RM Rudolf Müller
Wohneigentum schützt in der Regel vor Altersarmut. Foto: Pixabay

Wohneigentum schützt in der Regel vor Altersarmut. Foto: Pixabay

Fassade und Massivbau
15. Dezember 2016 | Artikel teilen Artikel teilen

Wohneigentumsquote: Deutschland hinkt in Europa hinterher

Rund 70 % der 25- bis 45-Jährigen in Deutschland leben heute zur Miete. Die Wohneigentumsquote in dieser für den Wohnungskauf und Hausbau eigentlich typischen Altersgruppe ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Das geht aus einer aktuellen Studie des Pestel-Instituts hervor, die vom Verbändebündnis „Wohn-Perspektive Eigentum“ beauftragt wurde.

Zum Verbändebündnis „Wohn-Perspektive Eigentum“ haben sich der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), die Bundesarchitektenkammer (BAK), der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM), der Immobilienverband IVD und der Verband Privater Bauherren (VPB) zusammengeschlossen. Gemeinsam haben sie das Pestel-Institut aus Hannover mit der Erstellung der Studie „Eigentumsbildung 2.0 – Wie kann Wohneigentum die Mietwohnungsmärkte entlasten“ beauftragt, die im November 2016 veröffentlicht wurde.

Schwache Wohneigentumsquote

Viele Deutsche wünschen sich ein Eigenheim, doch die Rahmenbedingungen für Wohneigentum haben sich verschlechtert. Foto: Pixabay

Viele Deutsche wünschen sich ein Eigenheim, doch die Rahmenbedingungen für Wohneigentum haben sich verschlechtert. Foto: Pixabay

Die Wohneigentumsquote gibt an, wie viel Prozent der privaten Haushalte in einer Wohnung leben, bei der mindestens ein Haushaltsmitglied auch (Mit-)Eigentümer der Wohnung ist. In Deutschland liegt dieser Wert nach der Volkszählung von 2011 bei etwa 45 %. Das Pestel-Institut geht davon aus, dass dieser Wert bis heute stabil geblieben ist. Bei den 25- bis 45-Jährigen liegt die Wohneigentumsquote – wie oben beschrieben – sogar nur bei 30 %. Im europäischen Vergleich liegt man damit auf dem drittletzten Platz. Zum Vergleich: In Rumänien und Ungarn lag die Eigentumsquote 2011 bei über 90 %, in Ländern wie Spanien, Portugal, Italien und Griechenland waren es über 70 %. Deutschland, Schweden und die Schweiz sind nach den Zahlen von 2011 die einzigen europäischen Länder mit einer Quote unterhalb von 50 %.

Trotz dieser Zahlen betonen die Autoren der Pestel-Studie, dass auf der Wunschliste vieler Deutschen das Leben in den eigenen vier Wänden nach wie vor ganz oben steht. Geringverdiener können sich Wohneigentum nur eben oft nicht leisten. Leih- oder Zeitarbeitern etwa fehle heute häufig jede Perspektive auf Wohneigentum. Gründe dafür seien die mangelnde Langfristperspektive der Beschäftigung, eine oft zu geringe Bonität, ein nur geringes Eigenkapital und das Risiko einer Zinsänderung.

Die sinkende Wohneigentumsquote in Deutschland hat aber sicher auch noch andere gesellschaftliche Ursachen. In der Pestel-Studie werden beispielsweise die Landflucht und der Trend zum Wohnen in der Stadt, die hohen Anforderungen an die räumliche Mobilität der Erwerbsbevölkerung und hohe Steuern genannt. Den Autoren der Studie zufolge liegt die Grunderwerbsteuer in vielen Bundesländern mittlerweile auf einem „eindeutig wohneigentumsfeindlichen Niveau“.

Eigentumswohnung als lohnende Investition

Auf der anderen Seite gibt es hierzulande aber auch viele Haushalte, für die Wohneigentum durchaus lohnenswert wäre, auch wenn sie nur über ein mittleres Einkommensniveau verfügen. Die Studie sieht gerade bei Haushalten mit einem Nettoeinkommen von 1.500 bis 2.500 Euro pro Monat großes Potenzial, den Wunsch nach Wohneigentum zu realisieren – und zwar in erster Linie durch den Kauf einer gebrauchten Eigentumswohnung.

