RM Rudolf Müller
Blick auf das Rohrdorfer Zementwerk, in dem die Pilotanlage errichtet wird.  Alle Bilder: Rohrdorfer

Blick auf das Rohrdorfer Zementwerk, in dem die Pilotanlage errichtet wird.  Alle Bilder: Rohrdorfer

Forschung, Technik und Trends
10. Juni 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

Kohlendioxid-Abscheidung im Zementwerk

Im bayerischen Rohrdorf entsteht zurzeit Deutschlands erste CO2-Abscheideanlage für die Zementproduktion. Künftig sollen dort pro Tag zwei Tonnen Kohlendioxid abgeschieden und zum Rohstoff für die regionale chemische Industrie umgewandelt werden.

Der Baustoffhersteller Rohrdorfer produziert Zement, Transportbeton, Fertigteile und Betonwaren sowie Sand und Kies an mittlerweile über 140 Standorten in Deutschland, Österreich, Italien und Ungarn. Hauptsitz des Unternehmens ist das bayerische Rohrdorf – daher der Firmenname. Auf dem dortigen Betriebsgelände des Zementwerks entsteht nun auf einer Fläche von 30 m2 die 25 m hohe CO2-Abscheideanlage.

Das Pilotprojekt bezeichnet der Hersteller als Meilenstein für die klimaneutrale Zementproduktion. Die Gesamtkosten der Anlage belaufen sich auf 3 Mio. Euro und werden von Rohrdorfer getragen. Eine weitere Anlage an einem anderen Rohrdorfer-Standort ist bereits in Planung.

Produktion von Ameisensäure geplant

3D-Modell der Abscheide-Pilotanlage.

3D-Modell der Abscheide-Pilotanlage.

Rohrdorfer hat das Pilotprojekt gestartet, um die Möglichkeiten der Abscheidung von Kohlendioxid im Rahmen der Zementproduktion zu erforschen. Die Anlage soll bis Ende Juni 2022 in Betrieb gehen und wird in Zusammenarbeit mit der Andritz-Gruppe errichtet. Der österreichische Spezialist für Anlagen- und Maschinenbau verfügt bereits über langjährige Erfahrungen beim Bau von CO2-Abscheidern in Kohlekraftwerken.

In der Pilotanlage werden zunächst die technischen, qualitativen sowie wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die CO2-Abscheidung und Umwandlung getestet. Bisher gibt es dazu ausschließlich Erfahrungswerte aus der Kohleverstromung. Für das Rohrdorfer Zementwerk hat Andritz die Anlage individuell angepasst, damit im Ergebnis die optimale Reinheit des CO2 bei gleichzeitig hoher Langlebigkeit des zur Abscheidung genutzten chemischen Lösungsmittels erreicht werden kann.

Sobald der CO2-Abscheidevorgang ausreichend getestet ist, wird die Anlage erweitert, um aus dem abgeschiedenen Kohlendioxid die vielseitig nutzbare Chemikalie Ameisensäure zu produzieren. Das wird voraussichtlich im Herbst 2022 möglich sein. Aus den zwei Tonnen Kohlendioxid, die die Anlage pro Tag abscheiden soll, können etwa 1.800 Liter Ameisensäure gewonnen werden. Diese dient unter anderem als Basis für viele Reinigungs-, Desinfektions- und Enteisungsmittel. Bei hohem Reinheitsgrad könnte das gewonnene Gas auch in der Lebensmittelindustrie verwendbar sein – etwa für die Kohlensäureanreicherung von Mineralwasser.

Beitrag zur Energiewende

Die Ergebnisse des Pilotprojekts sind für Rohrdorfer ein wichtiger Schritt, um das Ziel der deutschen Zementindustrie, bis 2050 klimaneutralen Zement zu produzieren, zu erreichen. Bereits heute wird am Standort Rohrdorf Zement mit 45 % weniger CO2 als 1990 hergestellt. Dies gelingt durch Optimierung der Zementsorten und des Brennstoffeinsatzes. Bis 2030 ist eine Reduktion um 65 % angepeilt. Die restlichen 35 % lassen sich nur noch durch Abscheidung reduzieren.

Die Kohlendioxid-Abscheidung ist außerdem ein wichtiger Beitrag zur Energiewende: Denn das abgeschiedene und umgewandelte Kohlendioxid kann Erdöl und Erdgas in der chemischen Industrie ersetzen. „Wir müssen beginnen, Kohlendioxid als Wertstoff statt als Problemstoff zu sehen“, sagt Dr. Helmut Leibinger, Leiter Anlagen- und Verfahrenstechnik bei Rohrdorfer, und skizziert anschließend den Einstieg in eine Kohlendioixd-Kreislaufwirtschaft: „Der Kohlenstoff im CO2 kann zu Methanol, Ethylen oder Ameisensäure und damit Ausgangsstoff für viele Produkte werden, die heute noch auf Erdölbasis hergestellt werden müssen.“


 

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