
Buntspecht: Sieht hübsch aus, kann aber zum Alptraum für Hausbesitzer werden. Foto: Pixabay
Spechtschäden an WDVS-Fassaden
Spechte klopfen mit ihrem Schnabel an Bäume, um an die Insekten unterhalb der Stammrinde zu gelangen. Das weiß jedes Kind. Dass sich die Vögel auch an Wärmedämm-Verbundsystemen vergehen, hat die Baustoffindustrie dagegen zeitweise als Mythos abgetan – doch es passiert tatsächlich. Spechte zerhacken den WDVS-Putz und verursachen Löcher im dahinterliegenden Dämmstoff. Das geschieht sicher nicht massenhaft, aber auch nicht allzu selten. Man muss nur mal „Spechtschäden“ googeln.
Bei einem Spaziergang in Essen habe ich es kürzlich mit eigenen Augen gesehen. Ich ging gerade an einem weiß verputzten Wohnneubau vorbei, als ich ein Klopfgeräusch hörte und daraufhin meinen Blick nach oben wandte. Fast am höchsten Punkt der WDVS-Fassade sah ich einen kleinen Vogel, der dort am Rande eines etwa tennisballgroßen Loches kauerte und gerade emsig auf den EPS-Dämmstoff einpickte.
Dass es sich bei dem Tier nicht um einen Specht, sondern eher um einen spatzenartigen Vogel handelte (siehe Foto), ändert nichts an der Diagnose „Spechtschaden“. Um die Putzhaut einer Fassadendämmung zu durchstoßen, ist nämlich durchaus ein hartes, scharfkantiges Werkzeug notwendig. So etwas wie der Spechtschnabel eben. Die dadurch verursachten Löcher werden später aber auch gerne von anderen Vögeln als Nistplatz genutzt.
Warum WDVS-Fassaden?

März 2022: Schadensfall in der Essener Margarethenhöhe. Foto: Grimm
Doch auch Spechte brüten mitunter in einem Fassadenloch, das sie selbst ins WDVS geschlagen haben. Ärgerlicherweise belassen sie es häufig nicht bei diesem einen Loch, sondern klopfen rund um die Bruthöhle munter weiter auf die Fassade ein – vermutlich um Weibchen anzulocken. Dass sich die Vögel überhaupt mit Dämmfassaden beschäftigen, könnte allerdings auf einer Verwechslung beruhen. Beobachtungen zeigen, dass vor allem rau verputze Fassaden bevorzugt werden. Möglicherweise halten die Tiere diese Oberflächen für Baumrinde.
Hinzu kommt der hohle Klang, der entsteht, wenn der Schnabel auf den verputzten Dämmstoff trifft. Es hört sich ähnlich an wie morsches Holz, das sich leicht durchstoßen lässt. Das Tier könnte mit dem WDVS also die Illusion leicht zugänglicher Insekten oder Larven verbinden. Vielleicht hat es zuvor Nahrung auf der Fassadenoberfläche gefunden und hofft nun auf weitere Leckerbissen unter der „Rinde“ aus Putz und Armierungsgewebe. Oder der Vogel sucht nach einer geeigneten Bruthöhle, und der hohle Klang des WDVS erinnert ihn an die alten, abgestorbenen Baumstämme, die er normalerweise favorisiert.
Natürlich können wir nicht in den Kopf eines Spechtes gucken. Insofern wissen wir nicht sicher, ob tatsächlich eine Verwechslung vorliegt, wenn der Vogel auf Dämmfassaden einhackt. In jedem Fall handelt es aber um eine folgenschwere Tat für den Hausbesitzer. Es entsteht ein Bauschaden, dessen Behebung durchaus aufwändig sein kann. Wenn sich die Fälle häufen, wird es zudem kostspielig. Die Berliner Wohnungsunternehmen GEWOBAG und DEGEWO berichteten bereits vor rund zehn Jahren über jährlich gut ein Dutzend Spechtschäden an den Fassaden ihrer Immobilien. In der Hauptstadt hat man das Problem erkannt: Unter www.spechtschaden.de wird sogar eine „Spechtschadenhotline“ angeboten.
Teure Schadensbeseitigung
Spechtlöcher in WDVS stören nicht nur die Optik der Fassade, sondern beeinträchtigen auch die Funktionsweise der Dämmung, insbesondere wenn diese nass wird. Auch ein kleines Loch kann sich mit der Zeit zu einem großen Bauschaden ausweiten. Durch eindringende Feuchtigkeit und daraus resultierende Frostschäden droht ein großflächiges Abplatzen des Fassadenputzes.
