RM Rudolf Müller
Feuchtigkeitsprobleme nehmen bei wachsender Energiearmut leider zu.  Alle Fotos: Velux

Feuchtigkeitsprobleme nehmen bei wachsender Energiearmut leider zu.  Alle Fotos: Velux

Bauelemente
20. Dezember 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

Studie: Raumklima und Gesundheit

Zu wenig Heizen in Verbindung mit zu wenig Lüften führt in bewohnten Gebäuden fast sicher zu Feuchtigkeits- und Schimmelbildung. Sind Menschen in ihrem Zuhause Kälte und Feuchtigkeit ausgesetzt, sind sie zudem schneller krank. Wie oft solche Missstände auch in Europa vorkommen, dokumentiert die diesjährige Ausgabe des „Healthy Homes Barometer“. Die Velux-Studie lässt zudem gravierende Auswirkungen der aktuellen Energiekrise auf Gebäude und Gesundheit befürchten – auch in Deutschland.

Das Healthy Homes Barometer wird seit 2015 jährlich vom Dachfensterhersteller Velux herausgegeben. Nach der Ausgabe 2019 folgte eine längere Corona-Pause. Im November wurde nun endlich das sechste Healthy Homes Barometer veröffentlicht. Inhaltlich geht es diesmal schwerpunktmäßig um das Thema Raumklima und wie sich dieses auf Gesundheit und Lebenszufriedenheit der Bewohner auswirkt.

Die neue Studie basiert auf Daten und Analysen, die RAND Europe – eine gemeinnützige politische Forschungsorganisation – durchgeführt hat. Unter anderem wurden rund 100.000 Haushalte aus den 27 EU-Staaten sowie aus Großbritannien, Norwegen und der Schweiz befragt. Velux ließ zudem aktuelle Daten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln in die Untersuchung einfließen. Diese zeigen auch, wie sich die derzeitige Energiekrise auf Gebäude und Gesundheit speziell in Deutschland auswirkt.

Deutschland im schlechteren Mittelfeld

Das mittlerweile sechste Healthy Homes Barometer ist im November erschienen.

Das mittlerweile sechste Healthy Homes Barometer ist im November erschienen.

Bereits die Lockdowns und der Homeoffice-Trend während der Corona-Pandemie haben laut Healthy Homes Barometer 2022 dazu beigetragen, „die Mängel von Wohnraum in Europa offen zu legen und die Notwendigkeit von nachhaltigem, gesundem und bezahlbarem Wohnraum, in dem sich alle wohlfühlen können, ins Zentrum des Bewusstseins zu rücken“. Die Qualität unseres Zuhauses bestimmt die Qualität unseres Lebens, heißt es an einer Stelle der Studie. Anders ausgedrückt: Je schlechter die Wohnverhältnisse, umso schlechter steht es auch meist um Gesundheit und Zufriedenheit der Bewohner.

Die Analysen von RAND Europe machen deutlich, dass bereits vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine 34 Mio. Europäer in zu kalten Wohnungen leben mussten. Weitere 29 Mio. waren von Dunkelheit, 69 Mio. von Feuchtigkeit und Schimmel und 92 Mio. von übermäßigem Lärm betroffen. Eine gesunde, warme Wohnung ist also auch im scheinbar so reichen Europa keine Selbstverständlichkeit, sondern eine soziale Frage.

Im europäischen Vergleich stehen die skandinavischen Länder mit Norwegen und Finnland an der Spitze, wenn es um gute Raumklima-Qualität geht. Die Erhebung von RAND Europe ergab, dass dort „nur“ 19 % der Einwohner über schlechte Wohnverhältnisse klagen. In der Slowakei (20 %) und der Tschechischen Republik (22 %) waren es nicht viel mehr. Die schlechtesten Bedingungen zeigen sich laut der aktuellen Wohngesundheitsstudie in Portugal (50 %) und Zypern (49 %).

Die genannten Prozentzahlen erfassen Haushalte, die mindestens einem der vier Raumklima-Risiken ausgesetzt sind: Feuchtigkeit/Schimmel, Kälte, übermäßiger Lärm und zu wenig Tageslicht. Betrachtet man die untersuchten Länder als Ganzes, trifft das auf ein Drittel aller Europäer zu und damit auf fast 163 Mio. Menschen.

Deutschland liegt hier mit 35 % im schlechteren Mittelfeld. 26% der Deutschen fühlen sich durch zu starken Lärm gestört. Velux weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass die subjektive Einschätzung, das Wohnumfeld sei zu laut, hierzulande deutlich vom real gemessenen Lärmpegel abweicht. Tatsächlich sei die reale Lärmbelästigung in Deutschland besser als in vielen anderen Ländern. Das heißt im Umkehrschluss, dass Deutschland im Ranking deutlich besser abgeschnitten hätte, wenn nicht die subjektiv wahrgenommene Lärmbelästigung so hoch beziehungsweise die diesbezügliche Toleranzschwelle so niedrig ausgefallen wäre.

