
Analyse eines Bohrkerns mit Sensorgewebe in einer Prüfmaschine. Foto: Fraunhofer IFAM / Marc-Oliver Becker
Asphalt: Messsystem für Straßenschäden
Staus infolge von Baustellen gehören zum Alltag auf Deutschlands Straßen. Notwendige Reparaturen des Asphalts sind ärgerlich, aber unvermeidlich. Oft werden aber auch Fahrspuren gesperrt, um Asphaltprobekörper zu entnehmen. Man weiß dann noch gar nicht, ob etwas kaputt ist. Man prüft nur. Auch diese Praxis war bislang leider notwendig, könnte aber bald überflüssig werden. Das Fraunhofer WKI hat nämlich ein Messsystem entwickelt, mit dem sich der Asphaltzustand schadensfrei bestimmen lässt.
Deutschlands Straßen verfügen überwiegend über Fahrbahndecken aus Asphalt. Das Material hat den Vorteil, dass es günstig ist, nur kurze Einbauzeiten erfordert und schnell trocknet – also auch früh befahrbar ist. Außerdem ermöglicht es relativ geräuscharme Straßendecken ohne Fugen.
Für diese Vorteile wird in Kauf genommen, dass der Bitumen-haltige Straßenbaustoff meist weniger langlebig ist als Fahrbahndecken aus Beton. Bei hohen Außentemperaturen wird Asphalt zum Beispiel schnell weich, ab 70 °C schmilzt er. Aber auch sonst kommt es immer wieder zu Fahrbahnschäden, die dann Sanierungsarbeiten und damit auch Staus verursachen.
Messen ohne Fahrbahnsperrung
Viele Autofahrer sind genervt, wenn sie Baustellenschilder sehen. Wahrscheinlich wären sie noch verärgerter, wenn sie wüssten, dass Fahrspuren manchmal gar nicht aufgrund gesicherter Straßenschäden gesperrt werden, sondern um einen Probekörper aus dem Asphalt zu fräsen. Keine Reparatur also, sondern eine mutwillige Beschädigung der Straße! Freilich eine notwendige Zerstörung, denn nur mithilfe solcher Bohrkernprüfungen konnte man bisher herausfinden, wie der aktuelle Asphaltzustand ist und ob gegebenenfalls eine Sanierung ansteht.
Zumindest diese Stauursache könnte nun vermieden werden, wenn nämlich in Zukunft ein neuartiges, asphaltintegriertes Messsystem zum Einsatz kommt. Entwickelt wurde es im Rahmen des vom Bundesverkehrsministerium geförderten Forschungsprojekts SenAD („Sensorintegration in Asphalt für ein Daten-basiertes Degradationsmonitoring“). In dem vom Fraunhofer-Institut für Holzforschung/Wilhelm-Klauditz-Institut (Fraunhofer WKI) gemeinsam mit Partnern durchgeführten Projekt wurde die grundsätzliche Machbarkeit eines Messsystems nachgewiesen, mit dem sich der Zustand von Straßen dauerhaft überprüfen lässt, ohne dass dabei Fahrbahnen beschädigt werden müssen.
Das System könnte künftig Sperrungen aufgrund von Bohrkernprüfungen überflüssig machen. Zudem könnten Sanierungsanforderungen früher erkannt und damit besser geplant werden. Man könnte dann zum Beispiel notwendige Arbeiten eher außerhalb der Ferienzeiten erledigen, um die Stausituation zu entspannen. Zugleich ließe sich der Zustand der Asphalttragschichten jederzeit quasi „live“ nachverfolgen. Das würde zweifellos eine viel bessere Datenbasis ermöglichen als stichprobenartige Bohrkernprüfungen.
Sensor in Naturfasergewebe

Ein Drehergewebe aus Naturfasern dient als Trägermaterial für die Sensorik. Foto: Fraunhofer WKI / Christina Haxter
Und wie funktioniert nun dieses Sensorsystem? Dazu verrät das Fraunhofer WKI Folgendes: Es handele sich um ein elektrisch leitendes Material, das sich – integriert in ein Naturfasergewebe – in Asphalttragschichten einbauen lässt. Unter Tragschichten versteht man im Straßenbau die Schichten unterhalb der Fahrbahndecke. Bei Asphaltstraßen bestehen diese genauso wie die Deckschicht aus Gesteinskörnungen und Bitumen als Bindemittel – nur dass die Korngröße der verwendeten Mineralstoffe von oben nach unten immer mehr zunimmt. Nur die unterste Tragschicht besteht in der Regel aus ungebundenem Schotter.
Das im SenAD-Projekt entwickelte Sensor-Gewebe wird also in eine gebundene Tragschicht eingebaut. Wenn diese nun mit der Zeit durch den Einfluss von Verkehr und Witterung ermüdet, kommt es zu auch zu Schäden am Sensormaterial. Dadurch verändert sich dessen elektrischer Widerstand. „Wenn Schädigungsprozesse im Asphalt auftreten, ist gleichzeitig das integrierte Sensorgewebe betroffen“, unterstreicht Christina Haxter, Projektleiterin am Fraunhofer WKI. „So ist es möglich, aus dem Ermüdungszustand des leitenden Materials auf den Versagenszeitpunkt der Asphaltbefestigung zu schließen. Die Daten zeigen den aktuellen inneren Zustand der Tragschicht. Langfristig könnte dieses Verfahren die bisherigen zerstörenden Prüfungen ersetzen.“
Das Trägergewebe, in welches die Sensorik integriert wird, wurde am Fraunhofer WKI in enger Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IFAM und der Hochschule Magdeburg-Stendal entwickelt und hergestellt. Das Messsystem wurde an der Hochschule Magdeburg-Stendal in Asphaltprobekörper eingebaut und mechanischer Belastung ausgesetzt. Parallel dazu analysierten Forschende des Fraunhofer IFAM die Sensorik und erhoben Daten während der mechanischen Prüfung. Die Hochschule Hannover schließlich kümmerte sich um die Auswertung der Messergebnisse mithilfe einer adaptierten Datenanalyse-Software.
Effektiv und kostengünstig
Die Forschenden fanden ferner heraus, dass sie die Sensorik nur in bestimmten Abständen in die Asphaltschicht einzubauen brauchen, um dann nahezu für die gesamte Straße Messergebnisse zu erhalten. Das Auslesen der Daten ist nach Angaben des Fraunhofer WKI kontaktlos möglich und kann – ohne Personaleinsatz vor Ort – von einem zentralen Punkt aus erfolgen. Die künftige Ausrüstung von Straßen mit solchen Sensoren sei im Übrigen gar nicht besonders treuer, da das System mit kostengünstiger Messelektronik funktioniere.
Die bei SenAD gewonnenen Erkenntnisse könnten übrigens nicht nur für den Straßenbau interessant sein. Wie das Fraunhofer WKI mitteilt, ist das Messsystem auch in Bauteilen des Hochbaus einsetzbar. Man sei diesbezüglich bereits in engem Austausch mit der Industrie und werde das Forschungsprojekt zusammen mit den Partnern fortsetzen.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
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