
Epoxidharz lässt sich auch aus Orangenschalen gewinnen. Foto: SKZ – Weiterbildungs-Zentrum
Epoxidharze aus Orangenschalen
Klassische Epoxidharze kommen im Bauwesen vielfältig zum Einsatz. Ihre langfristige Zukunft erscheint heute allerdings ungewiss – zum einen, weil es sich um Erdöl-basierte Produkte handelt, zum anderen, weil die Preise der Kunstharze seit Jahren stark steigen. Nachhaltige Alternativen wären also wünschenswert. Ein aktuelles Forschungsprojekt arbeitet bereits an biobasierten Epoxidharzen. Sie sollen zum Teil aus Orangenschalen gefertigt werden.
Das Projekt „Orange Oil“ wurde im Oktober 2021 als gemeinsames Forschungsvorhaben des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen (Fraunhofer IMWS) mit Sitz in Halle (Sachsen-Anhalt), des Würzburger Instituts SKZ („Das Kunststoff-Zentrum“) und des türkischen Tübitak Marmara Research Center gestartet.
Ziel ist die Entwicklung eines zweikomponentigen Epoxidharzsystems (Harz und Härter), bei dem die Harzkomponente unter anderem aus Terpenen besteht, die natürlich in Orangenschalen vorkommen. Diese biobasierten Epoxidharze entwickeln die Projektpartner aktuell für Anwendungen im Bereich Lacke, Laminat und Fußböden (Oberflächenversiegelung). Obwohl das Forschungsprojekt offiziell Ende September 2023 endet, ist nach Angaben des Fraunhofer IMWS nächstes Jahr aber noch nicht mit einem marktreifen Produkt zu rechnen.
Vielseitige Kunstharze

Ausgehärtete Materialproben mit (v.l.n.r.) 25 %, 20 %, 15 %, 10 %, 5 % und 0 % Orangenöl. Foto: Fraunhofer IMWS
Epoxidharze kommen seit Mitte des 20. Jahrhunderts immer häufiger auch im Bauwesen zum Einsatz – vor allem als Klebstoffe und als Bindemittel in unterschiedlichsten Beschichtungssystemen. Sie sind zum Beispiel wesentlicher Bestandteil in vielen Bodenbeschichtungen, Lacken, Grundierungen, Abdichtungen und Korrosionsschutz-Anstrichen. Auch in bauchemischen Produkten zum Betonschutz oder zur Instandsetzung von Beton spielen Epoxidharze häufig eine wichtige Rolle, ebenso in vielen Mörtel- und Estrichprodukten.
Für die Anwendung reichert man das zum Zeitpunkt der Verarbeitung flüssige Epoxidharz mit Füllstoffen, Pigmenten sowie Additiven an und vermischt es mit der Härterkomponente. Durch diese Mischung entsteht ein reaktives Kunstharz, das – je nach Produkt – innerhalb einiger Stunden bis Tage zu einem Duroplast aushärtet. In der Praxis gibt es eine riesige Anzahl unterschiedlicher Epoxidharze. Im Baubereich kommen nach Angaben des Industrieverbands Deutsche Bauchemie vor allem Epoxidharze auf Basis von Bisphenol-A-Diglycidylether (BADGE) und Bisphenol-F-Diglycidylether (BFDGE) zum Einsatz.
Die Industrie setzt bei der Herstellung von Epoxidharzen bisher überwiegend auf Rohstoffe, die aus Erdöl gewonnen werden. In Zeiten der Klimakrise, in denen sich weltweit Staaten dazu verpflichtet haben, ihre Volkswirtschaften zu dekarbonisieren, ist das immer weniger zeitgemäß. Epoxidharze, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, werden daher künftig verstärkt in den Fokus rücken. Eben das ist das Ziel des Projekts Orange Oil.
Biobasiertes Epoxidharzsystem

Beschichtung eines Terrazzo-Bodens mit Orangenöl-Epoxidharz. Foto: Fraunhofer IMWS
Die Forschenden arbeiten an der Entwicklung eines biobasierten Epoxidharzsystems auf Basis von Orangenöl. Das ist das weltweit am meisten produzierte ätherische Öl. Man gewinnt es durch Kaltpressen der reifen Fruchtschalen. Orangenschalen fallen bei der Herstellung von zum Beispiel Saft und Marmelade in großen Mengen als Reststoff an.
Dass es sich im Prinzip um ein Abfallprodukt handelt, macht die Sache besonders nachhaltig. Orangeschalen sind einerseits ein nachwachsender Rohstoff, ihre Nutzung für Epoxidharz würde aber keine Konkurrenzsituation zur Nahrungsmittelproduktion auslösen.
Die Projektpartner von Orange Oil verfolgen das ehrgeizige Ziel, ein zweikomponentiges Epoxidharz zu entwickeln, bei dem das Harz-Härter-Gemisch aus nahezu 100 % nachwachsenden Rohstoffen besteht. Nach Angaben des SKZ weisen bislang auf dem Markt verfügbare Harz-Härter-Gemische einen Bioanteil von maximal 41 % auf.
Zunächst versuchen die Forschenden verschiedene Öle zu Epoxiden zu oxidieren und untersuchen dann deren Eigenschaften. Ein innovatives, enzymbasiertes Epoxidations-Verfahren und geeignete Vernetzungsmittel sollen das Risiko minimieren, dass epoxidiertes Orangenöl zu einer ätzenden, reizenden, allergischen oder sogar toxischen Substanz wird.
Kombination mit Naturfasern
Aus den erfolgversprechendsten Materialproben wollen die Projektpartner Harz-Härter-Gemische entwickeln, deren Eigenschaften sie dann genauestens untersuchen werden. Neben der Herstellung eines reinen Epoxidharzes, das zum Beispiel als Versiegelungsschicht für Fußböden einsetzbar wäre, geht es bei Orange Oil aber auch darum, die biobasierten Harze mit Naturfasern zu kombinieren. Auf diese Weise wollen die Forschenden einen nachhaltigen Bioverbundwerkstoff entwickeln – also einen Faserverbundkunststoff, bei dem nicht nur die Fasern, sondern auch die verbindende Matrix-Komponente im Wesentlichen aus nachwachsenden Rohstoffen besteht.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
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