
Andreas Trummer mit dem institutseigenen 3D-Betondrucker. Alle Fotos: Lunghammer/ TU Graz
Materialreduktion durch 3D-Betondruck
Beton ist der meistgenutzte Baustoff der Welt, doch bei der Herstellung des Bindemittels Zement werden große Mengen klimaschädliches Kohlendioxid freigesetzt. Zumindest senken könnte man diese Emissionen, wenn beim Betonbau weniger Material zum Einsatz käme. Die noch junge Technologie des 3D-Betondrucks eröffnet hier neue Möglichkeiten. Das Potenzial gedruckter Beton-Leichtbauteile wird unter anderem an der Technischen Universität Graz erforscht.
„Wenn wir das Bauen mit Beton nachhaltiger und klimafreundlicher gestalten wollen, müssen wir an neuen Betonrezepturen arbeiten und gleichzeitig Beton gezielter und smarter einsetzen“, sagt Andreas Trummer, der gemeinsam mit Stefan Peters am Institut für Tragwerksentwurf der TU Graz zu neuen Leichtbaumethoden mit Beton forscht.
Die Wissenschaftler sind überzeugt davon, dass sich mithilfe des 3D-Betondrucks massiv Material und damit auch CO2 einsparen lässt, und wollen mithilfe ihrer Forschung die Technologie verstärkt in die Praxis tragen. Unterstützt werden sie dabei unter anderem von der Beteiligungs GmbH des Baustoffherstellers Baumit.
Schalungsfrei und filigran

Robert Schmid, Andreas Trummer, Georg Hansemann und Christoph Holzinger (v.l.) mit 3D-gedruckten Beton-Aussparungselementen.
3D-Betondrucker funktionieren nach einem additiven Verfahren. Per Extrusionstechnik wird Frischbetonmasse aus dem Druckerkopf gedrückt. Dabei erfolgt der Druck schichtweise. Nacheinander werden also immer mehr Materialstränge aufeinandergeschichtet („addiert“), bis die gewünschte Bauteilhöhe erreicht ist.
Für Andreas Trummer ist 3D-Betondruck eine faszinierende Technologie: „Damit können wir erstmals in 150 Jahren Betonbaugeschichte ohne Schalung, also ohne Gussformen, Betonbauteile herstellen.“ Die Einsparung der Schalung ist aber nur ein Aspekt. Die Drucktechnik ermöglicht auch wesentlich filigranere Betonelemente als der klassische Betonbau – zum Beispiel Wände von nur 2 cm Stärke oder Wand- und Deckenbauteile mit integrierten Hohlkörperbereichen. Auf diese Weise kann der 3D-Betondruck zu deutlichen Materialeinsparungen beitragen.
„Beton wird nur dort eingesetzt, wo es die Tragstruktur und die Lastverteilung verlangt“, erläutert Georg Hansemann, Projektassistent am Grazer Institut für Tragwerksentwurf, einen zentralen Aspekt der Beton-Leichtbauvariante, mit der sich das Forscherteam beschäftigt. Im Vergleich zu einer klassischen Stahlbetondecke seien bei der Variante mit gedruckten Aussparungskörpern Einsparungen bis zu 40 Volumen-% Beton möglich.
Große Einsparpotenziale
Das klingt viel, ist im Bereich des Betondrucks aber nicht ungewöhnlich. Mitte 2020 hatten wir auf BaustoffWissen bereits über das erste zweistöckige Wohnhaus berichtet, das im belgischen Westerlo mit einem riesigen 3D-Betondrucker in einem Stück gedruckt wurde (Link zum Beitrag hier). Nach Angaben der Bauverantwortlichen hat die schalungsfreie Drucktechnik bei diesem Gebäude dafür gesorgt, dass etwa 60 % weniger Material, Zeit und Budget benötigt wurde.
Auch das Institut für Tragwerksentwurf konnte den Einsatz seiner vorgefertigten Beton-Leichtbauelemente bereits unter realen Baustellenbedingungen testen. In Kooperation mit der Eigner Bauunternehmung wurde im bayerischen Nördlingen in wenigen Wochen eine Betondecke mit gedruckten Aussparungskörpern für die Tiefgaragenabfahrt einer Wohnsiedlung fertigstellt. Das Team von der TU Graz kümmerte sich dabei um Planung, Entwurf und die Projektbegleitung. Aktuell berät man ein vergleichbares Bauprojekt in Vorarlberg.
