
Außenansicht der EE-Modulfassade mit raumhohem PV-Element in Holzkirchen. Fotos: Fraunhofer
Fraunhofer entwickelt EE-Modulfassade
Zwei Fraunhofer-Institute forschen derzeit an einer so genannten Erneuerbare-Energien-Modulfassade. Das Besondere: In dem entwickelten Demonstrator-Modul sind eine Photovoltaikanlage, eine Wärmepumpe sowie ein dezentrales Lüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung bereits fest integriert. Die Fassade soll vor allem bestehende Büro-, Verwaltungs- und Schulgebäude mit Strom sowie Heiz- und Kühlenergie versorgen und zugleich eine automatische Belüftung sicherstellen.
Gebäude haben einen wesentlichen Anteil am Gesamtenergiebedarf und an den Treibhausgasemissionen in Deutschland. Nach den Vorgaben des verschärften Klimaschutzgesetzes von 2021 müssten die durch den Gebäudesektor verursachten Treibhausgasemissionen bereits bis 2030 um rund zwei Drittel geringer ausfallen als im Vergleichsjahr 1990. Doch bisher ist die Sanierungsquote im Gebäudesektor noch viel zu gering, um dieses ambitionierte Ziel zu schaffen.
Moderne Konzepte wie das serielle Sanieren versuchen hier gegenzusteuern, indem sie auf effektivere Sanierungsprozesse und einen höheren Vorfertigungsgrad der Bauteile setzen. Auch die Erneuerbare Energien-Modulfassade (EE-Modulfassade), an der das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP und das Fraunhofer-Institut Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE gemeinsam arbeiten, könnte in diesem Sinne ein künftiger Baustein der Energie- und Wärmewende werden.
Minimalinvasive Fassadensanierung

Hinter der Demonstrator-Fassade befindet sich der mit Messtechnik ausgestattete Versuchsraum.
Ziel des Fraunhofer-Projekts ist es, die technische Gebäudeausrüstung in ein Fassadenmodul zu integrieren, das mit regenerativer Energie versorgt wird, um die dahinter liegenden Räume zu heizen, zu kühlen und zu lüften. Möglich machen sollen das eine integrierte Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage) zur Energieerzeugung, eine kleine Wärmepumpe zum Heizen und Kühlen sowie ein dezentrales Lüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Projektpartner sind die Lare GmbH Luft- und Kältetechnik (Wärmepumpenentwicklung), die LTG AG (dezentrale Lüftung) sowie die Implenia GmbH als Konstrukteur der eigentlichen Modulfassade.
Die von den Partnern bereits entwickelten EE-Modulfassaden eignen sich vor allem für Büro-, Verwaltungs- und Schulgebäude, die in Stahlbeton-Skelettbauweise errichtet wurden. Zwischen 1950 und 1990 entstanden in Deutschland etwa 25 bis 30 % aller Bürogebäude in dieser Bauweise, bei der die Geschossdecken nicht von tragenden Wänden, sondern von Stahlbetonstützen gestützt werden. Diese bilden zusammen mit den Decken das Skelett der Gebäudehülle. Die Gefache dieses Skeletts werden durch vorgehängte Fassadenelemente gefüllt. Diese Bauweise erleichtert die Sanierung, da man alte Fassadenelemente einfach abnehmen und durch neue ersetzen kann. Die Fraunhofer-Institute arbeiten dafür an kostengünstigen Modulen, deren Einbau „minimalinvasiv“ erfolgen soll.
Industrielle Vorfertigung
„Wir renovieren nicht das komplette Gebäude, sondern nur die Fassade“, erläutert Jan Kaiser, Projektleiter und Wissenschaftler am Fraunhofer IEE. „Die alte Fassade wird künftig durch neue industriell vorgefertigte Module mit integrierter Anlagentechnik ersetzt, was sie somit multifunktional macht und an die neuen Energiestandards anpasst.“ Das System soll nach Angaben der Fraunhofer-Institute nicht nur für die Sanierung von Bestandsfassaden, sondern auch für Neubauten einsetzbar sein.
Das im Rahmen des Projekts bereits entstandene Fassadenmodul ist 1,25 m breit und 30 cm tief. Jede Einheit davon kann einen 24 m2 großen Raum mit Strom und Wärme/Kälte aus erneuerbaren Energiequellen versorgen. Da die Module im Werk vorgefertigt werden und der Einbau nur wenige Stunden dauert, müssen die Raumnutzer im Idealfall während der Sanierung gar nicht ausziehen. Da die Heiz- und Lüftungstechnik bereits in der Fassade integriert ist, entfällt die Verlegung von Rohren im Gebäude. Die Fassade muss nur über einen Stromanschluss verfügen, um auch in Zeiten ohne PV-Strom die Räume klimatisieren und lüften zu können.
Leistungsfähige Kleinstwärmepumpe
Die eingebaute PV-Anlage erzeugt die Energie und versorgt unter anderem die Wärmepumpe mit Strom. Diese fungiert zugleich als Wärme- und Kälteerzeuger. Sie ist das bestimmende Bauteil der Technikeinheit der EE-Modulfassade und kann aus einer Einheit Strom drei bis vier Einheiten Wärme produzieren. Die Wärmepumpe entzieht der Außenluft Wärme über einen Ventilatorkonvektor, der sich im Luftspalt hinter dem PV-Element befindet. Über einen weiteren Konvektor wird die Energie als Heizwärme an den dahinterliegenden Raum abgegeben.
Soll das System kühlen, lässt sich der Kreislauf umkehren. Dann wird der Innenraumluft Wärme entzogen und an die Außenluft abgeführt. Der Luftwechsel wird durch die im Fassadenmodul integrierte Lüftungstechnikeinheit geregelt, die auch für die Wärmerückgewinnung zuständig ist. Darüber hinaus sorgen Vakuumdämmelemente für den Wärmeschutz.
Die EE-Module ermöglichen Fassadensanierung und eine nachhaltige technische Gebäudeausrüstung in einem Schritt. Dabei helfen sie Energie zu sparen und nützen damit der Klimawende. Wenn ein altes Bürogebäude in Stahlbetonbauweise zum Beispiel einen jährlichen Verbrauch von 3.200 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr aufweist, so lässt sich dieser Verbrauch mit der EE-Modulfassade auf 600 GWh senken – heißt es in einer Pressemitteilung der Fraunhofer-Gesellschaft.
Tests mit Demonstrator laufen
Derzeit wird ein Demonstrator der EE-Modulfassade an einem Gebäude auf dem Gelände des Fraunhofer IBP in Holzkirchen getestet. Sowohl der Demonstrator als auch der dahinterliegende Versuchsraum sind mit umfangreicher Messtechnik ausgerüstet. Die Raumnutzer simuliert man durch zeitabhängig geregelte Wärme- und Feuchtequellen.
Im Rahmen der Tests messen die Forschenden die Behaglichkeit im Raum, indem sie kontinuierlich Parameter wie Lufttemperatur und -feuchte, aber auch die Luftgeschwindigkeit auf unterschiedlichen Höhen und die Beleuchtungsstärke ermitteln. Außerdem wird eine Energiebilanz des Fassadenmoduls erstellt, indem man die elektrischen Verbräuche der technischen Einzelkomponenten ebenso aufzeichnet wie die Erträge des PV-Elements. Nach Angaben der Forschenden funktioniert das Zusammenspiel der einzelnen Modulkomponenten bereits sehr gut, einzelne Bauteile werden aktuell aber noch optimiert.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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