RM Rudolf Müller
Französischer Autobahnrastplatz: Diese Wand besteht zu 100 % aus Recyclingbeton.  Foto: TUK

Französischer Autobahnrastplatz: Diese Wand besteht zu 100 % aus Recyclingbeton.  Foto: TUK

Forschung, Technik und Trends
12. April 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Bauabfälle für neue Betonteile

Wie aus mineralischen Bauabfällen etwas Neues und Nützliches entsteht, zeigt das EU-Projekt SeRaMCo. An dem Forschungsverbund beteiligte sich auch die TU Kaiserslautern, die vier Jahre lang marktfähige Lösungen zur Rezyklierung und Wiederverwendung von Abbruchmaterial für neue Betonbauteile untersucht hat.

Die Abkürzung SeRaMCo steht für „Secondary Raw Materials for Concrete Precast Products“ (Sekundärrohstoffe für Betonfertigteile). An dem von der EU mit 4,3 Mio. Euro geförderten Projekt waren neben der TU Kaiserslautern zehn weitere Industrie- und Forschungspartner aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden beteiligt.

Beton besteht bekanntlich aus Zement, Gesteinskörnungen sowie – je nach gewünschter Baustoffeigenschaft – bestimmten Betonzusatzmitteln. Beim Projekt SeRaMCo ging es nun um die Erforschung marktfähiger Lösungen für einen Beton der Zukunft, dessen Gesteinskörnungen aus Bauabfällen gewonnen werden. Ein solcher R-Beton ist nachhaltiger als klassischer Beton, weil dabei Bauabfälle als Sekundärrohstoffe wiederverwendet und der Abbau natürlicher Steinressourcen (Primärrohstoffe) vermieden oder zumindest eingeschränkt wird.

Thema von hoher Relevanz

„Etwa die Hälfte der in Europa vorhandenen Primärrohstoffe, darunter Ton und Kalkstein aus Steinbrüchen, kommen im europäischen Bausektor zum Einsatz, der zugleich ein Drittel aller Abfälle produziert“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Christian Glock, der an der TU Kaiserslautern das Fachgebiet Massivbau und Baukonstruktion leitet. Das heißt im Umkehrschluss: Die nachhaltigen Lösungen, zu denen das Projekt SeRaMCo geforscht hat, sind keinesfalls ein kleines Spezialgebiet, sondern haben eine große Relevanz.

Christian Glock: „Bis zu 95 % der Inertabfälle von Abbruchgeländen werden bislang als Verfüllmaterial und für den Straßenunterbau verwendet. Nur ein Bruchteil davon gelangt in den Wertstoffkreislauf der Zement- und Betonherstellung zurück. Diese Lücke können wir jetzt schließen.“ Zur Erläuterung: Als Inertabfälle bezeichnet man ungefährliche Abfälle, „die keinen wesentlichen physikalischen, chemischen oder biologischen Veränderungen unterliegen, sich nicht auflösen, nicht brennen und nicht in anderer Weise physikalisch oder chemisch reagieren, sich nicht biologisch abbauen und andere Materialien, mit denen sie in Kontakt kommen, nicht in einer Weise beeinträchtigen, die zu nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt oder die menschliche Gesundheit führen könnte“ (Quelle: Wecobis-Lexikon). Letztlich geht es also um diejenigen Bauabfälle, die sich auch tatsächlich sicher recyceln lassen.

Erfolgreiche Pilotobjekte

Die beim SeRaMCo-Projekt untersuchten Stoffkreisläufe beginnen beim planmäßigen Gebäudeabriss, setzen sich mit der im Projekt entwickelten hochwertigen Materialaufbereitung von Sand und Gesteinskörnungen fort und reichen bis hin zur Zementherstellung aus rezyklierten Sanden und schließlich zur Betonherstellung mit rezyklierten Gesteinskörnungen. Ziel ist es, dass Sand und Gesteinskörnungen wieder und wieder in Bauten zum Einsatz kommen. „Ergebnis unserer Forschung sind neue Zement- und Betonmischungen sowie innovative Betonfertigteile aus rezyklierten Gesteinskörnungen“, so Glock. „Mit zwei bereits abgeschlossenen Pilotobjekten konnten wir schlussendlich zeigen, dass Bauen damit sehr gut möglich ist.“

An einem Autobahnrastplatz in der Nähe des französischen Thionville haben die Projektpartner in interdisziplinärer Zusammenarbeit im September 2020 eine Wand aus L-förmigen Fertigteilen fertiggestellt, die zu 100 % aus Recyclingbeton bestehen (siehe Foto oben). Die Wand trägt eine Inschrift mit dem Namen des Rastplatzes und heißt Besucherinnen und Besucher willkommen. Das zweite Bauwerk, ein Pavillon mit einer Fläche von knapp 5 x 7 m aus Fertigteilen, die recycelte Baumaterialien enthalten, entstand im Pirmasenser Stadtteil Husterhöhe. Das dritte Objekt, ein Parkour-Park im belgischen Seraing, befindet sich derzeit noch in Planung.

Übrigens hat die TU Kaiserslautern bereits im Oktober 2018 auf ihrem Campus das deutschlandweit erste Gebäude errichtet, für dessen Außenwände ausnahmslos Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung zum Einsatz kam. Dieses so genannte Small House III wird von den Forschern mehrere Jahre mithilfe zahlreicher Sensoren überwacht. So will man das bauphysikalische Verhalten des Betons einem Langzeittest unterziehen. Dieses Objekt entstand im Rahmen des Verbundforschungsprojekts „R-Beton – Werkstoff der nächsten Generation“. Wir haben darüber in unserem Beitrag „Was ist R-Beton?“ berichtet.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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