
In EPDs ist künftig auch das Recycling-Potenzial von Baustoffen zu deklarieren. Foto: tdx/IBU Institut Bauen und Umwelt
Circularity-Module für EPDs
In Umweltproduktdeklarationen (EPDs) von Bauprodukten müssen bisher nur Daten für das Produktionsstadium von der Rohstoffversorgung über den Transport bis zur eigentlichen Produktherstellung deklariert werden. Doch bereits ab 2023 wird für die Mehrheit aller Produkte auch die Deklarierung der Entsorgungsphase sowie des Recyclingpotenzials verpflichtend. So genannte Circularity-Module für EPDs sollen diese Datenlücke schließen.
Europa will bis 2050 klimaneutral werden. Geht es nach dem Green Deal der EU-Kommission, ist eine weitreichendere Gebäudebewertung über den gesamten Lebenszyklus unumgänglich. Damit steht auch der Bau- und Immobilienwirtschaft eine grundsätzliche Neuorientierung bevor. Der End-of-Life-Betrachtung von Bauprodukten kommt schon bald eine wichtige Bedeutung zu. Um die Effizienz einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft gewährleisten zu können, ist eine umfassende Datenbasis über die Umweltwirkungen von Rückbau, Wiederverwertung und gegebenenfalls Entsorgung für alle verbauten Bauprodukte nötig. So genannte „Circularity-Module für Umweltproduktdeklarationen“ (CMEPD) sollen diese Datenlücke schließen.
Ökobilanz und Umweltproduktdeklarationen
„Der Bausektor wird in sehr naher Zukunft einen erheblichen Bedarf an Daten zu Rohstoffeinsatz und Zirkularität haben, um verlässliche Angaben zur Klimaneutralität von Gebäuden bekommen zu können“, sagt Dr. Alexander Röder, Geschäftsführer des Institut Bauen und Umwelt e.V. (IBU). Eine umfassende Datengrundlage wird nötig sein, damit bereits in der Planungsphase und bei einer späteren Gebäudezertifizierung sämtliche relevanten Faktoren überhaupt berücksichtigt werden können.
Um Umweltwirkungen von Bauprodukten transparent darlegen zu können, hat sich die Ökobilanz als optimales Werkzeug erwiesen. Die auf diese Weise gewonnenen Ergebnisse werden in Umweltproduktdeklarationen zusammengeführt. Diese bezeichnet man im internationalen Sprachgebrauch als EPDs (Environmental Product Declarations). Das Berliner Institut Bauen und Umwelt (IBU) ist international einer der führenden Programmbetreiber für EPDs im Bauwesen und nach eigenen Angaben die europaweit führende Organisation, die Bauprodukte nach der europäischen Norm EN 15804 deklariert.
Das IBU ist eine Vereinigung von über 200 Unternehmen und Verbänden verschiedener Werkstoffbereiche der Bauindustrie, versteht sich aber als neutrale Instanz, die Informationen über den gesamten Lebenszyklus von Bauprodukten – und insbesondere über deren Umweltwirkungen – in Form von EPDs transparent macht. Damit schafft das IBU die Grundvoraussetzung dafür, dass der ökologische Aspekt in die Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden einfließen kann.
Entsorgung und Recycling im Fokus

Beispiel für eine EPD des Instituts Bauen und Umwelt.
EPDs sind Teil einer Lebenszyklusanalyse von Gebäuden. Bislang müssen nach EN 15804 allerdings nur Daten für das Produktionsstadium von der Rohstoffversorgung über den Transport bis zur eigentlichen Produktherstellung in einer EPD deklariert werden (Module A1, A2 und A3). Daten zum restlichen Lebenszyklus, von der Errichtung des Gebäudes über seine Nutzung bis zum Abriss und dem anschließenden Umgang mit den Bauprodukten, sind optional, werden jedoch in der Regel von den Herstellern bereits ausgewiesen. Bereits ab 2023 wird nun für die Mehrheit aller Produkte auch die Deklarierung der Entsorgungsphase (Module C1 bis 4) sowie das Wiederverwendungs-, Rückgewinnungs- und Recyclingpotenzial (Modul D) verpflichtend.
Die Optimierung der Produkte hinsichtlich ihrer Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Nachrüstbarkeit und Reparierbarkeit ist nur ein Aspekt, den Bauprodukthersteller in Zukunft noch stärker verfolgen müssen. Mindestens genauso wichtig sind die Wiederaufbereitung und das hochwertige Recycling. Im Rahmen des vom Umweltbundesamt beauftragten Forschungsprojektes „Grundlagen und Empfehlungen zur Beschreibung der Rückbau-, Nachnutzungs- und Entsorgungsphase von Bauprodukten in Umweltproduktdeklarationen“ (Abschlussbericht siehe hier) wurde eine grundsätzliche Systematik entwickelt, mit der die Datenlücke zu Recyclingpotenzialen von Bauprodukten geschlossen werden kann.
An dem 2020 abgeschlossenen Forschungsprojekt war das IBU maßgeblich beteiligt. Auf Grundlage der erarbeiteten Systematik entwickelte das IBU anschließend die CMEPD.
Reger Informationsaustausch notwendig
In der Praxis zeigt sich allerdings, dass Bauproduktehersteller in der Regel wenige Informationen über die Nachnutzung ihrer Produkte sowie die Prozesse in den Recyclingunternehmen haben. Bislang basieren Angaben zum End-of-Life eher auf Durchschnittswerten gängiger Entsorgungsverfahren, wie beispielsweise der Deponierung oder der energetischen Verwertung.
CMEPD basieren hingegen auf Daten von Recycling- und Entsorgungsunternehmen. Dadurch könnten je nach Bauprodukt und Verwendungszweck sehr konkrete Angaben zu Nachverwertung, Wiederaufbereitung und Entsorgung gemacht werden. Nach Angaben des IBU wäre es auf diese Weise mit CMEPD möglich, den ökologischen Fußabdruck unterschiedlichster Bauprodukte konsistent und mit überschaubarem Aufwand zu beschreiben. „Wie ein erst kürzlich von uns veranstaltetes Online-Kolloquium mit rund 125 Teilnehmenden eindrucksvoll gezeigt hat, bedarf es eines regen Informationsaustauschs zwischen Bauproduktherstellern und Recycling- und Entsorgungsunternehmen“, resümiert IBU-Geschäftsführer Dr. Röder.
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