunhofer IKTS: Diese Maschine bringt die verschiedenen Solarzell-Schichten auf das Gewebe auf.

Beschichtungsanlage am Fraunhofer IKTS: Diese Maschine bringt die verschiedenen Solarzell-Schichten auf das Gewebe auf.

Doch zurück zum Projekt des Fraunhofer IKTS. Dort hat man sich intensive Gedanken über das Beschichtungsverfahren gemacht, mit dem die Solarzellen direkt auf technische Textilien aufgebracht werden. Die Textilien müssen während der Beschichtung Temperaturen von etwa 200 °C überstehen und anschließend den geltenden Brandschutzvorschriften für Fassaden genügen. Außerdem sollten sie natürlich stabil und langlebig sein und möglichst auch nicht allzu viel kosten. „Wir haben uns im Konsortium daher für ein Glasfasergewebe entschieden, das all diese Anforderungen erfüllt“, erläutert Dr. Rebenklau.

Eine Herausforderung war das Aufbringen der verschiedenen Solarzellschichten (Grundelektrode, photovoltaisch wirksame Schicht und Deckelektrode) auf das Gewebe. Denn verglichen mit den nur 1–10 Mikrometer dünnen Schichten gleicht die Oberfläche eines Textils einem riesigen Gebirge. Die Forscher griffen daher zu einem Trick: Sie brachten zunächst eine Einebnungsschicht auf das Textil auf, die Berge und Täler ausgleicht. Dazu nutzten sie den Transferdruck – ein Standardverfahren der Textilbranche, das man auch zum Gummieren verwendet.

Schnelle Markteinführung geplant

Auch alle weiteren Produktionsprozesse haben die Forschenden von Anfang an so gestaltet, dass sie sich einfach in bestehende Fertigungslinien der Textilindustrie einfügen lassen. So werden die Elektroden, die übrigens aus elektrisch leitfähigem Kunststoff bestehen, ebenso wie die photovoltaisch wirksame Schicht über das gängige Rolle-zu-Rolle-Verfahren aufgebracht.

Um die Solarzellen robuster zu machen, werden sie zudem mit einer Schutzschicht laminiert. Die Lebensdauer der Zellen soll in den kommenden Monaten aber noch weiter verbessert werden. Wenn alles funktioniert wie erhofft, könnte die textile Solarzelle in etwa fünf Jahren auf den Markt kommen – hofft das Fraunhofer IKTS.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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