Lösungen für die Betonbewehrung

An der TU Graz ist es gelungen, in einen 3D-gedruckten Betonstrang (im Bild ein Probestück) direkt eine Stahlbewehrung miteinzuziehen.
Betondecken bestehen in der Regel aus Stahlbeton, sie enthalten also eine Metallbewehrung aus Stahlstäben oder -gittern. Bei den Leichtbaudecken mit integrierten, 3D-gedruckten Beton-Aussparungselementen ist das komplizierter. Zusammen mit dem Grazer Bewehrungshersteller AVI arbeitet das Institut für Tragwerksentwurf aber bereits an einer Lösung, um den Zusammenbau auf der Baustelle zu erleichtern. Ziel ist es, dass künftig zu jeder individuell geplanten Leichtbaudecke aus dem 3D-Betondrucker eine Bewehrung direkt dazu bestellt werden kann, die passgenau auf die jeweilige Innengeometrie der Decken abgestimmt ist.
Den Grazer Wissenschaftlern ist es auch schon gelungen, Betonelemente mitsamt Bewehrung in einem Stück zu drucken. „Wir können in die extrudierten Betonstränge direkt ein dünnes Stahlseil miteinziehen, sodass Bewehrung im Druckprozess direkt integriert ist“, erläutert Institutsmitarbeiter Robert Schmid. Dadurch würden die gedruckten 3D-Konstruktionen noch robuster und belastbarer.
Experimente mit Schaumbeton
Neben den leichten Betonelementen mit gedruckten Aussparungskörpern experimentiert das Institut übrigens auch mit Schaumbeton. Dieser aufgeschäumte Frischbeton enthält eine große Menge an Luftblasen, wodurch sich nicht nur die Wärmeleitfähigkeit, sondern auch der Materialeinsatz senken lässt. Schaumbeton sei natürlich nichts Neues, räumt Andreas Trummer ein, fügt aber hinzu: „Wir konnten geschäumten Beton erstmals durch den 3D-Drucker schicken.“
Die Idee dahinter: Nur dort, wo Betonbauteile wirklich tragfähig sein müssen, ist es notwendig, schweres und dichtes Material zu verwenden. In manchen Bereichen der Wand- oder Deckenelemente wäre eine leichtere, besser dämmende Rezeptur dagegen sogar willkommen. In solchen Bereichen würden die Grazer künftig gerne geschäumten Beton aus dem 3D-Drucker einsetzen und damit nicht zuletzt auch Dämmstoffe einsparen. „Vieles ist hier denkbar und das Institut ist hier Vorreiter“, so Trummer.
Innovation beim Druckermörtel
Wie viele neue Technologien, für die es noch keinen Massenmarkt gibt, sind manche Komponenten des 3D-Betondrucks bisher noch relativ teuer. Das gilt natürlich für die riesigen Druckmaschinen, aber auch für das Betonmaterial, das durch den Drucker fließt. Nach Angaben des Zement- und Betonherstellers Cemex sind die derzeitigen 3D-Betondruckverfahren auf hochspezialisierte und daher relativ teure Mörtel angewiesen. Zusammen mit dem dänischen Unternehmen COBOD – einem Pionier bei der Entwicklung von 3D-Druckern für den Baubereich – will Cemex das nun ändern.
Ende 2021 kündigten die beiden Unternehmen die Einführung einer neuen 3D-Betondrucktechnologie an, die zu einer erheblichen Reduzierung der Baukosten führen könnte (Cemex-Pressemitteilung siehe hier). Bei dem Produkt „D.fab“ handelt es sich um ein System aus Betonzusatzmitteln, das auch konventionellen Transportbeton fit für den 3D-Drucker machen soll. Erstmals erfolgreich angewendet wurde die Produktinnovation beim Druck eines Betonhauses in einem Vorort von Luanda, der Hauptstadt Angolas.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
Kann man komplette Hauswände per 3D-Drucker herstellen? Was noch zu Beginn der Zehnerjahre wie Science-Fiction anmutete, wird heute mancherorts bereits...
mehr »
Leichtbeton ist nicht gleich Leichtbeton. Es gibt verschiedene Arten. Grob unterscheidet man gefügedichten Leichtbeton auf der einen und haufwerksporigen Leichtbeton...
mehr »
Bei Leichtbeton im Wohnungsbau denkt man zuerst an haufwerksporige Mauersteine und nicht an glatte, dichte Oberflächen in Sichtbetonqualität. Doch bei...
mehr »