Wachsende Energiearmut

Die Sanierung des Gebäudebestands wäre eine gute Lösung zur Bekämpfung der Energiekrise und ihrer gesundheitlichen Folgen.


Die Sanierung des Gebäudebestands wäre eine gute Lösung zur Bekämpfung der Energiekrise und ihrer gesundheitlichen Folgen.

Seit dem 24. Februar 2022 – dem Beginn der russischen Aggression – dürfte sich die Situation nicht verbessert haben. Im Gegenteil: Infolge explodierender Energiepreise wird eine warme Wohnung für viele Menschen zunehmend unerschwinglich. Energiearmut breitet sich mittlerweile auch in Bevölkerungsgruppen aus, die sich über dieses Thema bisher niemals den Kopf zerbrechen mussten. Zumal die Velux-Studie ergab, dass in Deutschland 20 % der Haushalte keinerlei Ersparnisse haben, und weitere 30 % nur für höchstens drei Monate.

Folgerichtig ist auch in Deutschland der Anteil der von Energiearmut betroffenen Menschen in den letzten Monaten deutlich angestiegen – von 13,6 % im Jahr 2020 über 14,5 % im Jahr 2021 auf 25,2 % im Mai 2022. Dabei handelt es sich um aktuelle Daten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, die Velux in das Healthy Homes Barometer einfließen lassen hat. Von Energiearmut eines Haushaltes spricht man übrigens, wenn die Energieausgaben mehr als 10 % des Haushaltsnettoeinkommens ausmachen.

Angesichts der Preisexplosion vor allem bei den Heizkosten, warnt Velux vor einem starken Anstieg von Schimmel im Gebäudebestand durch zu wenig Heizen und Lüften. Das würde dann automatisch auch zu einem Anstieg von Atemwegserkrankungen und mentalen Problemen bei den Gebäudenutzern führen.

Laut Studie leiden in Deutschland 26 % der Menschen an zu viel Lärm in ihrem Wohnumfeld. Der Gesamtdurchschnitt der übrigen untersuchten europäischen Länder lag hier nur bei 18 %. Bei den anderen Raumklima-Risiken sind die Zahlen geringer, bleiben aber gleichwohl alarmierend: Immerhin 12 % der Deutschen klagen über Feuchtigkeit und Schimmel (Europa: 13 %), 4 % über einen Mangel an Tageslicht (Europa: 5 %) und 3 % über Kälte (Europa: 7 %). Besonders gefährdet sind Haushalte, die allen vier Risiken zugleich ausgesetzt sind. Diese Haushalte berichteten auch deutlich häufiger von gesundheitlichen Problemen.

Wissenslücken bei Gebäudesanierung

Von den genannten Raumklima-Risiken sind Kälte sowie Feuchtigkeit/Schimmel sicher die gefährlichsten. Zum Zeitpunkt der Befragungen von RAND Europe konnten immerhin 2,5 Mio. Deutsche (34 Mio. Europäer) ihre Wohnung nicht ausreichend heizen. Unter Feuchtigkeit/Schimmel litten sogar 10 Mio. Deutsche (69 Mio. Europäer). Es gehört nicht viel Fantasie dazu, um sich vorzustellen, dass sich diese Zahlen angesichts der zunehmenden Energiearmut zuletzt noch einmal deutlich verschlechtert haben.

Das Problem der Energiearmut ließe sich langfristig durch die energetische Sanierung des Gebäudebestandes sowie eine Umstellung auf erneuerbare Heizenergien lösen. Das allerdings erfordert kurzfristig natürlich erst einmal hohe Investitionen seitens der Hausbesitzer. Doch selbst diejenigen, die sich das eigentlich leisten könnten, bleiben oft untätig.

Das Healthy Homes Barometer zeigt, dass diese Passivität oft einfach auf mangelndem Wissen der Hauseigentümer beruht. So erreichen in Deutschland rund 52 % der rund 19 Mio. Ein- und Zweifamilienhäuser nicht einmal die Effizienzklasse D, aber nur knapp 6 % der befragten Eigentümer wissen davon. Wem der Sanierungsbedarf bewusst ist, weiß zudem häufig nicht, wie Energiesparmaßnahmen durch Sanierungen konkret umzusetzen sind. „Wissen um den Zustand der Gebäude und die Potenziale einer Sanierung sind nur marginal bis gar nicht vorhanden“, heißt es in der Studie.

Till Reine, Head of Public Affairs DACH bei Velux, fordert daher mehr Aufklärung seitens der Politik: „Wenn die Bundesregierung eine Welle der energetischen Sanierung in Gang setzen will, muss sie zunächst massive Aufklärungsarbeit leisten, gleichzeitig aber auch sicherstellen, dass diese Kommunikationsoffensive bei den Bürgern ankommt. Dies scheint bislang noch zu wenig der Fall zu sein.“


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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