RM Rudolf Müller
Der Wärmeverbrauch im deutschen Wohnungsbestand ist erschreckend hoch.  Foto: Pixabay

Der Wärmeverbrauch im deutschen Wohnungsbestand ist erschreckend hoch.  Foto: Pixabay

Energetisches Bauen
19. März 2020 | Artikel teilen Artikel teilen

Techem-Studie: Wärmeverbrauch steigt

Bis zum Jahr 2050 will die Bundesregierung in Deutschland einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand realisieren. Dafür müssten die CO2-Emissionen, die durch die Wärmeversorgung von Wohnhäusern anfallen, deutlich sinken. Doch eine aktuelle Verbrauchsstudie des Energiedienstleisters Techem schlägt Alarm: Zumindest in deutschen Mehrfamilienhäusern ist der Endenergieverbrauch in den letzten Jahren witterungsbereinigt sogar wieder gestiegen.

Die jährlich erscheinende Studie „Techem Energiekennwerte“ analysiert regelmäßig den Energieverbrauch für Heizung und Warmwasser in deutschen Mehrfamilienhäusern. Zuletzt erschien sie Ende letzten Jahres. Die „Energiekennwerte 2019“ dokumentieren den Verbrauch bis einschließlich 2018. Für die mittlerweile 20. Auflage der Studie hat Techem anonymisierte Verbrauchsabrechnungen von 39.800 deutschen Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 430.000 Nutzeinheiten analysiert. Der komplette Report steht hier als e-Paper zum kostenlosen Download bereit.

Anstieg seit drei Jahren

Rund 35 % des Endenergieverbrauchs in Deutschland fällt im Gebäudebereich an. Das meiste davon – 85 bis 90 % – für Heizungswärme und Warmwasser. In diesem Bereich sind deutlichere Einsparungen seit Langem überfällig. Umso erschreckender ist es, dass laut Techem-Studie der witterungsbereinigte Verbrauch von Erdgas 2018 um 1,1 % gegenüber dem Vorjahr angestiegen ist. Beim Heizölverbrauch gab es sogar ein Plus von 1,5 %. Lediglich der Verbrauch von Fernwärme ging um 0,3 % zurück.

Und diese jüngsten Analysedaten sind nicht mal eine „Eintagsfliege“. Tatsächlich zeigen die Techem-Auswertungen nämlich, dass der witterungsbereinigte Wärmeverbrauch in Mehrfamilienhäusern bereits das dritte Jahr in Folge zugenommen hat. Fasst man die Zahlen von 2016 bis 2018 zusammen, ergibt sich ein Gesamtanstieg des witterungsbereinigten Erdgasverbrauchs um rund 5,8 %. Beim Heizölverbrauch sind es sogar 8,5 % und bei der Fernwärme 4,9 %.

Ernüchternde Zehn-Jahres-Bilanz

Die aktuelle Studie steht als e-Paper zum kostenlosen Download bereit.

Die aktuelle Studie steht als e-Paper zum kostenlosen Download bereit.

„Höhere witterungsbereinigte Verbräuche als 2018 gab es für Erdgas zuletzt 2011, für Heizöl sogar zuletzt 2009“, sagt Nicolai Kuß. Nach Angaben des Techem-Geschäftsführers war der Wärmeverbrauch in Deutschland bis 2013 noch rückläufig, bevor dann eine zweijährige Stagnation einsetzte. Seit 2016 aber ist der witterungsbereinigte Verbrauch von Erdgas, Erdöl und Fernwärme sogar wieder deutlich gestiegen – trotz aller Appelle zum energetischen Sanieren und trotz der ehrgeizigen politischen Ziele zum Klimaschutz im Gebäudebereich. So erklärt es sich, dass in den zehn Jahren von Ende 2008 bis Ende 2018 der witterungsbereinigte Raumheizwärmeverbrauch im untersuchten Mehrfamilienhausbestand insgesamt um nur 2,7 % gesunken ist.

Übrigens ist 2018 der nicht witterungsbereinigte Endenergieverbrauch für Raumheizwärme gegenüber dem Vorjahr deutlich zurückgegangen, nämlich um –5 % bei Erdgas, –4,6 % bei Heizöl und –6,3 % bei Fernwärme. Der Wärmeverbrauch war 2018 also tatsächlich niedriger. Aber eben nicht, weil die Deutschen effizienter geheizt hätten, sondern einfach nur, weil die Außentemperaturen 2018 insgesamt deutlich höher waren als 2017.

Rechnet man die Schwankungen heraus, die durch wärmere oder kältere Witterung verursacht werden, sind wir in etwa auf dem Verbrauchsniveau von vor acht Jahren“, heißt es im Vorwort der Studie, das von den Techem-Geschäftsführern Dr.-Ing. Carsten Sürig und Nicolai Kuß verfasst wurde. Ihr Gesamturteil könnte kaum niederschmetternder sein: „Acht verlorene Jahre für den Klimaschutz, acht verlorene Jahre für die Generation, die seit Monaten jeden Freitag auf die Straße geht.

Dringender Handlungsbedarf

„Das nationale Ziel eines klimaneutralen Wohngebäudebestandes bis 2050 lässt sich nur mit einer breit angelegten Digitalisierungsoffensive, dem vermehrten Einsatz regenerativer Energien und einer durchgängigen Effizienzsteigerung entlang der gesamten Wärmewertschöpfungskette verwirklichen“, betont Nicolai Kuß. Das hieße unter anderem mehr Wärmedämmung, modernere Heizungssysteme und eine verstärkte Nutzung regenerativer Umweltwärme über Wärmepumpen im Gebäudebereich.

Was die Digitalisierungsoffensive betrifft: In diesem Bereich ist Techem Spezialist. Der „weltweit führende Energiedienstleister für die Immobilienwirtschaft“ und „Marktführer in der Funkfernerfassung von Energieverbrauch“ (O-Töne des Unternehmens) bietet seinen Kunden (und deren Mietern) nach eigenen Angaben „modernste Funktechnik, elektronischen Datenaustausch und digitale Mehrwertdienste“, mit denen sich Energieverbrauch und -kosten senken lassen. Für mehr Energieeffizienz installiert das Unternehmen in den von ihm betreuten Gebäuden zum Beispiel programmierbare digitale Thermostate (Stichwort „Smart Heating“).

Die Bedeutung des Themas Energieeinsparungen unterstreicht auch Carsten Müller, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF), der einen Gastkommentar für die „Energiekennwerte 2019“ geschrieben hat: „Nur wenn es uns gelingt, den Energieverbrauch bis 2050 zu halbieren, kann der Rest sinnvoll weitgehend mit erneuerbaren Energien gedeckt werden“, heißt es darin.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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