Um diese These zu untermauern, hat das Pestel-Institut für zahlreiche deutsche Städte das Verhältnis von Mietkosten und Kaufpreisen für eine Wohnung verglichen. Ergebnis: Es gibt viele „erschwingliche“ Städte wie zum Beispiel Bremen, Nürnberg, Lübeck, Bochum, Darmstadt, Bamberg oder Chemnitz, in denen es sich nach den Ergebnissen der Studie auch für untere Einkommensgruppen lohnen würde, Wohneigentum zu kaufen statt längerfristig zu mieten.

Baustein der Altersvorsorge

Bei einer Mietwohnung hören die Zahlungen nie auf, ein Leben lang. Bei Wohneigentum dagegen enden die regelmäßigen Investitionskosten schlagartig, wenn einem die Wohnung irgendwann vollständig gehört. „Die eigene Wohnung ist die einzige Alterssicherung, die unabhängig von jeder Schwankung bei der Rentenhöhe im Alter ‚verzehrt‘ werden kann“, sagt Pestel-Studienleiter Matthias Günther. Anders als beim eigenen Haus, für das man auch im Rentenalter häufig noch größere Reparatur- und Instandhaltungskosten einplanen muss, fallen bei einer abbezahlten Eigentumswohnung tatsächlich kaum noch Kosten an.

Rentner mit einer Eigentumswohnung könnten während ihres Ruhestands „ohne Angst vor Mieterhöhungen oder einer Kündigung“ leben, ergänzt Matthias Günther. Der Stellenwert, den die eigenen vier Wände im Alter hätten, ließe sich auch daran erkennen, dass es bei den Senioren, die auf staatliche Grundsicherung im Alter angewiesen sind, kaum Wohnungseigentümer gibt. Im Umkehrschluss kann man auch sagen: Wohneigentum schützt vor Altersarmut.

Verbändebündnis fordert politische Kehrtwende

Angesichts der vielen Vorteile von Wohneigentum fordert das Verbändebündnis „Wohn-Perspektive Eigentum“ von der Politik verstärkte Fördermaßnahmen zur Erhöhung der Wohneigentumsquote auf einen Wert von mindestens 50 %. Die Pestel-Studie weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Deutschland – gemessen an seinem Bruttoinlandsprodukt – im europäischen Vergleich besonders wenig öffentliche Fördermittel zur Unterstützung der Wohneigentumsbildung aufbringt – nämlich nur 0,17 Promille des Bruttoinlandproduktes.

Im Rahmen der Offensive „Wohneigentum statt Miete“ hat das Verbändebündnis im Herbst 2016 einen Forderungskatalog an die Politik gerichtet. Ziel ist es, dass in Deutschland jährlich rund 340.000 Mieter zu Eigentümern werden. Außerdem sollen bundesweit pro Jahr mindestens 60.000 von ihren Besitzern selbst genutzte Eigentumswohnungen und Eigenheime neu gebaut werden. Selbst wenn das gelingt, heißt es allerdings in der Pestel-Studie, würde Deutschland im Europa-Vergleich immer noch zu den Schlusslichtern beim Wohneigentum gehören.

Um die Wohneigentumsquote von 50 % zu erreichen, fordert das Verbändebündnis rasch neue Rahmenbedingungen für den Erwerb von Wohneigentum. Zu den Kernforderungen gehören unter anderem finanzielle Zuschüsse für einkommensschwache Haushalte, eine Entschärfung der bestehenden Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie, da diese die Wohneigentumsbildung ausbremse, eine bundesweite Absenkung der Grunderwerbsteuer, Freibeträge beim Erwerb einer selbst genutzten Wohnung und eine Bauland-Offensive für Wohneigentum. Die komplette Studie „Eigentumsbildung 2.0“ steht hier zum kostenlosen Download bereit.


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Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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