RM Rudolf Müller
Die Beratungsangebote wurden von den Eigentümergemeinschaften gerne angenommen.  Foto: co2online/Lars Tepel

Die Beratungsangebote wurden von den Eigentümergemeinschaften gerne angenommen.  Foto: co2online/Lars Tepel

Baurecht
15. Februar 2023 | Artikel teilen Artikel teilen

Sanierungen bei Eigentümergemeinschaften

Jahr für Jahr wird hierzulande nur etwa 1 % des Altbaubestandes modernisiert. Das ist zwar besser als nichts, aber damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann, müsste die Sanierungsquote mindestens doppelt, besser dreimal so hoch sein. Eine besonders niedrige Sanierungsbereitschaft ist bei Gebäuden zu beobachten, die im Besitz von Wohnungseigentümergemeinschaften sind. Das Projekt „WEG der Zukunft“ versucht hier mit Informations- und Beratungsangeboten gegenzusteuern.

In hiesigen Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) beträgt die durchschnittliche jährliche Sanierungsquote derzeit nur kümmerliche 0,7 %. Ein zu vernachlässigendes Problem ist das nicht, denn immerhin 22 % aller Wohnungen in Deutschland gehören zu einer WEG. Das entspricht knapp 9 Mio. Eigentumswohnungen. Praktisch jede Person, die zwar kein ganzes Haus, aber immerhin eine Wohnung als Eigentum kauft, wird dadurch automatisch Teil einer Eigentümergemeinschaft.

Modernisierungsstau in WEG

Über Sanierungskosten wird in WEG oft lange gestritten. Grafik: www.wegderzukunft.de

Über Sanierungskosten wird in WEG oft lange gestritten. Grafik: www.wegderzukunft.de

Für ihre eigene Wohnung fühlen sich die Teileigentümer der Immobilie in der Regel verantwortlich. Wenn es dagegen um Investitionen in das Gemeinschaftseigentum geht – und dazu gehören eben auch energetische Sanierungen an Dach und Fassade – wird es nicht selten schwierig. Häufig divergieren die Interessen der vielen Eigentümerinnen und Eigentümer, was die Entscheidungsfindung quälend langwierig machen kann. Oder es passiert am Ende gar nichts, weil man sich nicht einigen kann. Nicht selten fehlen auch finanzielle Rücklagen.

Da energetische Sanierungen letztlich immer gemeinsam beschlossen und getragen werden müssen, verwundert es nicht, dass der Modernisierungsstau in Eigentümergemeinschaften oft noch größer ist als anderswo. Aus Klimaschutzsicht wäre eine Auflösung dieses Staus allerdings wichtig. Im Gebäudesektor muss dringend mehr Energie eingespart werden, wenn Deutschland seine Klimaziele tatsächlich erreichen möchte. Das geht nicht ohne mehr Gebäudesanierungen.

Nach Angaben des Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE) müsste die hiesige Sanierungsquote auf jährlich 2 % steigen, damit die notwendigen Energieeinsparungen im Gebäudesektor überhaupt realistisch sind. Bei den Wohnungseigentümergemeinschaften fehlen dazu also noch 1,3 Prozentpunkte. Sie verfügen auch besonders häufig über Gebäude, die energetisch noch nie modernisiert wurden. Laut Fraunhofer ISE weisen lediglich 17 % der Altbauten in WEG- Besitz eine Außenwanddämmung auf. Im nationalen Durchschnitt aller Gebäude sind es dagegen etwa 33 % (Stand: 2018).

Modellprojekt „WEG der Zukunft“

Ließe sich an der unterdurchschnittlichen Sanierungsquote in WEG durch unabhängige Beratungsangebote etwa ändern? Im Land Bremen, in der Region Hannover und Metropolregion Rhein-Neckar sowie in Freiburg hat man das im Rahmen des Modellprojekts „WEG der Zukunft“ erprobt, das von April 2019 bis Ende Juni 2022 lief. Ziel war es, die anspruchsvolle, aber für den Klimaschutz wesentliche Zielgruppe der Eigentümergemeinschaften zur Umsetzung von Modernisierungsmaßnahmen zu motivieren. Dies geschah mithilfe eines umfangreichen Unterstützungsangebotes, das unter anderem Gebäude-Checks, Informationsveranstaltungen und Schulungen umfasste.

Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte Kampagne wurde in den teilnehmenden Regionen von verschiedenen Projektteams umgesetzt. Im Einzelnen waren das die Bremer Klimaschutzagentur Energiekonsens, die Klimaschutzagentur Region Hannover, die MRN GmbH und die Energieagentur Regio Freiburg. Für die bundesweite Pressearbeit zeichnete die gemeinnützige Beratungsgesellschaft co2online aus Berlin verantwortlich.

Für die Beratung von Wohnungseigentümergemeinschaften standen den örtlichen Akteuren zahlreiche Informationsmaterialien (Flyer, Infografiken, Videos), Studien, Leitfäden und sonstige Arbeitshilfen zur Verfügung. Die komplette „Toolbox“ ist öffentlich zugänglich und steht hier zum kostenlosen Download bereit.

Beratung angenommen – Sanierung vertagt

Modernisierung kostet, hilft aber langfristig Energiekosten einzusparen. Foto: www.co2online.de

Modernisierung kostet, hilft aber langfristig Energiekosten einzusparen. Foto: www.co2online.de

Das bis Mitte 2022 durchgeführte Projekt „WEG der Zukunft“ wurde anschließend vom Fraunhofer ISE evaluiert. Dabei ergab sich ein zwiespältiges Bild: Einerseits wurden die Informations- und Beratungsangebote von vielen Eigentümergemeinschaften umfassend genutzt und dabei durchweg mit positiver Resonanz angenommen. Obwohl das Projekt im Wesentlichen noch vor der aktuellen Energiekrise stattfand, war das Interesse vielerorts größer als vorab erwartet.

Trotzdem hatte sich Mitte Dezember 2022 nur rund ein Viertel der beratenen WEG für eine Sanierung entschieden. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass eine Entscheidung noch ausstünde. Das scheint einmal mehr die langwierigen Entscheidungswege in den Gemeinschaften zu untermauern. Vielleicht ist die positive Sanierungsentscheidung von rund einem Viertel der WEG aber auch gar kein so schlechter Wert. Die Evaluation ergab, dass durch die angestoßenen Maßnahmen – bei konservativer Schätzung – vermutlich bereits rund 275.000 Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden konnten.

Mit einigen WEG führte das Fraunhofer ISE nach dem Ende des Projekts Fokusgespräche. Dabei zeigte sich unter anderem, welches die wesentlichen Treiber für die Teilnahme an der Sanierungsberatung waren: Das Interesse an unabhängiger Beratung, die tatsächliche Notwendigkeit von Instandhaltungsmaßnahmen sowie der Wunsch, Heizenergie und Energiekosten einzusparen, wurden in diesem Zusammenhang besonders häufig genannt.

Unterm Strich positives Fazit

Und warum dauern die Entscheidungsprozesse vielerorts trotz Beratung so lange? Eine Rolle spielt hier offenbar das geringe Sanierungsinteresse vermietender oder älterer Eigentümerinnen und Eigentümer. Aber auch von WEG-Mitgliedern, die den Dialog komplett verweigern, solange Sanierungen nicht zu deutlich kostensenkenden Effekten bei der eigenen Wohnung führen, war in den Fokusgesprächen zu hören. Obwohl die Gespräche nicht als repräsentativ einzustufen sind, zeigen die Aussagen der Befragten, dass eine gute Beratung allein nicht automatisch zu umfangreichen Sanierungsbeschlüssen führt.

Trotz alledem ergab die Evaluation unterm Strich ein positives Fazit. „Obwohl die Entscheidungswege nach wie vor langwierig sind, haben der Beratungsansatz und die im Projekt entwickelten Formate den Entscheidungsprozess vorangebracht und darüber hinaus zu einer höheren Energieeffizienz der Modernisierungsmaßnahmen beigetragen als ursprünglich geplant“, sagt Sebastian Gölz, Teamleiter Nutzerverhalten und Feldtests beim Fraunhofer ISE.

Auch die Projektteams in den Regionen sind für eine Verstetigung ihrer Angebote. „Wohnungseigentümergemeinschaften brauchen eine besondere Unterstützung, wenn Sanierungen rascher und umfassender durchgeführt werden sollen“, sagt etwa Anne Hillenbach von der Energieagentur Freiburg. Wie die anderen Beteiligten hofft sie daher auf Folgeprojekte, die in Wohnungseigentümergemeinschaften den oft so wichtigen ersten Impuls für die Sanierungsplanung auslösen können.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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