RM Rudolf Müller
Zwischen der Perowskit-Schicht (schwarz) und der Silizium-Schicht (Silicon) liegen funktionale Zwischenschichten. Grafik: Eike Köhnen/HZB

Zwischen der Perowskit-Schicht (schwarz) und der Silizium-Schicht (Silicon) liegen funktionale Zwischenschichten. Grafik: Eike Köhnen/HZB

Energetisches Bauen
03. Februar 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Tandemsolarzellen: Rekord-Wirkungsgrad

Bei der Entwicklung von Photovoltaikmodulen macht das Material Perowskit seit einiger Zeit Furore. In den vergangenen sechs Jahren hat sich der Wirkungsgrad von Perowskit-Solarzellen verfünffacht. Anfang 2020 konnte das Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie einen neuen Weltrekord verkünden. Die von dortigen Forschern entwickelte Tandemsolarzelle aus Silizium und Perowskit erreichte einen Wirkungsgrad von fast 30 %.

Als Photovoltaik (PV) bezeichnet man die Umwandlung von Lichtenergie in elektrischen Strom mithilfe von Solarzellen, die in PV-Modulen eingebaut sind. Der Wirkungsgrad ist ein Maß dafür, wie effektiv die Zellen diese Aufgabe erfüllen. Die neuen Rekordzellen kommen auf einen Wirkungsgrad von 29,15 %. Das ist der höchste Wert, den jemals eine Solarzelle aus Silizium und Perowskit erreicht hat. Bisher lag der Rekord hier bei 28 %.

29,15 % Wirkungsgrad bedeutet, dass 29,15 % der Sonnenenergie, die auf die Module trifft, am Ende tatsächlich in Strom umgewandelt wird. Das ist viel: Herkömmliche Siliziummodule haben nur Wirkungsgrade zwischen 15 und 25 %.

Zwei Halbleiterzellen in einem Modul

PV-Module bestehen im Kern üblicherweise aus Halbleitern. Auch das Material Perowskit gehört zu den Halbleitern. Deren elektrische Leitfähigkeit nimmt bei erhöhten Temperaturen – in der Regel ausgelöst durch Sonneneinstrahlung – kontinuierlich zu. Der am weitesten verbreitete Solarzellen-Halbleiter ist Silizium. Dieses kristalline Element wird aus Quarzsand (Siliziumdioxid) gewonnen.

Auch in der neuen Solarzelle ist Silizium verbaut – aber nicht nur. Sie enthält eine weitere Unterzelle, die aus Perowskit besteht. Dieser Halbleiter verfügt über etwas andere Eigenschaften. Als Tandem erreichen beide Materialien höhere Wirkungsgrade als es mit einer homogenen Zelle aus nur einem Halbleiter möglich ist. Deshalb spricht man von einer Tandemsolarzelle.

Das neue Rekordmodul ist in der Lage, das Sonnenspektrum effizienter zu nutzen. Das ist so, weil die bewährten Silizium-Solarzellen weitgehend nur die unsichtbaren infraroten Anteile des Lichts in elektrische Energie umwandeln, die Perowskit-Verbindungen zugleich aber auch sichtbare Anteile des Sonnenlichts nutzen können – vor allem die blauen Anteile des Spektrums. Eine Tandemsolarzelle aus Silizium und Perowskit schafft dadurch deutlich höhere Wirkungsgrade als jede Einzelzelle für sich genommen.

Produktion im Industriemaßstab möglich

Die neue Tandemsolarzelle wurde im Labormaßstab von einem Quadratzentimer realisiert.  Foto: Eike Köhnen/HZB

Die neue Tandemsolarzelle wurde im Labormaßstab von einem Quadratzentimer realisiert.  Foto: Eike Köhnen/HZB

Der höhere Wert der am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) entwickelten Solarzelle hängt also mit der zusätzlichen Verwendung des Halbleitermaterials Perowskit zusammen. Bei diesem natürlich vorkommenden Mineral handelt es sich chemisch betrachtet um Calcium-Titan-Oxid (CaTiO).

Das neue PV-Modul des HZB ist zwar erst einmal nur eine winzige Versuchszelle von 1 cm2 Größe, die Forscher glauben aber, dass das Funktionsprinzip auch auf große Flächen übertragbar ist. Die benötigten Perowskit-Schichten lassen sich aus lösemittelhaltigen Dünnfilmen herstellen. Mithilfe solcher flüssigen „Tinten“ könne man in Zukunft Perowskit-Schichten kostengünstig auch auf großer Fläche drucken. Ein HZB-Team um Dr. Eva Unger hat hierfür bereits ein geeignetes Druck- und Beschichtungsverfahren entwickelt.

Die neue Tandemsolarzelle ermöglicht nicht nur eine besonders hohe Ausbeute an Solarstrom, sondern arbeitet offenbar auch stabil. Bei entsprechenden Tests zeigte sie auch noch nach 300 Stunden eine stabile Leistung – und das sogar ohne Verkapselung. Hintergrund: Solarzellen werden zum Schutz vor der Witterung oder sonstigen äußeren Einflüssen normalerweise in Glasscheiben oder Folien eingeschlossen. Eine solche Schutz-Verkapselung hatte man beim Langzeittest der Rekordzelle aber noch gar nicht vorgenommen.

Ein Erfolg aus Deutschland

Entwickelt wurde die Rekordzelle von einem HBZ-Team um Prof. Dr. Steve Albrecht und Prof. Dr. Bernd Stannowski. Das HBZ ist eine naturwissenschaftliche Forschungsgesellschaft, die zu 90 % dem Bund und zu 10 % dem Land Berlin gehört. Als Kooperationspartner agierten die Kaunas University of Technology (Litauen), die University of Ljublana (Slowenien), die University of Sheffield (UK), die Universität Potsdam, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), die Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin sowie die Technische Universität Berlin.

„Jeder Partner bringt seine besondere Expertise ein, daher konnten wir gemeinsam diesen Durchbruch erreichen“, meint Steve Albrecht. Der bisher erreichte Wirkungsgrad ist bei dieser Technik übrigens noch nicht das Ende der Fahnenstange. Die Forscher haben die beiden Unterzellen einzeln analysiert und einen maximal möglichen Wirkungsgrad von 32,4 % errechnet, welcher mit exakt diesem Aufbau erreicht werden kann. „Über 30 % können wir sicher erzielen“, sagt Albrecht.

Steve Albrecht, der am HZB eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Nachwuchsgruppe leitet, und Bernd Stannowski vom Berliner HZB-Institut PVcomB haben zusammen bereits mehrfach für neue Rekordwerte von Tandemsolarzellen gesorgt. Ende 2018 stellte ihr Team eine Tandemsolarzelle aus Silizium mit einem Metall-Halogenid-Perowskit vor, die 25,5 % Wirkungsgrad erreicht. Kurz darauf präsentierte die britische Firma Oxford PV eine Silizium/Perowskit-Solarzelle mit 28 % Wirkungsgrad. Seit vergangenem Jahr hat das HZB mit 29,15 % nun wieder die Nase vorn.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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