RM Rudolf Müller
Halbschale eines UHPC-Bauteils: Die Kanalstruktur wird im Membran-Vakuumtiefziehverfahren hergestellt. Foto: Fraunhofer ISE

Halbschale eines UHPC-Bauteils: Die Kanalstruktur wird im Membran-Vakuumtiefziehverfahren hergestellt. Foto: Fraunhofer ISE

Energetisches Bauen
23. März 2017 | Artikel teilen Artikel teilen

Aus der Forschung: Solarkollektoren aus Beton

Im Rahmen des Projekts „TABSOLAR“ erforscht das Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme die Herstellung von Solarkollektoren aus Ultrahochleistungsbeton, die sich direkt in Gebäudefassaden integrieren lassen. Die Hintergründe der Forschungsinitiative erläutert der folgende Beitrag.

Die Silbe „TAB“ im Projektnamen steht für „thermoaktive Bauteilsysteme“. Das ist der technische Oberbegriff für wasserdurchströmte Bauteile, wie man sie schon seit Längerem aus der Bauteilaktivierung kennt. Bei der herkömmlichen Bauteilaktivierung integriert man Rohre in Wände, Decken oder Böden. Diese werden mit kühlem oder warmem Wasser gefüllt, sodass wahlweise eine Flächenkühlung oder Flächenheizung für Innenräume entsteht. Solche thermoaktiven Bauteilsysteme basieren auch bisher schon häufig auf dem Baustoff Beton. Es gibt aber auch alternative Systeme, bei denen zum Beispiel mit Kalksandstein-Plansteinen oder speziellen Ziegelschalen gearbeitet wird.

Was ist neu an TABSOLAR?

Auch beim Projekt TABSOLAR, das vom Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme (ISE) seit 2012 in Zusammenarbeit mit Industriepartnern durchgeführt wird, geht es um thermoaktive Bauteilsysteme. Neu ist, dass die Bauteile aus Ultrahochleistungsbeton hergestellt werden – abgekürzt UHPC (Ultra High Performance Concrete). Neu ist ferner, dass die Forscher versuchen, wasserdurchströmte Bauteile zu entwickeln, in die man gar keine Extra-Rohre mehr verlegen muss. Stattdessen soll die Wärmeträger-Flüssigkeit direkt durch das filigrane Kanalsystem fließen, das zuvor in die Bauteile eingearbeitet wurde. Mit Normalbeton wäre so etwa nicht möglich. Deshalb greift man auf extrem festen und dichten UHPC zurück.

Die vielleicht größte Neuheit ist schließlich, dass die bei TABSOLAR erforschten thermoaktiven Bauteile nicht nur als Flächenkühlungen/-heizungen für Innenräume einsetzbar sein sollen, sondern es vor allem um eine ganz andere Anwendungsmöglichkeit im Bereich der Außenfassade geht: Solarthermie-Module aus UHPC.

Aufbau der Beton-Solarkollektoren

Natur als Vorbild: Das verzweigte Kanalsystem erinnert an Pflanzenblätter. Foto: G.tecz Engineering

Natur als Vorbild: Das verzweigte Kanalsystem erinnert an Pflanzenblätter. Foto: G.tecz Engineering

Klassische Solarthermie-Module verfügen in der Regel über dunkle Metallbleche, die als Wärmeabsorber zum Einsatz kommen und von kleinen Röhren durchzogen sind, durch die eine Wärmeträger-Flüssigkeit fließt. Bei TABSOLAR werden dagegen neuartige Solarabsorber erforscht, die aus dünnen, weniger als 1 cm starken Betonplatten bestehen. Mit ihrer eigens entwickelten UHPC-Rezeptur ist es den Forschern bereits gelungen, sehr filigrane, materialsparende und gleichzeitig ultrahochfeste Betonfertigbauteile zu gießen.

Auch das spezielle Design des Kanalsystems in den Beton-Kollektoren hat das Fraunhofer ISE selbst entwickelt. Es zeichnet sich durch eine verzweigte Struktur aus, wie man sie auch aus der Natur kennt – zum Bespiel bei Blutbahnen oder in Blättern. Und wie schafft man es nun, ein solches Kanalnetzwerk in den ultrahochfesten Beton zu integrieren? Dafür wendet das Fraunhofer ISE sein ebenfalls selbst entwickeltes Membran-Vakuumtiefziehverfahren an. Wie das funktioniert, kann man sich hier anschauen.

