RM Rudolf Müller
Auf dem Oktoberfest tummeln sich viele Menschen – und noch viel mehr Luftkeime.  Foto: Pixabay

Auf dem Oktoberfest tummeln sich viele Menschen – und noch viel mehr Luftkeime.  Foto: Pixabay

Forschung, Technik und Trends
09. November 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

Weniger Viren dank UVC-Licht

Unsichtbares UVC-Licht kann in geschlossenen Räumen Bakterien, Viren, Pilze und Sporen inaktivieren und somit zu einer besseren Luftqualität beitragen. Lassen sich auf diese Weise auch Großveranstaltungen sicherer machen? Diese Frage haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem diesjährigen Münchner Oktoberfest erforscht.

Als UVC bezeichnet man ultraviolettes Licht im Wellenlängenbereich von 100 bis 280 Nanometer. Auch die Sonne strahlt solches Licht ab, es dringt aber nicht bis zur Erdoberfläche, da es vorher von der Atmosphäre herausgefiltert wird. Künstlich erzeugtes UVC-Licht jedoch nutzt man schon länger zur Desinfektion in verschiedenen Branchen – etwa im Medizinbereich und bei der Wasserentkeimung.

UVC-Licht kann aber auch in der Luft enthaltene Keime (Bakterien, Viren, Pilze, Sporen) unschädlich machen. Es durchdringt sogar die Hülle von Corona-Viren und inaktiviert diese, woraufhin sie nicht mehr infektiös sind. Dasselbe funktioniert aber auch mit anderen Luftkeimen. Die Wirkung des Lichts besteht konkret darin, dass es das Erbgut der Mikroorganismen schädigt, sodass diese nicht mehr vermehrungsfähig sind.

Messungen im Festzelt

Die UVC-Geräte von Signify wurden unauffällig unter der Festzeltdecke angebracht. Foto: Festhalle Schottenhamel / K. Jungblut

Die UVC-Geräte von Signify wurden unauffällig unter der Festzeltdecke angebracht. Foto: Festhalle Schottenhamel / K. Jungblut

Angesichts solcher Eigenschaften liegt gerade in Corona-Zeiten die Frage nahe, ob man mit UVC-Licht nicht auch die Luft in Innenräumen „reinigen“ und somit die Ansteckungsgefahr für Menschen senken kann. Tatsächlich konnte in kleineren Räumlichkeiten ein derartiger Effekt des Lichts bereits nachgewiesen werden. So hat das Fraunhofer-Institut für Bauphysik (Fraunhofer IBP) 2021 im Rahmen des Projekts „CineCov“ den Einsatz von UVC-Technologie in einem Kinosaal mit 55 Sitzplätzen untersucht. Dabei wurde die Wirksamkeit der Luftreinigung bestätigt.

Ein aktuelles Forschungsprojekt des Leistungszentrums Sichere Intelligente Systeme befasste sich nun mit der Frage, ob man mit UVC auch die Luftqualität bei Großveranstaltungen verbessern kann. Das Leistungszentrum ist ein Zusammenschluss des Fraunhofer IBP sowie fünf weiteren Fraunhofer-Instituten mit der TU München, der Universität der Bundeswehr München und der Hochschule München. Die jüngsten UVC-Messungen der Forschungsgemeinschaft fanden in einem großen Festzelt auf dem diesjährigen Münchner Oktoberfest statt.

Ort des Versuchs war die Festhalle Schottenhamel, das älteste Festzelt auf „der Wiesn“, das auf einer Fläche von 4.800 m2 über 6.000 Sitzplätze bietet. Dort haben Mitarbeitende des Fraunhofer IBP vier Tage lang Messungen vorgenommen, um herauszufinden, was mit den Mikroorganismen in der Luft geschieht, wenn sie auf UVC-Licht treffen. Ziel war es herauszufinden, ob sich die Anzahl an vermehrungsfähigen Luftkeimen – und damit die Ansteckungsgefahr – reduzieren lassen, ohne dass die Besucher von der verwendeten Technik Notiz nehmen.

Versuchsaufbau

Der blaue Kasten hat es in sich: Hier erfolgte die Entnahme der Luftproben aus dem Festzelt. Foto: Fraunhofer IBP / Christian Scherer

Der blaue Kasten hat es in sich: Hier erfolgte die Entnahme der Luftproben aus dem Festzelt. Foto: Fraunhofer IBP / Christian Scherer

Der Versuchsaufbau sah wie folgt aus: Unter der Decke des Festzeltes wurden insgesamt 14 UVC-Geräte des Technologie-Partners Signify (ehemals Philips Lighting) installiert. Diese Apparate haben in etwa die Größe von Videoprojektoren und wurden an zwei Tagen des Oktoberfestes angeschaltet. An den beiden anderen Tagen des Versuchszeitraums blieben die Geräte aus, um aussagekräftige Vergleichswerte erheben zu können. Während der gesamten vier Tage sammelte das Fraunhofer IBP Luftproben, die später im mikrobiologischen Labor des Instituts auf Luftkeime untersucht wurden.

