
Mangelnde oder misslungene Kommunikation zwischen Azubi und Betrieb ist ein Hauptgrund für vorzeitige Ausbildungsabbrüche. Grafik: Pixabay
Neue Studie: Ursachen für vorzeitige Ausbildungsabbrüche
Jedes Jahr wird in Deutschland fast ein Viertel aller bestehenden beruflichen Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst. Allein 2015 war dies 142.000-mal der Fall. Göttinger Soziologen haben in einer Studie nach den Ursachen geforscht und sind der Frage nachgegangen, was man gegen vorzeitigen Ausbildungsabbruch tun könnte.
Die von der Vodafone-Stiftung geförderte Studie trägt den Titel „Reden ist Gold – Warum so viele Ausbildungsverträge zwischen Jugendlichen und Betrieben vorzeitig gelöst werden und was man dagegen tun kann“. Sie wurde im August 2016 vom Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) veröffentlicht.
Befragung externer Ausbildungsbegleiter
Die Autoren der Studie verfolgten unter anderem das Ziel, die Ursachen für vorzeitige Vertragslösungen genauer zu ergründen, denn diese lassen sich allein durch Auswertung amtlicher Statistiken nur schwer erfassen. Wissenschaftliche Befragungen von Auszubildenden und Betrieben zu diesem Thema gibt es zwar bereits, aber bei diesen überwiegt oft der Eindruck, dass die Befragten einfach nur der jeweils anderen Seite die Verantwortung für die Vertragslösung zuschieben wollen.
„Deshalb haben wir erstmals systematisch Ausbildungsbegleiter befragt, also externe Vermittler, die Jugendliche und Betriebe beraten“, erläutert Studienleiter Dr. Harald Wolf die Vorgehensweise des SOFI. Diese außenstehenden, aber erfahrenen Expertinnen und Experten haben laut Wolf nicht nur eine unparteiische Sicht, sondern auch einen tiefen Einblick in viele Fälle von Ausbildungsabbrüchen und können somit auch Lösungswege aufzeigen. Für die Studie „Reden ist Gold“ hat das SOFI bundesweit 23 Ausbildungsbegleiter aus neun unterschiedlichen Projekten und Organisationen an zwölf Standorten in qualitativen, leitfadengestützten Interviews befragt.
Natürlich sind vorzeitige Vertragslösungen nicht durchweg negativ zu beurteilen. Schließlich gibt es auch sinnvolle Neuorientierungen, wenn etwa junge Menschen erkennen, dass der angestrebte Beruf doch nicht zu ihnen passt. Doch in vielen Fällen ist der Ausbildungsabbruch eben auch die Folge vermeidbarer Probleme zwischen Azubis und ihren Arbeitgebern.
Drei Hauptprobleme

Je nach Ausbildungsberuf variiert die Vertragslösungsquote erheblich. Grafik: Vodafone Stiftung
Als Probleme, die in der Praxis immer wieder zu vorzeitigen Vertragslösungen führen, nennen die befragten Ausbildungsbegleiter vor allem drei große Herausforderungen, die sich gegenseitig verstärken. Die Formulierung „Reden ist Gold“ nimmt schon ein Ergebnis der Studie vorweg. Einer der Hauptgründe für vorzeitige Ausbildungsabbrüche sind offenbar Konflikte, die durch mangelnde oder misslungene Kommunikation zwischen Auszubildenden und Betrieben befeuert werden.
Ein weiteres Problem betrifft vor allem Klein- und Kleinstbetriebe, die immerhin rund 44 % aller Ausbildungsplätze in Deutschland stellen. Diese verfügen oft über zu geringe personelle Ressourcen, um die Ausbildung ausreichend zu organisieren. In vielen Fällen werde der Betrieb deshalb von den Azubis kaum als Lernort erlebt, sondern vor allem als Arbeitsort, an dem sie sich völlig den Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen des Betriebes unterordnen müssen – so die Beobachtung von Ausbildungsbegleitern. Erschwerend kommt hinzu, dass in kleinen Betrieben der Ausbilder oft zugleich Betriebsleiter ist. Das führt in vielen Fällen zu einer strengen Hierarchie, wodurch die Azubis gehemmt werden, ihre Interessen deutlich zu machen. In Konfliktsituationen erschwert das eine sachliche Kommunikation.
Die dritte Hauptursache für vorzeitige Vertragslösungen ist bei den Azubis selbst zu suchen. Vor allem für die vielen jugendlichen Berufsstarter bedeutet die Ausbildung eine große Umstellung in einem ohnehin schwierigen Alter. Die Ausbildungszeit ist für sie eine Phase der Rollenfindung – als Erwachsene und Arbeitnehmer. Oft fühlen sie sich durch die vielen neuen Verhaltensanforderungen überfordert und tun sich schwer damit, die betrieblichen Anforderungen und Verhaltensvorschriften einzuhalten. Das führt zu Konflikten und in der Folge leider oft auch zu Ausbildungsabbrüchen.
Offene Kommunikation notwendig
Für erfolgreiche Ausbildungsverhältnisse, die von Respekt und Vertrauen geprägt sind, ist der Studie zufolge ein beidseitiger offener Meinungs- und Interessensaustausch wichtig. Die Erfahrung der Ausbildungsbegleiter zeigt, dass Ausbildungsverhältnisse eher scheitern, wenn in Betrieben keine „Gesprächskultur“ gepflegt wird. Das ist der Fall, wenn die Azubis keine klaren Ansprechpartner haben und keine regelmäßigen Anleitungs- und Feedbackgespräche geführt werden. Die Azubis nehmen eine solche Situation als fehlenden kollegialen Respekt und als eigene Machtlosigkeit wahr und resignieren dann häufig.
Als einen Lösungsansatz empfehlen die befragten Ausbildungsbegleiter, dass die jungen Menschen bereits in der Schule eine praxisnähere Berufsbildung erlernen müssten. Wenn man weiß, was einen erwartet, kann man besser damit umgehen. Die Schulen müssten viel konkretere Informationen über die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen in den unterschiedlichen Berufen und Branchen vermitteln. Außerdem sind häufigere und längere Praktika notwendig.
Externe Beratung stärken
Um vor allem kleinere Betriebe bei der Ausbildung zu unterstützen, gibt es bereits einige Angebote der externen Ausbildungsberatung und -begleitung. Diese sind aber meist befristet. Aus dem Kreis der befragten Ausbildungsbegleiter wird deshalb die Einrichtung dauerhaft finanzierter, regionaler Informations- und Beratungsstellen empfohlen, die Ausbilder in den Betrieben gezielt unterstützen und regelmäßig weiterbilden.
Aber natürlich müssten sich auch die Strukturen in vielen Betrieben ändern, wenn die Anzahl der vorzeitigen Ausbildungsabbrüche künftig sinken soll. Die in der SOFI-Studie befragten Ausbildungsbegleiter fordern unter anderem eine bessere Qualifizierung des Ausbildungspersonals, auch durch verpflichtende Fortbildungen. Vor allem die Fähigkeiten der Ausbilder zum konstruktiven Umgang mit Konflikten und andere Kommunikationsfähigkeiten müssten vielfach noch verbessert werden.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
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