RM Rudolf Müller
Bei Asbestgefahr sind Sanierungen nur unter aufwändigen Schutzvorkehrungen erlaubt. Foto: Jan Tornack / pixelio.de

Bei Asbestgefahr sind Sanierungen nur unter aufwändigen Schutzvorkehrungen erlaubt. Foto: Jan Tornack / pixelio.de

Forschung, Technik und Trends
20. Januar 2020 | Artikel teilen Artikel teilen

TÜV Nord: Verfahren zur Asbestprüfung

In 75 % der deutschen Gebäude könnten nach wie vor Putze und Spachtelmassen vorhanden sein, die Asbest enthalten – schätzt der TÜV Nord. Der krebserregende Gefahrstoff lauere zudem in vielen Brandschutzklappen. Entsprechende Prüfungen werden aber oft aufgeschoben, nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Gefahren. Der TÜV Nord hat nun Prüfverfahren entwickelt, die nach Angaben des technischen Überwachungsvereins risikofrei und kosteneffizient sind.

Bei Asbest handelt es sich um mineralische Naturfasern, die chemisch betrachtet aus kristallisierten Silikat-Mineralen bestehen. Die sehr festen, hitze- und säurebeständigen sowie hervorragend dämmenden Asbestfasern hat man früher zahlreichen Baustoffen beigemischt. Sie erhöhten zum Beispiel die Biege-, Zug- und Druckfestigkeit von Faserzementplatten, steckten zum Zweck des Feuer- und Hitzeschutzes in unterschiedlichsten Leichtbaumaterialien, wurden in Bodenbelägen und Fliesenklebern verarbeitet, aber auch in zahlreichen Putz- und Mörtelprodukten sowie Spachtelmassen. Der TÜV Nord schätzt, dass noch vor wenigen Jahrzehnten mindestens 1.000 industriell hergestellte Asbestprodukte auf dem Markt waren.

Verbot seit 1993

In Deutschland gibt es erst seit 1993 ein generelles Verbot, asbesthaltige Produkte herzustellen und zu verarbeiten. In anderen europäischen Ländern dauerte die Verbannung des Materials zum Teil noch länger, obwohl schon viel früher bekannt war, dass ein Einatmen der extrem feinen Fasern Lungenkrebs und andere Krankheiten auslösen kann. Heute gelten Bauprodukte nach deutschem Recht bereits ab einem Asbestanteil von 0,1 % als Gefahrstoff.

Das Verbot ändert natürlich nichts daran, dass Asbestfasern weiterhin in großem Umfang in den Baustoffen von Bestandsgebäuden stecken. Ein Grund zur Panik ist dies nicht unbedingt, weil die Fasern meist durch Bindemittel gebunden sind und daher nicht eingeatmet werden können. Gefährlich wird es aber immer dann, wenn asbesthaltige Baustoffe abgerissen oder mechanisch bearbeitet werden – also insbesondere bei Sanierungsmaßnahmen.

Prüfungen vorgeschrieben

Für alle Bauwerke, die vor 1995 errichtet wurden, besteht nach Angaben des TÜV Nord zumindest der Verdacht, dass asbesthaltige beziehungsweise mit Asbest verunreinigte Produkte verbaut wurden. Davon sind auch viele öffentliche Gebäude wie Krankenhäuser, Einkaufszentren und Schulen betroffen. Sanierungen sind dann nur unter aufwändigen Schutzvorkehrungen erlaubt.

Bauherren, die Maßnahmen an einem wahrscheinlich asbestbelasteten Objekt vornehmen wollen, müssen eigentlich vor Beginn der Arbeiten eine Gefährdungsbeurteilung durchführen lassen. Das gilt auch für möglicherweise asbesthaltige Brandschutzklappen. Doch die Praxis sieht offenbar mitunter anders aus. „Da im Prüfverfahren Asbestfasern theoretisch freigesetzt werden können, schrecken manche Prüforganisationen vor den baurechtlich vorgeschriebenen Tests zurück“, sagt Thomas Schliwka, Leiter des Labors für Bauwerksuntersuchungen beim TÜV Nord. „Wir sind aktuell der einzige Dienstleister, der prüft und gleichzeitig nachweisen kann, dass es dabei zu keinem Asbestaustritt kommt.“

TÜV-Prüfung für Brandschutzklappen

Es ist baurechtlich vorgeschrieben, dass Brandschutzklappen zum Test ihrer Funktionstüchtigkeit regelmäßig ausgelöst werden müssen. Problem: Sie dürfen aber nur auslösen, wenn durch eine Gefährdungsbeurteilung ausgeschlossen wurde, dass dabei Asbest freigesetzt wird. Wer vor dieser Prüfung zurückgeschreckt, weil er die Freisetzung gefährlicher Fasern fürchtet, dem bleibt nach geltenden Recht eigentlich nur die Möglichkeit, alle Brandschutzklappen im Gebäude vorsorglich austauschen zu lassen – auch wenn gar nicht sicher ist, ob diese Asbest enthalten beziehungsweise freisetzen.

