
Neue Baustoffe aus Abbruchmaterialien herzustellen, ist meist auch aus energetischer Sicht sinnvoll. Foto: Pixabay
Studie zum Baustoff-Recycling
Aus ökologischer Sicht lohnt sich Baustoff-Recycling eigentlich immer. Schließlich muss man der Natur weniger Rohstoffe entnehmen, wenn für neue Produkte Materialien aus Abbruchhäusern wiederverwendet werden. Doch lohnt sich die Kreislaufwirtschaft auch aus energetischer Sicht? Sprich: Kann die Industrie ihren Energieaufwand senken, wenn sie in ihre Produktion mehr Rückbaumaterialien und dafür weniger neu abgebaute Rohstoffe einfließen lässt? Mit dieser Frage setzt sich eine aktuelle Studie auseinander.
Baustoff-Recycling hilft bei der Schonung natürlicher Ressourcen. Das ist unbestritten. Doch auch aus energetischer Sicht ist es sinnvoller, Abbruchmaterial für neue Baustoffe wiederaufzubereiten, anstatt ausschließlich neu abgebaute Rohstoffe zu verwenden. Diese Aussage gilt allerdings nicht immer, entscheidend sind auch Details wie Materialart und geplante Materialverwendung.
So lässt sich kurz und knapp das Ergebnis der 2019 fertig gestellten Studie zusammenfassen, die ihrerseits einen ziemlich langen Namen trägt: „Sekundärstoffe aus dem Hochbau – Energie- und Materialflüsse entlang der Herstellung und des Einsatzortes von Sekundärstoffen aus dem Hochbau für den Baubereich“. Dass im Studientitel gleich zweimal das Wort „Sekundärstoffe“ vorkommt, ist natürlich kein Zufall. Der Begriff bezeichnet hier Rückbaumaterialien alter Bauwerke, die derart aufbereitet sind, dass sie ein weiteres Mal als Rohstoffe in die Fertigung neuer Baustoffe einfließen können.
Acht Bauproduktgruppen analysiert
Erstellt wurde die Studie gemeinsam vom Dresdener Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) und von der Intecus GmbH – einem Ingenieur- und Beratungsunternehmen für Abfallwirtschaft, ebenfalls aus Dresden. Ziel war es zu prüfen, inwieweit sich das Recycling von Baumaterial auch aus energetischer Sicht lohnt.
Dafür nahmen die Autoren der Studie acht verschiedene Bauproduktgruppen näher unter die Lupe: Beton, Ziegel, Kalksandstein, Gips, Flachglas, Steinwolle, PVC-Profile (etwa für Fensterrahmen) und PVC-Bodenbeläge. Gegenstand der Untersuchung waren ausschließlich Rückbaumaterialien aus dem Hochbau. Baustellenabfälle wurden nicht betrachtet.
Für jede der Bauproduktgruppen zeichnet die Studie zwei bis drei beispielhafte Nutzungen in Form charakteristischer Prozessketten vom Rückbaumaterial bis zur Einsatzvariante nach und analysiert sie aus energetischer Perspektive. „Die Herausforderung bestand darin, eine Methode zu entwickeln, die es uns ermöglicht, die Energieaufwände zu vergleichen – zum einen jene, die beim Recycling der einzelnen Baustoffe anfallen und zum anderen diejenigen, die für die Herstellung neuer Baustoffe aus natürlichen Ressourcen erforderlich sind“, erläutert Karin Gruhler, Projektverantwortliche im IÖR.
Für jede der Bauproduktgruppen wurde ermittelt, wie viel Energie erforderlich ist, um aus Abbruchmaterial einen Baustoff herzustellen, der einem neu gewonnen gleichwertig ist. Die Forschenden untersuchten erstens die Aufbereitung des Rückbaumaterials zum Sekundärstoff. Für diesen kalkulierten sie dann zweitens, wie viel Aufwand erforderlich ist, um ihn so weiterzuverarbeiten, dass er ein Bauprodukt qualitativ gleichwertig ersetzen kann, das ohne Recyclinganteile gefertigt wird.
Den so kalkulierten Energiebedarf verglichen die Forschenden schließlich mit der Energiemenge, die bei der Herstellung desselben Bauproduktes anfällt, wenn dieses komplett aus Primärstoff erzeugt wird – also aus frisch der Natur entnommenen Rohstoffen.
Recycling lohnt sich – mehr oder weniger

Hier wird im Brecher aus Recycling-Steinen Porenbetonmehl für neue Produkte gewonnen. Foto: Xella
Am Ende ihrer Analysen kommen die Autoren zu dem Schluss, dass Recycling in der Regel mit einem niedrigeren energetischen Aufwand verbunden ist als der Primärstoffeinsatz – aber eben nicht in jedem Fall. Am meisten lohnt sich die Wiederverwertung bei den PVC-Produkten. „Die Energiebilanz spricht bei Kunststoffen immer für das Recycling“, erläutert Karin Gruhler. Das ist so, weil die Herstellung aus den Primärstoffen Erdöl/Erdgas sehr energieintensiv ist.
„Bei mineralischen Produkten kommt es auf die Qualitätsanforderung der neuen Verwendung an“, so Gruhler weiter. Für Beton, Ziegel und Kalksandstein kommt die Studie unter dem Strich dennoch zu dem Schluss, dass die Herstellung von Substituten aus recycelten Rückbaumaterialien weniger Energie verbraucht als die Herstellung des äquivalenten Primärstoffs. Dasselbe gilt für Flachglas: Der Recyclingprozess von Altglas ist energiesparender als die Gewinnung von Quarzsand für neues Flachglas.
Anders sieht die Sache beim Gips aus. Dessen Recyclingprozess sei aktuell noch energieintensiver als die Gewinnung von Natur- oder REA-Gips – heißt es in der Studie. Und für Steinwolle-Dämmstoffe formulieren es die Autoren sogar noch deutlicher: „Die Herstellung eines Substituts benötigt mehr Energie als die Herstellung des äquivalenten Primärstoffs. Unmittelbare Energieeinsparungen durch Recycling sind demnach nicht möglich.“ Zur Erinnerung: Das heißt natürlich nicht, dass Steinwolle-Recycling zur Schonung natürlicher Ressourcen nicht trotzdem Sinn machen kann!
Studie lässt Fragen offen
Die Autoren der Studie weisen allerdings darauf hin, dass ihre Ergebnisse noch nicht abschließend gelten. Es handele sich um eine Sondierungsstudie, die noch viele Fragen offenlasse. Die tatsächlichen Energieverbräuche entlang der Recycling-Prozessketten konnten zum Teil nur grob geschätzt werden. So war es zum Beispiel bei den Produktionsmaschinen, die im Baustoff-Recycling zum Einsatz kommen.
Unklar sei auch, wie es sich mit Energieverbräuchen für den Transport verhält. „Die Wegstrecken von der Baustelle zum Recycling-Unternehmen oder von dort zum neuen Einsatzort können sehr unterschiedlich lang sein“, erläutert Karin Gruhler ein großes Problem bei der Verallgemeinerung der Energieverbräuche. Der Ergebnisbericht zur Studie enthält daher auch viele Hinweise, wo noch weitere Forschung dringend erforderlich sei.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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