RM Rudolf Müller
Die Faserplatte aus Stroh ist ohne Kunstharze herstellbar.  Alle Fotos: Dahy / Universität Stuttgart

Die Faserplatte aus Stroh ist ohne Kunstharze herstellbar.  Alle Fotos: Dahy / Universität Stuttgart

Forschung, Technik und Trends
16. August 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Faserplatte aus Stroh

Eine Forscherin der Universität Stuttgart hat eine hochdichte und zugleich flexible Faserplatte für den Möbel- und Innenausbau entwickelt, die aus Strohfasern hergestellt wird und keine gesundheitsschädlichen Bindemittel enthalten soll. Die Erfindung wurde kürzlich unter dem Namen „Bioflexi“ als Marke eingetragen. Zurzeit werden Industriepartner gesucht, die die neuartige Platte herstellen können.

Herkömmliche Faserplatten werden aus Holz, Sägenebenprodukten oder Resthölzern hergestellt – man spricht daher auch von Faserholzplatten. Je nach Produktionsverfahren und Materialdichte unterscheidet man verschiedenen Platten. Am bekanntesten sind sicher die mitteldichten Faserplatten (MDF), die zum Beispiel im Möbel-, Küchen- und Ladenbau zum Einsatz kommen, und die besonders harten hochdichten Faserplatten (HDF), die darüber hinaus zum Beispiel auch als Trägermaterial für Bodenbeläge verwendet werden.

Für die Herstellung solcher klassischen Faserholzplatten verwendet man in der Regel Bindemittel auf Kunstharzbasis. Diese enthalten jedoch meist Stoffe wie Formaldehyd oder Isocyanate, die mehr oder weniger hohe Gesundheitsrisiken bergen. Zudem sind die gängigen Faserplatten zwar grundsätzlich recycelbar, aber nicht kompostierbar. Schließlich wird das Gestalten mit diesen Platten dadurch eingeschränkt, dass sie relativ hart und steif, also kaum biegbar sind.

Hochdichter und flexibler Bioverbundstoff

Per Lamination sind unterschiedlichste Designs denkbar.

Per Lamination sind unterschiedlichste Designs denkbar.

Seit Kurzem gibt es eine neue Alternative zu den beschriebenen Faserholzplatten. Dr. Hanaa Dahy, Junior-Professorin am Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE) der Universität Stuttgart, hat nämlich eine flexible HDF-Faserplatte entwickelt, die zu großen Teilen aus Strohfasern hergestellt wird und keine gesundheitsschädlichen Harze enthalten soll. Als Bindemittel kommt ein thermoplastisches Elastomer zum Einsatz, dass „umweltverträglich“ und „praktisch frei von Formaldehyd und Isocyanaten“ sein soll. So steht es in einer Pressemitteilung des Technologie Lizenz-Büros (TLB) der Baden-Württembergischen Hochschulen GmbH.

Das TLB sucht aktuell im Auftrag der Universität Stuttgart Firmenpartner, die eine solche Platte herstellen können. Die hochdichte und zugleich flexible – also biegbare – Faserplatte kann sowohl zur Herstellung von frei geformten Möbeln und Trennwänden als auch als Bodenbelag mit rutschhemmenden und schlagabsorbierenden Eigenschaften verwendet werden. Durch verschiedene Beschichtungen lässt sich der Bioverbundstoff auch wasserfest laminieren. Unterschiedliche Farben und Designs sind über eine entsprechende Lamination möglich. Durch den Zusatz verschiedener Bindemittel kann man zudem Flexibilität und Stabilität der Platten für verschiedene Anwendungsmöglichkeiten variieren.

Hersteller gesucht

Die patentrechtlich bereits geschützten, unter dem Namen „Bioflexi“ als Marke eingetragenen Platten lassen sich nach Angaben des TLB mit etablierten Produktionsmethoden herstellen. Das Stroh und das Biopolymer werden mit einem Extruder compoundiert und anschließend – je nach Anwendung – gepresst und durch Deckschichten in der gewünschten Form fixiert.

Für die Markteinführung sucht das TLB Firmenpartner, die Erfahrung mit der Herstellung von Faserplatten haben oder aber Firmen, die Naturmaterialien verarbeiten und über entsprechende Maschinen verfügen. Ideal wären Hersteller, die sich mit der Compoundierung von Faser und Biopolymer sowie der anschließenden Extrusion der Platten auskennen.

Kostengünstiger Rohstoff

Der Bioverbundstoff lässt sich aus Weizen-, Mais-, Reis-, Hafer-, Gersten- oder Roggenstrohfasern fertigen. Solche Naturfasern sind weltweit als Reststoff verfügbar und kosten deshalb wenig. Außerdem steht Stroh nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Die neuartigen Faserplatten könnte man zudem nach Ende ihrer Nutzungsdauer sowohl wiederverwerten als auch kompostieren. Werden die Faserplatten aus Reisstroh hergestellt, haben sie übrigens einen Silikat-Anteil von bis zu 20 % ihres Trockenfasergewichts. Das hat Vorteile für den Brandschutz, denn Silikat ist ein natürlich feuerhemmender Stoff.


 

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