
Vision einer mit Algen bewachsenen Fassade. Alle Bilder (3): BAM
Algenbiofilme für Betonfassaden
Algenwachstum auf Fassaden ist normalerweise etwas, das Hausbesitzer zu bekämpfen trachten. Das könnte sich künftig ändern. Im Forschungsprojekt „AbifFa“ wird aktuell an Betonfassaden gearbeitet, die ganz bewusst mit Algenbiofilmen bedeckt sein sollen. Ziel ist eine kostengünstige, ganzjährig optisch ansprechende Fassadenbegrünung, die zugleich die Luftqualität und das Mikroklima in Großstädten verbessert.
Die Abkürzung AbifFa bedeutet Algen-Biofilm-Fassaden. Der Name steht für ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, das die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) seit Mitte 2021 mit Partnern aus der Wirtschaft betreibt. Bis Januar 2024 will man gemeinsam mit Mikrobiologen und Biotechnologen Fassadenelemente aus Beton entwickeln, die planmäßig mit einem Algenbiofilm ausgestattet sein sollen.
Vielfältiger Nutzen

Fotografie eines Algenbiofilms auf Beton.
Ziel des Forschungsprojekts ist es, ein Betonsubstrat zu entwickeln, das die Etablierung eines großflächigen Biofilms auf Fassaden ermöglicht und gleichzeitig dauerhaft ist. Algenbiofilm-Fassaden sollen künftig eine Alternative zu herkömmlichen Fassadenbegrünungen sein. Wie diese sollen sie zur Beseitigung von Luftschadstoffen im innerstädtischen Bereich beitragen – und zwar mit erhöhter Effizienz – sowie den Hitzeinsel-Effekt dämpfen und die Artenvielfalt erhöhen.
Hintergrund: Pflanzen können Luftschadstoffe auf ihren Oberflächen binden und teilweise sogar abbauen. Gleichzeitig reduziert die Begrünung von Fassaden die Lufttemperatur und die Lärmbelästigung in Ballungszentren. Wissenschaftliche Arbeiten belegen, dass begrünte Fassaden in Straßenschluchten die Konzentration an Stickoxiden um 40 % und an Feinstaub um 60 % senken können. Aufgrund der spezifischen Strömungsverhältnisse wird zudem auf Gebäudefassaden viel mehr Feinstaub absorbiert als auf begrünten Dächern.
Im Vergleich zu konventionellem Grünfassaden soll die nun erforschte Algenfilm-Lösung kostengünstiger sein und deutlich weniger Wartungsaufwand auslösen. Die Biofilmfassaden sollen zudem vollständig recycelbar sein. Der Begriff Algen dürfte gleichwohl bei vielen Hausbesitzern zunächst eine instinktive Abwehrhaltung auslösen. Die Forschenden stellen aber klar: Die neuartigen Fassadenelemente sollen durchaus auch optisch ansprechend sein. Geplant ist, dass die ästhetische Qualität der neuen Elemente im Rahmen eines Architektenworkshops an der TU Universität Dresden bewertet wird.
Perfektes Betonsubstrat gesucht

Betonsubstrate mit unterschiedlichen Texturen.
„Statt ungewollten Algenbewuchs mit Bioziden zu bekämpfen, wollen wir den städtischen Lebensraum bewusst gestalten und durch großflächige Biofilme gezielt zur Reduktion von Luftschadstoffen und zur Dämpfung der innerstädtischen Überhitzung beitragen“, sagt Julia von Werder, Expertin für mineralische Baustoffe, die das Projekt an der BAM leitet.
Für das Projekt stellt das Berliner Biotech-Unternehmen Solaga als Projektpartner spezielle Mikroalgenbiofilme zur Verfügung. Diese binden aufgrund ihrer besonderen Oberflächenstruktur Feinstaub und andere Luftschadstoffe effizienter als herkömmlich begrünte Fassaden. Optimale Ergebnisse erwarten die Forschenden durch eine gezielt ausgewählte Mischung verschiedener Algenspezies.
Doch nicht nur der Biofilm, sondern auch die Betonelemente, auf denen die Algen wachsen sollen, sind Gegenstand des Forschungsprojekts. Die BAM will die Rezeptur des Betons dahingehend optimieren, dass Porosität und Textur der Baustoffoberfläche eine besonders gute Besiedlung zulassen. Die bestmögliche Kompatibilität zwischen Betonsubstrat und Biofilm will man im Rahmen von Labor- und Freibewitterungs-Versuchen erreichen. Eine gewisse Porosität der Betonoberfläche ist auch deshalb wichtig, um eine ausreichende Wasserverfügbarkeit für die Mikroorganismen zu garantieren.
Für die Fertigung erster Prototypen hat die BAM die Potsdamer Beton-und-Naturstein-Babelsberg GmbH (BNB) als Projektpartner gewinnen können. Das Unternehmen ist auf hochwertige Betonfertigteile für Fassaden spezialisiert. Die neuen Fassadenelemente sollen in Zukunft nicht nur bei Neubauten als kostengünstige Grünfassaden-Alternative zum Einsatz kommen. Auch bei der Sanierung von Altfassaden sollen sie sich als dauerhafte Lösung bewähren, die ganzjährig eine ansprechende Optik bietet.
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