RM Rudolf Müller
Das Süßgras Bambus gehört zu den am schnellsten wachsenden Pflanzen der Welt.  Foto: Pixabay

Das Süßgras Bambus gehört zu den am schnellsten wachsenden Pflanzen der Welt.  Foto: Pixabay

Forschung, Technik und Trends
10. November 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Feuchteverhalten von Bambus

Als schnell nachwachsender Rohstoff kann Bambus eine besonders nachhaltige Alternative zu Holz im Bauwesen sein. Für Bauunternehmen bestand bisher aber eine gewisse Unsicherheit: Wie kommt der tropische Werkstoff bei unterschiedlichen Anwendungen mit dem hiesigen Klima zurecht? Schließlich ist er anfälliger für Schimmelpilze als normales Bauholz. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik präsentiert nun eine Lösung, die das Feuchteverhalten von Bambusbaustoffen in Abhängigkeit von den klimatischen Bedingungen prognostizierbar macht.

Die in den Tropen heimische Bambusstaude gehört zu den Süßgräsern und gilt als eine der am schnellsten wachsenden Pflanzen der Welt. In manchen Regionen schießt sie bis zu drei Meter am Tag in die Höhe. Dank dieses extrem schnellen Wachstums gilt Bambus als nachhaltig, obwohl er aus fernen Kontinenten wie Asien, Afrika oder Südamerika nach Deutschland importiert werden muss.

Im Bausektor genutzt werden die holzartigen, innen hohlen Halme der Pflanze. Sie verfügen über Eigenschaften, die sie zu einem idealen Ersatzstoff für herkömmliches Baumholz machen. Der faserige Werkstoff bietet enorme Langzeitstabilität und lässt sich zu Platten verarbeiten – etwa für Innenwandverkleidungen, Fassadendielen, Innentürfurniere oder Türrahmen. Das Material ist sogar hart genug, um für Parkettböden und Terrassendielen zum Einsatz zu kommen. Gleichzeitig ist Bambus aber deutlich leichter und elastischer als Holz. Seine Flexibilität macht ihn zum Beispiel auch ideal für Gebäude in Erdbebengebieten.

Anfälligkeit für Schimmelpilze

Bambus lässt sich ähnlich wie Holz zu stabilen Platten verarbeiten.  Bild: Fraunhofer

Bambus lässt sich ähnlich wie Holz zu stabilen Platten verarbeiten.  Bild: Fraunhofer

Das Feuchteverhalten des verholzenden „Riesengrases“ kann allerdings aus bautechnischer Sicht Probleme bereiten. Bäume entwickeln im Laufe ihres jahrhundertelangen Lebens Abwehrstoffe gegen schädliche Bakterien und Schimmelpilze. Die Lebensdauer einer Bambusstaude beträgt dagegen nur durchschnittlich 20 Jahre. Deshalb entwickelt sie weniger Abwehrstoffe, und die aus ihren Halmen hergestellten Baustoffe sind anfälliger für Schimmelpilzbefall als normales Holz.

Das Problem für die Baupraxis war bisher, dass man gar nicht so genau wusste, wie sich das tropische Material bei unterschiedlichen Anwendungen und unter diversen klimatischen Rahmenbedingungen verhält. Genau hier setzten die Forschenden des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik (IBP) an. Sie haben das Feuchteverhalten von Bambus unter verschiedenen klimatischen Bedingungen untersucht und mit diesen Daten eine Software gefüttert, die eine realitätsnahe Simulation der Wärme- und Feuchteverhältnisse in Bauteilen und Gebäuden ermöglicht.

Mithilfe der Prognosen dieser Simulations-Software könnten Bauausführende ihre Bambusprojekte künftig gezielt so planen und umsetzen, dass das Auftreten von Schimmelpilzen verhindert wird. „Ziel ist, das Auftreten von Schimmelpilzen zu vermeiden, ohne dass man chemische Gifte einsetzen müsste, die auch für den Menschen schädlich sind“, erklärt Prof. Dr. Hartwig Künzel, Leiter der Abteilung Hygrothermik am Fraunhofer IBP.

