
PALM-4U analysiert die Auswirkungen des Städtebaus auf das lokale Klima. Grafiken (3): Fraunhofer IBP
Bausimulation zeigt Klima-Auswirkungen
Durch den Klimawandel kommt es auch in Städten immer häufiger zu Extremwetterereignissen. Um diese besser in die künftige Stadtplanung zu integrieren, wurde das Stadtklimamodell „PALM-4U“ entwickelt. Das digitale Tool ermöglicht eine Vorab-Simulation der Auswirkungen von geplanten baulichen Maßnahmen auf das urbane Mikroklima. Auch die Wirkung möglicher Anpassungsmaßmaßnahmen gegen einen Klimakollaps lassen sich mit dem Modell simulieren.
Der Klimawandel stellt auch die Stadtplanung vor neue Herausforderungen. Forschende erwarten in Zukunft vermehrt lange Hitzeperioden, Starkregen oder sonstige Unwetter. „Dicht besiedelte urbane Räume sind besonders anfällig für diese extremen Wetterlagen“, erläutert Matthias Winkler, Experte für Hygrothermik am Fraunhofer-Institut für Bauphysik (Fraunhofer IBP). „Diese belasten nicht nur das Wohlbefinden. Für Menschen, die schwächer oder gesundheitlich angeschlagen sind, kann das extreme Wetter auch gefährlich sein.“
Hilfe für die Stadtplanung

Das Fraunhofer IBP hat die Nutzeroberfläche PALM-4U entwickelt.
Deshalb arbeiten Städte und Kommunen intensiv an der Planung baulicher Maßnahmen, die geeignet sind, die Folgen des Klimawandels abzumildern, das Klima in der Stadt bis zu einem gewissen Grad beherrschbar zu machen und damit die bisherige Lebensqualität so weit wie möglich zu erhalten oder sogar zu verbessern.
Das Stadtklimamodell PALM-4U soll Mitarbeitende von Kommunen und Stadtplanungsbüros bei dieser Arbeit unterstützen. Es wurde gemeinsam von den verschiedenen Partnern der Initiative „Stadtklima im Wandel“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) konzipiert und entwickelt. Das Fraunhofer-Team um Matthias Winkler hat im Rahmen des Projekts die Tool-Bedienoberfläche PALM-4U GUI gestaltet.
Anhand von Wetterdaten und Bebauungsplänen ist PALM-4U in der Lage, für beliebige Stadtbereiche die Schwerpunkte der Hitzebelastung zu identifizieren. Das Modell ermöglicht es zudem, bereits vor der Umsetzung baulicher Maßnahmen zu prüfen, wie sich diese auf das Mikroklima in der Stadt auswirken. So lassen sich beispielsweise die Folgen eines Hochhausbaus auf benachbarte Gebäude und die umliegenden Straßen simulieren.
Außerdem simuliert PALM-4U, inwieweit Gegenmaßnahmen wie etwa die Begrünung von Fassaden, das Anlegen von Grünanlagen oder die Entsiegelung von Bodenflächen den thermischen Komfort der Bevölkerung verbessern würden.
Lebensqualität sichern und verbessern
Kurzum: Mit PALM-4U können Planungsbüros und Kommunen die Folgen extremer Wetterlagen für städtische Ballungsräume sowie die Auswirkungen verschiedenster baulicher Maßnahmen auf das urbane Klima im Vorhinein besser einschätzen. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse können sie dann die Lebensqualität in der Stadt durch geeignete Maßnahmen gezielter verbessern und nicht zuletzt auch die Gesundheit älterer oder kranker Menschen schützen.
„Mit PALM-4U sind wir auch in der Lage, verschiedene Planungsvarianten miteinander zu vergleichen“, ergänzt Fraunhofer-Expertin Sabine Giglmeier, zuständig für Business Development im Bereich Hygrothermik. „So können wir frühzeitig typische Fehlplanungen vermeiden, die etwa dazu führen, dass Kinder auf einem falsch angelegten Spielplatz starker Hitze ausgesetzt sind.“
„Das Modell ermöglicht nicht nur, die klimatischen Folgen baulicher Maßnahmen zu bestimmen, sondern auch, diese exakt zu quantifizieren“, erläutert Fraunhofer-Experte Winkler. Mithilfe des Tools könnten Planende daher auch abschätzen, ob sich die Investition in konkrete Baumaßnahmen am Ende rentiert oder ob eine andere – ebenso effektive – Maßnahme kostengünstiger wäre.
Die Software arbeitet übrigens Cloud-basiert – eine aufwändige Installation und Einbindung in vorhandene IT-Systeme ist deshalb nicht erforderlich.
Komplexe Datenbasis

Die Analyse ist vom Einzelgebäude über das Stadtviertel bis hin zur ganzen Stadt skalierbar.
Als Datenbasis für das Tool dienen einerseits meteorologische Daten, beispielsweise die des Deutschen Wetterdienstes (DWD) oder auch aus regionalen Klimamodellen. Falls vorhanden, können Kommunen auch die Wetterdaten ihrer regionalen Messstationen einbinden – also etwa Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit, aber auch die Feinstaubbelastung an bestimmten Plätzen.
Außerdem fließen die kompletten Geodaten und Stadtkarten des jeweils betrachteten urbanen Raums in die Simulation ein. Darin sind Straßen, Plätze, Häuser, Gewässer und Grünanlagen verzeichnet. Je genauer und detailreicher diese Elemente dargestellt sind, desto zuverlässiger gelingt die Simulation in PALM-4U.
Auf Grundlage der Daten, mit denen das Modell gefüttert wird, simuliert es das urbane Klima am jeweiligen Betrachtungsort. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Themenkomplexen „Thermischer Komfort“, „Windkomfort“ und „Feinstaubbelastung“. „Das Tool ist skalierbar und kann das Klima der ganzen Stadt, eines Viertels, einzelner Quartiere oder einzelner Plätze betrachten“, sagt Matthias Winkler.
Zum thermischen Komfort zählen beispielsweise die Wärmebelastung bei Hochdruckwetterlagen in Gebäuden sowie auf Plätzen und Straßen oder auch die Frage, ob ausreichend Frischluftschneisen vorhanden sind, die das Gebiet nachts durchlüften. Indem PALM-4U Gebiete mit unterschiedlichen Windkomfort-Kriterien identifiziert, erlaubt das Modell ferner Aussagen über die potenzielle Nutzbarkeit von Flächen – beispielsweise für die Außengastronomie.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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