
Jugendliche schauen genau auf die langfristigen Chancen, die Betriebe ihnen eröffnen. Grafik: Pixabay
BIBB-Umfrage: Was erwarten Azubis vom Betrieb?
Was wünschen sich Jugendliche von ihrem künftigen Ausbildungsbetrieb? Antworten auf diese Frage liefert die jüngste Bewerberbefragung des Bundesinstituts für Berufsbildung und der Bundesagentur für Arbeit. Die Ergebnisse sind auch interessant für die Personalabteilungen der Unternehmen.
Schon seit längerem klagen in Deutschland viele Branchen über Fachkräftemangel. Einen kleinen Vorteil haben hier die Betriebe, die in Ausbildung investieren. Schließlich können sie sich den passenden Nachwuchs ein Stück weit selbst formen. Das hilft allerdings auch nichts, wenn es an geeigneten Kandidaten mangelt. Tatsächlich bleiben Ausbildungsplätze hierzulande immer häufiger unbesetzt, weil sich niemand bewirbt, der passen könnte. Auch im Baustoff-Fachhandel. Ursachen dafür sind unter anderem die sinkende Anzahl an Schulabgängern und der zunehmende Trend zum Studium. In vielen Berufen interessieren sich dadurch nicht mehr genug junge Menschen für eine duale Ausbildung.
Azubi-Marketing im Trend
Viele Ausbildungsbetriebe reagieren auf die Nachwuchssorgen und setzen verstärkt auf Azubi-Marketing. Unter den gegenwärtigen Marktbedingungen sind es eben vermehrt die Unternehmen, die sich um Auszubildende bewerben müssen – nicht umgekehrt. Größere Firmen, die es sich leisten können, starten daher aufwändige Recruiting-Programme, um ausreichend Kandidaten ins eigene Unternehmen zu locken. Nicht selten wird auch mit materiellen Anreizen geworben, zum Beispiel ein Smartphone als Eintrittsgeschenk.
Erfolgversprechend sind alle Recruiting-Bemühungen natürlich nur, wenn es den Betrieben gelingt, die richtigen „Lockmittel“ einzusetzen. Dafür müssen sie aber auch wissen, was sich Jugendliche von ihrem künftigen Ausbildungsbetrieb wirklich wünschen. Interessante neue Erkenntnisse dazu liefert die schriftliche Befragung von rund 2.000 Ausbildungsstellenplatz-Bewerbern, die das Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und die Bundesagentur für Arbeit Ende 2016 durchgeführt haben. Ergebnisse dieser Umfrage wurden in der BIBB-Fachzeitschrift „Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis – BWP“ unter dem Titel „Sind Jugendliche mit starker Marktposition anspruchsvoller bei der Betriebswahl?“ veröffentlicht. Ein kostenloser Download des Beitrags steht hier zur Verfügung.
Überraschende Ergebnisse

Befragungsergebnisse: Bewerberwünsche an Ausbildungsbetriebe.
Die Umfrage zeigt insbesondere, dass die Wünsche der heutigen Jugendlichen insgesamt viel „konservativer“ sind als man es vielleicht erwartet hätte. Vielen Bewerbern kommt es vor allem darauf an, dass der Betrieb auch als langfristiger Arbeitgeber infrage kommt. Das zeigt sich vor allem in einem positiven Betriebsklima und guten Übernahmechancen auf einen sicheren Arbeitsplatz nach der Ausbildung.
Diese Befragungsergebnisse sind nicht zuletzt ein wichtiger Fingerzeig für die derzeit am stärksten unter dem Fachkräftemangel leidenden kleinen und mittleren Betriebe. Nach Ansicht des BIBB-Präsidenten Friedrich Hubert Esser sollten sie bei ihren künftigen Rekrutierungsstrategien insbesondere auf ein gutes Betriebsklima und gute Übernahmechancen setzen und dies in ihrer Öffentlichkeitsarbeit betonen. „Dann steigen im Wettbewerb mit großen Unternehmen ihre reellen Chancen, als attraktiver Arbeitgeber angesehen zu werden“, so Esser.
Der Umfrage zufolge legen die angehenden Azubis zudem großen Wert auf günstige Rahmenbedingungen während der Ausbildung. Hierunter fällt für sie zum Beispiel die leichte Erreichbarkeit des Betriebs. Auch ein gutes Image des Betriebs ist für sie von großer Bedeutung. Die Jugendlichen schließen daraus, so die BIBB-Autoren, dass auch die Ausbildungsbedingungen gut sein dürften. Zudem wollen sie vom Image des Betriebs in ihrem eigenen sozialen Umfeld profitieren.
Materielle Anreize nicht so wichtig
Die Bewerberbefragung legt ferner nahe, dass materielle Anreize, wie etwa das oben erwähnte Smartphone, für die Jugendlichen nur eine untergeordnete Rolle bei der Ausbildungsplatzsuche spielen. Vergleichsweise wenig Wert legen die Befragten auch auf flexible Arbeitszeiten, über die Ausbildung hinausgehende Zusatzangebote oder die Möglichkeit mit vielen anderen Auszubildenden gemeinsam lernen zu können. Das sind Merkmale, mit denen in der Regel Großbetriebe werben. Bei Bewerbern mit Studienberechtigung ist der Wunsch nach großbetrieblicher Ausbildung allerdings stärker ausgeprägt als bei Jugendlichen mit niedrigerem Schulabschluss.
Und noch etwas – allerdings wenig Überraschendes – belegt die Befragung: Haben die Bewerber hohe Erfolgsaussichten auf einen Ausbildungsplatz, weil in ihrer Region die Marktlage relativ entspannt ist oder sie gute Schulabschlüsse und -zeugnisse aufweisen, stellen sie auch höhere Ansprüche an die Betriebe.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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