RM Rudolf Müller
Der Roboterhund scannt seine Umgebung und liefert so Daten für digitale Zwillinge.  Foto: Drees & Sommer SE

Der Roboterhund scannt seine Umgebung und liefert so Daten für digitale Zwillinge.  Foto: Drees & Sommer SE

Forschung, Technik und Trends
05. Oktober 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

Baustellenscan per Roboterhund

Er bellt nicht, beißt nicht, hat sechs Augen und einen Elektromotor im Bauch: Spot ist ein hundeähnlicher Roboter mit vielen Talenten. In Zukunft wird der vielfältig einsetzbare vierbeinige Helfer auch Daten auf deutschen Baustellen sammeln. Das auf Bau und Immobilien spezialisierte Beratungsunternehmen Drees & Sommer will ihn im Rahmen der Baustellendokumentation nutzen. Spot soll die 3D-Modelle von Bauobjekten laufend aktualisieren.

Der vom US-amerikanischen Unternehmen Boston Dynamics entwickelte Roboterhund ist weltweit bereits in unterschiedlichen Aufgabenbereichen im Einsatz. In New York durchkämmt er gefährliche Umgebungen im Auftrag der Polizei, und bei der Feuerwehr hat er sich für Such- und Rettungsmissionen bewährt. Auch die nordrheinwestfälische Polizei hat sich bereits die Dienste von Spot zunutze gemacht. Nach einem Großbrand in Essen wurde er dort Anfang 2022 zur Schadensaufnahme in einem einsturzgefährdeten Wohngebäude verwendet. In den historischen Ausgrabungsstätten von Pompeji wiederum dient er sogar als Sicherheitsroboter und soll Reliktjäger abschrecken.

Mittlerweile hat Boston Dynamics eine neue Roboterversion auf den Markt gebracht, die über einen Zusatzarm verfügt, mit dem Spot sogar Türen öffnen und Gegenstände aufheben kann. Dagegen untersagt das US-Unternehmen bisher ausdrücklich die Verwendung als Waffe. Andere Robotikunternehmen sind da weniger zimperlich. So berichtete „Heise Online“ bereits im Oktober 2021 über die Vorstellung eines Roboterhundes mit Scharfschützengewehr auf einer Militärmesse in Washington (siehe Beitrag hier).

Regelmäßige Baustellendokumentation

Die Scantechnik ermöglicht eine geometrisch exakte Abbildung der Umgebung. Grafik: Behind the Mask

Die Scantechnik ermöglicht eine geometrisch exakte Abbildung der Umgebung. Grafik: Behind the Mask

Die zuletzt genannten Entwicklungen sind allerdings weit von dem entfernt, was Drees & Sommer mit dem Roboterhund vorhat. Das Stuttgarter Beratungsunternehmen will ihn nämlich keinesfalls als Sicherheitsroboter für die Baustellenüberwachung nutzen – geschweige denn bewaffnen. Stattdessen soll sich Spot lediglich auf den Baustellen „umschauen“ und dabei seine Umgebung in 3D scannen.

Was sich vergleichsweise unspektakulär anhört, könnte allerdings von großem Nutzen sein. Der Roboterhund soll nämlich die Datengrundlage für digitale Zwillinge des Bauobjekts liefern, wie man sie von moderner BIM-Software kennt (Building Information Modeling). Genauer gesagt soll es Spot ermöglichen, den ursprünglichen digitalen Zwilling, der bei der „Gebäudedaten-Modellierung“ im Planungsstadium entsteht, auf einfache Art und Weise zu ergänzen: durch ein laufend aktualisierbares 3D-Modell der Baustelle, das den jeweiligen Baufortschritt dokumentiert.