Da Atemluft wärmer ist als die Umgebungsluft, steigt sie automatisch in den Deckenbereich des Festzeltes auf. Dieser natürliche Effekt reduziert zunächst die Ansteckungswahrscheinlichkeit unter den Festzeltgästen. Dummerweise kühlt die warme, aufsteigende Atemluft an der Raumdecke aber ab und sinkt wieder zu Boden, wo sie von den dortigen Menschen erneut eingeatmet wird. Durch ihren Versuchsaufbau wollten die die Forschenden nachweisen, dass die Luftkeime der Atemluft zumindest zum Teil ihre Vermehrungsfähigkeit verlieren, wenn sie in den Bereich der UVC-Geräte kommen und auf deren unsichtbares Licht treffen.

Vermehrungsfähige Mikroorganismen reduziert

Tatsächlich ergaben die Untersuchungen, dass an den Tagen mit Betrieb der UVC-Geräte die Anzahl vermehrungsfähiger Mikroorganismen in den Luftproben reduziert war. Die Menge an „koloniebildenden Einheiten“ war bei diesen Beprobungen geringer als an den Referenztagen, sodass im Vergleich eine kleinere Hintergrundbelastung an Luftkeimen vorlag.

Das galt zum Beispiel für Corona-Viren, aber auch für Luftkeime, die für verschiedene andere Infektionen verantwortlich sind und schon seit jeher nach dem Besuch großer Veranstaltungen zu Grippe oder Erkältungskrankheiten geführt haben. „Das Phänomen, dass in größeren Personengruppen die Anzahl der Luftkeime höher ist, ist nichts Neues“, erläutert Prof. Gunnar Grün, Projektinitiator und stellvertretender Leiter des Fraunhofer IBP. „Früher haben wir das recht selbstverständlich hingenommen. Seit Corona hat sich die Sensibilität diesbezüglich stark erhöht.“

Der Professor ist überzeugt davon, dass technologische Lösungen einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten können, das Wohlbefinden und die Sicherheit bei einer Großveranstaltung zu steigern. „Wenn die Luft hygienisiert werden kann, hat das neben der konkreten Verringerung der potenziellen Keimbelastung auch positive Effekte auf eine sorgenfreie Atmosphäre“, ergänzt Grün.

Sicherheitsvorkehrungen notwendig

UVC-Technologie wird nicht nur zur Luftreinigung, sondern auch in anderen Bereichen schon seit Längerem erfolgreich angewendet. So spielt das Licht eine wichtige Rolle bei der Desinfektion, zum Beispiel in der Lebensmittelproduktion, im Medizinbereich oder bei der Wasserentkeimung.

Der Einsatz der Technik darf allerdings nur unter Einhaltung von Sicherheitsvorkehrungen erfolgen. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) warnt auf seiner Website ausdrücklich davor, UVC-Entkeimungsgeräte direkt am menschlichen Körper einzusetzen. Als akute Reaktion könne dies schmerzhafte Augen- und Hautentzündungen auslösen. Auf lange Sicht sei zudem eine Schädigung der Erbsubstanz (DNA) möglich, was zu Krebserkrankungen führen könne.

Das BfS räumt an gleicher Stelle aber auch ein, dass solche Desinfektionssysteme, bei denen Personen sicher vor der UV-Strahlung geschützt sind, aus Sicht des Strahlenschutzes unproblematisch seien. Dazu zählt das Bundesamt auch „Systeme, bei denen die UV-C-Quelle in einer geschlossenen Einheit verbaut ist oder durch Abschirmung der Quelle sichergestellt ist, dass anwesende Personen keiner UV-C-Strahlung ausgesetzt sind“.

Die in der Festhalle Schottenhamel verwendeten Geräte (siehe Foto ganz oben) gehören offenbar zu dieser Kategorie. Hersteller Signify bezeichnet diese im Deckenbereich eingesetzten Leuchten zur Raumluftentkeimung als unbedenklich, weil durch Abschirmungen und die Installationshöhe sichergestellt sei, dass im Raum anwesende Personen keinen UVC-Strahlen ausgesetzt sind. Die Desinfektion der Raumluft findet bei solchen Leuchten innerhalb des Gerätegehäuses statt, wo die aufsteigende Raumluft an internen UVC-Lampen vorbeigeführt wird.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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