Die Schadensbeseitigung wird erschwert, weil die Spechte vorzugsweise an schwer zugänglichen Fassadenbereichen aktiv werden, meist in den obersten Gebäudeetagen. Man benötigt also in vielen Fällen ein Baugerüst, um die Löcher wieder zu verschließen. Das so etwas nicht billig ist, liegt auf der Hand. Weitere Infos zu den handwerklichen Details einer Spechtschädenbeseitigung bietet zum Beispiel die Website des Bochumer Stuckateurbetriebs Rudolph.
Können sich Hausbesitzer gegen Spechtschäden versichern? Theoretisch schon, aber billig wird das nicht. Normale Gebäudeversicherungen enthalten jedenfalls meist eine Klausel, die einen Versicherungsschutz für Schäden durch Vögel ausschließt. Mehr Informationen zu diesem Thema gibt es unter diesem Weblink der Ruch Finanzberatung.
Fassadenschutz versus Vogelschutz

Das Loch in dieser Hausfassade ist ausnahmsweise mal kein Spechtschaden. Foto: Pixabay
Selbst wenn Hausbesitzer willens und finanzkräftig genug sind, um etwas gegen die Löcher in ihrer Fassade zu unternehmen, sind ihnen mitunter die Hände gebunden. Sie dürfen die Spechte nämlich grundsätzlich nicht fangen und schon gar nicht töten, denn die Tiere stehen unter Naturschutz.
Mehr noch: Während der Brutzeit von März bis August darf man die Vögel nicht mal verscheuchen. Die Löcher dürfen nicht beseitigt werden, solange Spechte oder andere Vögel darin brüten. Unter Umständen müssen Hausbesitzer also mehrere Monate warten, bis sie tätig werden können. Dass sich in dieser Zeit der Bauschaden verschlimmern kann, spielt keine Rolle. Vor dem Verschluss der Löcher muss unbedingt geprüft werden, ob sich noch Tiere oder Nestmaterial darin befinden.
Nach Angaben des bayerischen Landesbundes für Vogelschutz (LBV) stehen sogar die Fassadenhöhlen selbst unter dem Schutz des Bundesnaturschutzgesetzes, wenn sie schon einmal bewohnt waren. Bei einem Verschluss seien Hausbesitzer in den meisten Fällen verpflichtet, Ersatz in Form von Nistkästen oder Fassadenquartieren anzubieten. Mehr Infos dazu gibt es auf der Website des LBV.
Gegenmaßnahmen
Betroffene haben also nur die Möglichkeit, den Vogel so früh wie möglich zu verscheuchen – am besten bevor überhaupt ein Schaden entsteht, zumindest aber, bevor sich Tiere in den Fassadenlöchern einnisten. Wie das gelingen kann, dazu gibt es im Internet zahlreiche Tipps. Empfohlen werden zum Beispiel Windspiele, Girlanden oder auch Baustellenabsperrbänder, weil sich die Vögel durch solche Vorrichtungen optisch und akustisch gestört fühlen sollen. Auch Großvogel-Attrappen können helfen.
Eine sehr effektive Möglichkeit zur Spechtabwehr ist zudem eine Fassadenbegrünung. Wie sich diese auch auf Dämmfassaden realisieren lässt, zeigt unser Beitrag „Grünfassade auf WDVS“. Wer kein Grünzeug vor der Fassade wünscht, kann Spechte dennoch mithilfe von engmaschigen Rankhilfen fernhalten – nur eben unbegrünt.
Die bisher genannten Gegenmaßnahmen lassen sich nachträglich bei einem bereits fertigen WDVS umsetzen. Aber natürlich kann man auch bereits in der Bauphase etwas dafür tun, dass die Fassade für Spechte unattraktiv wird. Manchmal genügt schon die Verwendung eines glatten Fassadenputzes. Auch eine dickere Putzschicht kann den Vögeln die Lust am Klopfen verleiden. Glatte Metallschienen an Gebäudekanten sollen ebenfalls Wirkung zeigen.
Auch die Wahl der Dämmstoffplatten kann einen Unterschied machen. Der hohle Klang entsteht vor allem bei Einsatz von Hartschaumplatten wie EPS – dem am meisten verbreiteten WDVS-Dämmstoff. Dagegen betont der Hersteller Xella, dass seine „Multipor“-Mineraldämmplatten beim Klopftest wie eine massive Wand klängen. Bei Verwendung dieses Dämmstoffs seien daher Spechtschäden kein Thema.
Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, verzichtet ganz auf Putz und setzt stattdessen lieber auf ein WDVS mit Riemchen aus Naturstein oder aus anderen steinernen Materialien. Der Ziegelhersteller Röben empfiehlt WDVS mit Klinkerriemchen als oberste Beschichtung. Dies schütze nicht nur vor Algenbefall, sondern biete auch Schutz vor nahrungs- und wohnungssuchenden Spechten.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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