Vorteile der Technik

Was spricht überhaupt dafür, klassische Metallabsorber durch Solarkollektor-Bauteile aus UHPC zu ersetzen? Ein Hauptargument ist, dass sich dadurch die Einsatzmöglichkeiten von Solarthermie an Gebäudefassaden vergrößern lassen. Herkömmliche Module befestigt man meist auf der Dacheindeckung. Viele Menschen empfinden sie dort als Fremdkörper, die das Erscheinungsbild der Gebäude verschandeln. Wenn es nun gelänge, die Solarthermie „unsichtbar“ in die Hausfassade zu integrieren, wäre das aus ästhetischer Sicht ein Vorteil.

Hinzu kommt das eher praktische Argument, dass auf dem Dach mehr Platz für Photovoltaik-Module entsteht, wenn man mit der Solarthermie auf die Fassade ausweichen kann. Außerdem eröffnen sich wirtschaftliche Vorteile. Die Fraunhofer-Forscher gehen nämlich davon aus, dass sich Kollektor-Bauteile aus UHPC künftig vergleichsweise ressourcen- und kosteneffizient herstellen und in die Fassade integrieren lassen.

Drei Kollektorvarianten geplant

Drei Varianten geplant: Muster der TABSOLAR-Produktfamilien „Premium“, „Economy“ und „Design“ (v.l.n.r.) wurden auf der BAU 2017 präsentiert. Foto: Fraunhofer ISE

Drei Varianten geplant: Muster der TABSOLAR-Produktfamilien „Premium“, „Economy“ und „Design“ (v.l.n.r.) wurden auf der BAU 2017 präsentiert. Foto: Fraunhofer ISE

Das Fraunhofer ISE arbeitet bereits daran, praxistaugliche UHPC-Kollektoren in verschiedenen Ausführungen zu entwickeln. Geplant sind derzeit drei Varianten. Die Ausführung „TABSOLAR Premium“ soll mit einer spektralselektiven Beschichtung sowie Antireflexglas versehen werden und hinsichtlich Effizienz mit marktgängigen Solarkollektoren vergleichbar sein. Spektralselektive Beschichtungen sind bei herkömmlichen Metallabsorbern Stand der Technik. Sie tragen einerseits dazu bei, dass der Kollektor mehr Solarstrahlung absorbieren kann und verringern andererseits unerwünschte Wärmeverluste durch Infrarotstrahlung.

Die zweite Variante bezeichnen die Forscher als „TABSOLAR Economy“. Sie steht für lackierte oder durchgefärbte UHPC-Kollektoren, die auf der Fassadenseite lediglich verglast werden. Ein solches Solarkollektor-Modul würde etwas geringere Wärmeenergie-Erträge liefern als die klassische Solarthermie. Das liegt insbesondere daran, dass auf die spektralselektive Schicht verzichtet wird. Dafür setzt das Fraunhofer ISE bei dieser Variante auf beschichtete Gläser mit niedriger Wärmeabstrahlung (Low-Emissivity-Glas).

Schließlich ist noch die Produktvariante „TABSOLAR Design“ geplant. Wie der Name schon andeutet, liegt der Fokus hier mehr auf dem Design und weniger auf der Leistung. Die Kollektoren sind unverglast, können dafür aber mit verschiedensten Strukturen und Farben versehen werden. Das eröffnet vielfältige architektonische Gestaltungsmöglichkeiten. Während die beiden ersten Kollektorvarianten wie herkömmliche Solarthermie-Module zum Beispiel zur Trinkwarmwasserbereitung verwendet werden könnten, ist das mit TABSOLAR Design von vorneherein nicht möglich. Dafür reichen die erzielbaren Temperaturniveaus und Wirkungsgrade nicht aus. Das Produkt soll nur als Niedertemperatur-Wärmequelle konzipiert werden – zum Beispiel für Wärmepumpen.


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Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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