Freilandversuche und Laboruntersuchungen

Die hygrothermischen Stoffkennwerte von Bambus ermittelten die Forschenden einerseits in China und andererseits auf einem Freilandversuchsgelände des Fraunhofer IBP in Holzkirchen bei München. Für die Untersuchungen in Bayern setzte man Bambusprodukte der Witterung aus und ließ zeitgleich die klimatischen Bedingungen vor Ort von einer meteorologischen Station detailliert protokollieren.

Anschließend untersuchte ein Expertenteam den Werkstoff im Labor. Ziel war es herauszufinden, wie viel Wasser beziehungsweise Wasserdampf Bambus aufnimmt und wieder abgibt. Außerdem wurde untersucht, wie der Feuchtigkeitstransport innerhalb des Werkstoffs abläuft. Für Letzteres nutzten die Forschenden einen Kernspintomografen, der anzeigt, wie sich das aufgesogene Wasser im Bambus verteilt und bewegt.

Simulations-Software WUFI

 Die Software WUFI zeigt das Feuchteverhalten des Werkstoffs im zeitlichen Verlauf als Film an. Die Vertikalachse gibt Temperatur und Wassergehalt an.


Die Software WUFI zeigt das Feuchteverhalten des Werkstoffs im zeitlichen Verlauf als Film an. Die Vertikalachse gibt Temperatur und Wassergehalt an.

Technologisches Herzstück des Projekts ist die hygrothermische Simulations-Software WUFI. Diese hatten die Forschenden schon vor Jahren entwickelt – allerdings ursprünglich für andere Materialien. Angesichts des aktuell steigenden Bedarfs an Holzersatzstoffen hat das Fraunhofer IBP nun auch eine Softwareversion für den Werkstoff Bambus entwickelt. Mit den im Labor ermittelten Kennwerten simuliert diese das Verhalten von Bambus unter bestimmten klimatischen Bedingungen und stellt die Entwicklung als animierte Grafik mit einem zeitlichen Verlauf dar. Daraus lässt sich ableiten, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Schimmelpilzbefall auftritt.

„Die Software WUFI liefert verlässliche und detaillierte Ergebnisse zum Feuchteverhalten von Bambus“, freut sich Hartwig Künzel. „Bauunternehmen und Architekten können damit baubiologisch einwandfreie und nachhaltige Gebäude mit Bambus als Werkstoff planen und realisieren.“ Daneben könne man die Erkenntnisse auch nutzen, um neue Anwendungsgebiete für unterschiedliche Bambuswerkstoffe zu erschließen. Nach Angaben des Forscherteams beginnt bei Bambus der gefährliche Bereich bei Umgebungsbedingungen ab 80 % relativer Luftfeuchtigkeit.

Behandelter Bambus

Das neue Prognoseinstrument liefert wichtige Erkenntnisse für Anwendungsbereiche, in denen man bisher nicht genau weiß, wie gut sich Bambus mit den klimatischen Randbedingungen verträgt. Für Außenanwendungen in unseren nasskalten Breitengraden gibt es natürlich auch schon viele praktische Erfahrungswerte. So haben sich Gartenmöbel oder Terrassendielen aus reinem Bambus hierzulande oft als wenig witterungsbeständig und anfällig gegenüber Mikroorganismen erwiesen.

Wie wir in unserem Beitrag „Bambus-Baustoffe für den Innen- und Außenbereich“ bereits beschrieben haben, gibt es aber auch Anbieter von wärmebehandeltem Bambusholz, das unter Hitze und Druck stark verdichtet wird und dadurch auch im mitteleuropäischen Außenbereich resistent gegen Schimmel und Pilzbefall sein soll – ganz ohne chemische Gifte oder holzschützende Anstriche.

Außerdem sind Terrassendielen und Fassadenprofile aus dem Verbundwerkstoff BPC erhältlich (Bamboo Plastic Composites). BPC ähnelt in seinen Eigenschaften dem bekannten Holz-Kunststoff-Verbundwerkstoff WPC (Wood-Plastic-Composite) – nur dass es eben keine Holzbestandteile, sondern Bambusfasern enthält. Bei beiden Werkstoffen sorgt der Kunststoffanteil für die erhöhte Witterungsresistenz und damit für eine bessere Eignung im Outdoor-Bereich.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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