In der realen Baupraxis sind Verzögerungen und Abweichungen von der ursprünglichen Planung eher die Regel als die Ausnahme. Ganz gleich, ob Probleme bei der Materialbeschaffung, Störungen in den Lieferketten, oder Ausfall von Gewerken – fast immer wird anders gebaut als ursprünglich geplant. „Bisher lag es im Zuständigkeitsbereich des Baumanagements, den Baufortschritt und eventuelle Verzögerungen zu prüfen, zu dokumentieren und etwaige Änderungen im digitalen Zwilling zu aktualisieren“ erklärt Wolfgang Kroll, der als Teamleiter bei Drees & Sommer die Digitalisierung des Baumanagements vorantreibt. „Nun gibt es für diese zeitaufwändigen Aufgaben einen stabilen vierbeinigen Helfer.“

Bei Drees & Sommer hofft man, dass Spot die Baustellendokumentation auf ein völlig neues Level hebt, indem er regelmäßig alle baulichen Veränderungen aufzeichnet und speichert. Wolfgang Kroll: „Unser langfristiges Ziel ist es, den gesamten Baufortschritt eines Projekts in einem einzigen konsistenten Modell darzustellen und den Soll-Zustand aus der Planung mit dem Ist-Zustand auf der Baustelle abzugleichen.“

Laserscanner für 360-Grad-Blickfeld

Der Laserscanner der Firma Faro befindet sich auf dem Rücken des Roboters. Foto: Drees & Sommer SE

Der Laserscanner der Firma Faro befindet sich auf dem Rücken des Roboters. Foto: Drees & Sommer SE

Grundsätzlich lässt sich Spot so programmieren, dass er sich anschließend auf der Baustelle autonom bewegen kann. Nach Angaben von Drees & Sommer verbieten die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland bisher aber noch autonome Laufwege. Beim Stuttgarter Beratungsunternehmen wird der 73 kg schwere Roboterhund daher bis auf Weiteres via Tablet ferngesteuert. Es bedarf also eines menschlichen „Aufpassers“, auch wenn dieser physisch nicht auf der Baustelle anwesend sein muss.

Mit seinen gelenkigen vier Beinen meistert Spot nicht nur problemlos unebenes Gelände, sondern kann sich sogar auf Treppen bewegen. Außerdem ist er in der Lage, Menschen und Gegenständen auf seinem Weg auszuweichen. „Sehen“ kann er mithilfe eines Laserscanners der Firma Faro, der auf seinem Rücken montiert ist, was ein 360-Grad-Blickfeld ermöglicht. Die Laserstrahlen tasten alle Oberflächen ab und erzeugen dabei ein Netz aus Millionen einzelner Punkte. So entsteht eine millimetergenaue, geometrisch exakte Abbildung der Umgebung, die als Grundlage für den digitalen Zwillings dient.

Erste Erfahrungen mit dem Baustellenscan per Roboterhund hat Drees & Sommer bereits letztes Jahr beim Neubau der eigenen Firmenzentrale in Stuttgart gesammelt. Spot ist aber auch für den Scan von Bestandsgebäuden einsetzbar. Gerade hier liegt das größte Potenzial, denn für Bestandsgebäude gibt es ja meist noch gar keinen digitalen Zwilling. Das erschwert die Planung, wenn Umbauten oder Umnutzungen anstehen. Existiert dagegen ein vollständiger Scan des Objekts, lässt sich daraus schnell ein realitätsgetreues 3D-Modell erstellen, indem sich Bauherren und Planer virtuell bewegen können. Das erleichtert die Bauplanung und hilft bei der Koordination der Baustellenlogistik.

Spot muss noch lernen

Bevor der Roboterhund für den fehlerfreien Baustellenscan zur Verfügung steht, muss er allerdings noch dazulernen. Laut Drees & Sommer erkennt die Technik bisher keine so genannten Scanschatten. Stehen etwa Baumaterialien herum, werden diese ebenfalls erfasst und als Gebäudedaten übertragen.

Was Spot einmal können soll, stellt sich Wolfgang Kroll so vor: „Der Roboter soll selbst entscheiden können, wann ein Scanschatten vorliegt und wann nicht. Er muss lernen, wichtige von unwichtigen Änderungen automatisiert zu unterscheiden.“ Wie das gelingen kann, untersuchen die Laserscan-Spezialisten von Faro derzeit in einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit Drees & Sommer. Vielversprechend seien Ansätze, die künstliche Intelligenz und klassische Mustererkennung verbinden – so die Projektpartner.

Doch eine solche „Hundeschule“ braucht Zeit: Bis Spot autonom über die Baustelle spazieren und dort den Baufortschritt dokumentieren kann, wird es deshalb noch eine Weile dauern. Bis dahin macht er seine Gänge zusammen mit der Baumanagerin oder dem Baumanager.


 

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