Um unnötige Sanierungskosten vermeiden zu helfen, hat das Labor des TÜV Nord bereits 2018 ein angeblich sicheres Prüfverfahren für die Gefährdungsbeurteilung von asbesthaltigen Brandschutzklappen entwickelt. Nach Angaben des Überwachungsvereins lässt sich damit auch unmittelbar vor dem Testen feststellen, ob das Material der Klappen intakt und damit eine Asbestfreigabe ausgeschlossen ist. Thomas Schliwka: „Gebäudebetreiber können sich so den vorsorglichen Austausch aller Brandschutzklappen sparen, was im Einzelfall mit sehr hohen Aufwendungen verbunden sein kann.“

Asbest in Putzen und Spachtelmassen

In Bestandgebäuden steckt Asbest zum Beispiel noch häufig in Putzen und Spachtelmassen. Foto: Unsplash/ Nolan Issac

In Bestandgebäuden steckt Asbest zum Beispiel noch häufig in Putzen und Spachtelmassen. Foto: Unsplash/ Nolan Issac

Verputzte beziehungsweise verspachtelte Flächen eines Gebäudes sind normalerweise zu groß, um sie mithilfe einzelner Proben korrekt bewerten zu können. Doch auch hier hat der TÜV Nord nach eigenen Angaben nun ein funktionierendes, risikofreies Prüfverfahren entwickelt. „Mit unseren neuen Prüfprozessen für Putze und Spachtelmassen können wir beurteilen, ob definierte Bauwerksflächen als mit Asbest belastet gelten müssen oder nicht“, sagt Thomas Schliwka.

Das neue Verfahren wird von geschulten Prüfern vorgenommen, die gelernt haben, gezielte Stichproben zu entnehmen, welche die gesamte Putz- oder Spachtelfläche repräsentieren. Anschließend werden die Proben mithilfe einer speziellen Methode für die weitere mikroskopische Untersuchung vorbereitet. „So lässt sich einfach und schnell bestimmen, ob Asbest verbaut wurde“, erklärt Schliwka.

Expertenausbildung

Zur Ausführung der neuen Prüfungsdienstleistungen hat der Überwachungsverein extra Experten für die Gefährdungsbeurteilung ausgebildet. Es handelt sich dabei um eine neue Generation von Sachverständigen – so genannte Safety Advisor –, die sich speziell mit der Thematik „Gefährdungsbeurteilungen“ zur Abwehr von Asbestrisiken beschäftigen.

Die Ausbildung zum Safety Advisor findet beim TÜV Nord im Rahmen des Qualitätsmanagements des Labors für Bauwerksuntersuchungen statt. Die Absolventen lernen Prüfprozesse, mit denen sich abklären lässt, ob und wo sich in einem Gebäude asbestbelastete Flächenbaustoffe (Putze, Spachtelmassen, Mörtel, Estriche) mit einem Massenanteil ab 0,1 % befinden. Außerdem lernen sie, wie man bei Wartungen oder baurechtlichen Prüfungen von asbesthaltigen Brandschutzklappen Asbestexpositionen vermeidet.

Kosten

Die Prüfung von Flächenbaustoffen kostet nach Angaben des TÜV Nord „mehrere tausend Euro“ – je nach Größe und Beschaffenheit des Bauwerks. Die Dienstleistung richtet sich vor allem an Betreiber größerer Objektbauten wie etwa Krankenhäuser, Schulen, Einkaufzentren und Verwaltungsgebäude. Bei Interesse können sich aber auch Privatpersonen an den TÜV Nord wenden.

Zu den Kosten für eine Prüfung von asbesthaltigen Brandschutzklappen im Rahmen einer Wartung beziehungsweise Baurechtsprüfung machte der Überwachungsverein auf Nachfrage von BaustoffWissen keine genaueren Angaben. Nur soviel: Die Kosten würden ungefähr 5 % der Kosten betragen, die entstehen, wenn man die asbesthaltigen Klappen komplett gegen neue Brandschutzklappen austauscht.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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